Frage an Andreas Lenz von Ernst G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Lenz!
Ich bin nichts rechts, ich bin unzufrieden! Wie die folgenden Beispiele zeigen, machen die Volksparteien eine Politik, die in erster Linie reichen Konzernen und nicht der arbeitenden Bevölkerung dient:
• Zinsen in der Höhe von knapp 0% für Spareinlagen schädigen die Altersvorsorge,damit sich Schuldenstaaten sanieren können.
• Gewinne der Banken werden privatisiert, Verluste trägt der Steuerzahler
• Die Regierung hält weiter an Gesetzen fest, die reichen Konzernen die legale Steuerflucht ermöglicht.
• Ist TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) erst in Kraft, können Konzerne Deutschland vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch deutsche Gesetze zum Umwelt- oder Sozialschutz bedroht sehen. Falls sie mit ihrer Klage erfolgreich sind, kann der Steuerzahler mit Milliardenbeträgen belastet werden. (Beispiel: Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg)
• Der Einstieg, Bargeldzahlungen abzuschaffen, ist zugleich der Einstieg in den gläsernen Bürger. Zudem werden sich Banken hüten, negative Zinsen auf Sparguthaben zu verlangen, solange Bargeld existiert.
Glauben Sie, dass die Verluste der Volksparteien bei den jüngsten Wahlen damit etwas zu tun haben?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Grill
P.S. Ich freue mich, dass Sie die Tradition Ihres Vorgänger nicht fortsetzen und Fragen in Abgeordnetenwatch beantworten.
Sehr geehrter Herr Dr. Grill,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie kritisieren, Politik würde in erster Linie nur noch für reiche Konzerne gemacht werden.
Lassen Sie mich dazu auf Ihre einzelnen Punkte kurz eingehen:
Niedrig-, Null und Negativzinsen
Sie haben Recht damit, dass die Niedrig-, Null und Negativzinspolitik der EZB massive Auswirkungen hat. Die Unternehmen investieren das billige Geld kaum. Dafür können die Staaten weiter billig Schulden machen und Reformen auf die lange Bank schieben. Am Ende wird der Schuldner belohnt und der Sparer bezahlt die Zeche.
Gerade Deutschland hat sich aber – aus guten Gründen – bei der Errichtung der EZB immer für eine starke Unabhängigkeit der Zentralbank von der Politik ausgesprochen und dies auch durchsetzen können. Diese Errungenschaft, die den Staaten die Möglichkeit nimmt, Einfluss auf die Geldpolitik im Sinne der eigenen Haushaltspolitik zu nehmen, sollte nicht vorschnell zur Disposition gestellt werden. Dennoch brauchen wir in Europa eine kritische Diskussion über die Nullzinspolitik. Und die EZB muss sich ihrerseits selbstkritisch mit den realen Folgen ihrer Politik beschäftigen.
Steuerflucht/ Steuervermeidung
Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir uns stets für ein Steuerrecht eingesetzt, das die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in den Mittelpunkt stellt und zugleich gewährleistet, dass sich niemand auf Kosten der Allgemeinheit seiner Steuerpflicht entziehen kann. Daher haben wir bereits im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir Steuervermeidung eindämmen und Steuerhinterziehung bekämpfen werden. Wir werden es insbesondere nicht länger hinnehmen, dass global agierende Konzerne ihre Steuerlast geschickt durch eine Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer minimieren.
Der Kampf gegen Steuerhinterziehung wird mit allen zuständigen Aufsichts- und Ermittlungsbehörden fortgesetzt. Dies wird unter anderem mit dem Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer Gesetze geregelt. Darüber hinaus haben sich die Staaten der OECD und der G20 sowie Schwellen- und Entwicklungsländer im BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting, auf Deutsch Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung) zusammengetan, um die internationalen Steuerstandards zu stärken, Regeln für den internationalen Steuerwettbewerb zu setzten und ihre jeweiligen Steuerrechtssysteme besser miteinander zu verzahnen.
Investitionsschutz/ Schiedsgerichte bei TTIP
Internationale Schiedsverfahren, wie Sie sie in Ihrer Anfrage speziell für das TTIP-Abkommen ansprechen, sind bereits seit langem international etablierte Instrumente. Der Schutz von Investitionen (beispielsweise vor Zwangsenteignungen), die ein Investor tätigt ist grundsätzlich sinnvoll. Betriebe sollen so vor willkürlichen politischen Entscheidungen geschützt werden. Dennoch hat die Auslegung des Investitionsschutzes in einigen Fällen zu berechtigter Kritik geführt. Zur Einhaltung oder Einklagung der Regeln des Investitionsschutzes wurden so genannte Schiedsgerichte installiert. Diese sind ursprünglich sogar eine deutsche Erfindung. Von 130 Handelsabkommen, die Deutschland bisher abschloss, sind 86 mit solchen Schiedsgerichtsvereinbarungen abgeschlossen.
Das macht die Sache aber nicht besser. Ich persönlich lehne solche Schiedsgerichte ab. Es bedarf bei solchen Verfahren an Transparenz, an einer unabhängigen Besetzung der entsprechenden Richter sowie an Revisionsverfahren. Die Installation eines internationalen Handelsgerichtshofes, wäre ein richtiger Weg, solche Streitigkeiten einen entsprechenden rechtlichen Rahmen zu geben. Manche Vertreter des Mittelstandes wünschen sich Schiedsgerichte, auch um die Klagewege, die in den USA gelten abzukürzen. Ich bin insgesamt der Auffassung, dass es zwischen entwickelten Rechtsräumen keiner Schiedsgerichte bedarf.
Bargeldobergrenze
Auch ich verfolge diese vom Bundesministerium der Finanzen angestoßene Debatte über die Einführung einer Bargeldobergrenze sehr kritisch und teile die von der Bevölkerung in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebrachten Bedenken. Im Hintergrund der Überlegungen des Bundesministeriums der Finanzen stehen verstärkte Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Inwieweit ein Verbot von größeren Bargeldtransaktionen illegale Aktivitäten tatsächlich wirksam unterbindet, ist jedoch nach wie vor eine offene Frage. Bargeld soll und wird es aber auch weiterhin geben und jeder soll weiterhin Bargeld in unbegrenzter Höhe besitzen dürfen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lenz