Frage an Andreas Schwarz von Frederik D. bezüglich Humanitäre Hilfe
Sehr geehrter Herr Schwarz,
Durch die aktuelle Medienberichterstattung zur Corona Krise könnte man meinen, dass es seit Ausbruch der Krise keine anderen Probleme mehr in der Welt und Europa gäbe. Das ist offensichtlich ein Trugschluss. Die Flüchtlingslager vor den europäischen Außengrenzen und in Griechenland sind voll. Dort herrschen miserable hygienische Bedingungen und an Mindestabstände ist dort nicht zu denken.
In Deutschland handeln wir nach der ethischen Maxime unseres Grundgesetzes. Plump gesagt: Jeder Mensch ist gleich viel wert und mehr wert als Geld, Güter oder Befindlichkeiten. Der Grund warum wir diese starken wirtschaftlichen Einschnitte für alle in Kauf nehmen, um eine geringe Prozentzahl der Menschen zu retten.
Sollten wir uns dann nicht auch auf internationaler Bühne so verhalten? Es wäre schnelles Handeln gefragt. Sonst drohen tausende Menschen zu sterben. Was ist geplant um diesen humanitären Missstand zu beheben?
Sehr geehrter Herr Diez,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch.de. Mir und uns in der SPD-Fraktion ist die Dringlichkeit bewusst. Zu den schon bislang unwürdigen Bedingungen kommt nun noch der Wettlauf gegen die Zeit. Gleichzeitig erfordern die Verfahren – etwa die Auswahl der Personen in Kooperation mit Hilfsorganisationen und anderen europäischen Ländern – auch Zeit. Wir sind dazu mit vielen Verantwortlichen in enger Abstimmung und versuchen zu beschleunigen, soweit wir dies mit politischem Druck oder dem Angebot weiterer Unterstützung vermögen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat seit Wochen dafür geworben, dass sich Deutschland der europäischen Koalition der Menschlichkeit anschließt und Geflüchtete von den griechischen Inseln aufnimmt. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius und unser migrationspolitischer Sprecher, Lars Castellucci, haben sich ein Bild von der Lage vor Ort gemacht und stehen mit Behörden und zahlreichen Hilfsorganisationen in engem Austausch. Alle sozialdemokratisch regierten Bundesländer sind zur Aufnahme bereit, darüber hinaus auch viele Städte und Gemeinden. Ich freue mich sehr, dass sich auch der Koalitionsausschuss und insgesamt neun europäische Länder geeinigt haben, Menschen aufzunehmen. Diese Einigung wird derzeit von der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Bundesregierung steht zu ihrer Zusage und sobald auf EU-Ebene alle Details geklärt sind, kann die Aufnahme beginnen. Das sollte jetzt zügig der Fall sein, so dass vermutlich in der kommenden Woche endlich die ersten Personen umgesiedelt werden können.
Diese europäische Lösung ist ein guter Anfang, kann aber nur ein erster Schritt sein. Neben der Frage, ob Deutschland weitere Geflüchtete aufnehmen sollte und wie wir legale Wege der Arbeitsmigration weiter ausbauen, geht es vor allem darum, dass wir für die Zukunft ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem haben, das arbeitsteilig organisiert ist sowie dauerhaft und geordnet funktioniert. Daran arbeiten wir in der SPD-Bundestagsfraktion intensiv mit Blick auf die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020.
Einen Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion aus der vorletzten Sitzungswoche finden Sie hier: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/griechenland.pdf
Nach dem erneuten Brand im Lager Moria haben sich der menschenrechtspolitische Sprecher unserer Fraktion Frank Schwabe, der migrationspolitische Sprecher Lars Castellucci sowie der zuständige Berichterstatter Helge Lindh darüber hinaus für eine unmittelbare Umsiedlung der Bewohner in Moria und vergleichbar überlasteter Einrichtungen ausgesprochen, da dort, verstärkt durch die Corona-Krise, keine Sicherheit gewährleistet werden kann: https://www.lars-castellucci.de/zur-aktuellen-situation-im-fluechtlingslager-moria-auf-lesbos/. Laut UNHCR sind im März bislang immerhin etwa 4200 Geflüchtete von den Inseln auf das Festland verbracht worden. Das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtzahl und ist der höchste Wert seit November. Die Zahl der Umsiedlungen auf das Festland liegt damit nun den dritten Monat in Folge höher als die Zahl der Neuanlandungen. Die Neuanlandungen sind mit etwa acht Personen pro Tag praktisch zum Erliegen gekommen. Allerdings waren auch die Umsiedlungen in der letzten Woche wieder stark rückläufig. Dieses Engagement müssen wir stärker unterstützen, indem wir schnell unsere Zusagen umsetzen und an weiteren Vereinbarungen arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schwarz