Frage an Andreas Steppuhn von Daniel K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Steppuhn,
Das um unser aller Sicherheit besorgte Bundesinnenministerium plant den nächsten Streich, versteckt in einem "U-Boot-Paragrafen". So geheimnisvoll sieht also im Internet-Zeitalter die neue politische Kultur in Berlin aus?
Der Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes" soll jedem Anbieter von Internetdiensten wie Google, Amazon oder StudiVZ das Recht geben, das Lese-, Schreib- und Suchverhalten seiner Besucher ohne Anlass aufzuzeichnen – vorgeblich zum "Erkennen" von "Störungen". Mit Hilfe der über alle Internetnutzer gespeicherten Daten würden Rückschlüsse auf unsere persönlichen Interessen, Lebenssituation und Schwächen möglich. Die Surfprotokolle sollen ohne richterliche Anordnung an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie an die Unterhaltungsindustrie herausgegeben werden dürfen.
Es werden Parallelen zu einem weiteren deutschen Staat ersichtlich, der 1990 von der Weltbühne verschwunden ist. Kommt Ihnen das als Abgeordneter, der in einem Ost-Wahlkreis tätig ist und mit den Sorgen und Ängsten der Menschen zu tun hat, die 40 Jahre unter Überwachung und Repression leiden mussten, nicht stark befremdlich vor?
Heute wird eine zunehmende Anwendung der früher bemängelten Maßnahmen der DDR durch unbedachte Abstimmungen mangelhaft und desinformierter Abgeordneter immer verschärfter ermöglicht. Oben genannter Entwurf würde bei Abstimmung eine verdachtslose Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet legitimieren. Warum muss das Kommunikationsverhalten der in einer freiheitlichen Demokratie lebenden Bürger aufgezeichnet und überwacht werden?
Mit Begründungen wie der angeblichen Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung wird jeder Bundesbürger unter Generalverdacht gestellt. Datenschutz & Unschuldsvermutung ade!
Wie stehen Sie zu dem von mir eingangs aufgeführten Gesetzentwurf? Wie werden Sie sich bei einer zukünftigen Abstimmung im Bundestag positionieren?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kisser,
vielen Dank für Ihre Frage zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes.
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich die von Ihnen nahegelegten Parallelen zum Repressionsapparat der DDR für falsch und unangebracht halte. Sie verharmlosen hiermit die Schicksale zahlloser Dissidenten, die unter Überwachung und Repression in der DDR zu leiden hatten.
Was Ihre Bedenken bezüglich des angesprochenen Gesetzentwurfes betrifft, so kann ich Ihnen sagen, dass die SPD-Bundestagsfraktion dem Text in der jetzt vorliegenden Form nicht zustimmen wird. Da mit dem derzeitigen Text ein regelmäßiger Eingriff in die Grundrechte der Internetnutzer nicht auszuschließen wäre, werden wir uns für Veränderungen einsetzen.
Gerade die in Artikel 3 des Gesetzentwurfes enthaltenen Formulierungen zur Datenspeicherung im Internet sind uns noch zu „schwammig“ gefasst. Hier werden wir uns dafür einsetzen, dass der Entwurf durch konkrete Formulierung entschärft wird und die Auswertung personenbezogener Daten nur als letztes Mittel in Betracht kommt.
Auch der im Gesetzentwurf derzeit vorgesehene Ausbau der Kompetenzen des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) wird von uns sehr kritisch gesehen. Hier müssen klare und eindeutige Regelungen gefunden werden, die die Kompetenzen des BSI beschreiben und die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen.
Die SPD-Bundestagsfraktion kann daher dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen, sondern wird sich stattdessen im derzeitigen parlamentarischen Prozess für Änderungen und Klarstellungen zugunsten der Freiheitsrechte der Bürger einsetzen.
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet und Ihre Bedenken entkräftet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Andreas Steppuhn, MdB