Frage an Andreas Lämmel von Michael H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Lämmel,
die CDU verhandelt derzeit über das Transatlantische Freihandelsabkommen. Wie z.B. im Artikel "TAFTA - Die große Unterwerfung" erläutert, würde dieses Abkommen alle Menschen, Parlamente und Regierungen den Profitinteressen der Großkonzerne unterordnen. So könnte z.B. Genmanipulationskonzern Monsanto die Bundesrepublik verklagen, wenn der Bundestag Genfood nicht zulässt. Gleiches gilt für jeglichen Verbraucher-, Umwelt-, Arbeitsschutz etc.
Was werden Sie unternehmen, um uns Bürger vor dem Transatlantischen Freihandelsabkommen zu schützen?
Bitte lesen Sie erst das Informationsmaterial und antworten Sie nicht in vorgefertigten Textbausteinen Ihrer Parteiführung. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Hauschild,
vielen Dank für Ihre Frage. Nachfolgend erläutere ich Ihnen gern anhand einiger Punkte,
warum kein Bürger vor TTIP geschützt werden muss.
1. Transparenz der Verhandlungen
Die TTIP-Verhandlungen haben inzwischen ein Ausmaß an Transparenz erreicht, wie es bei keinem der zahlreichen EU-Handelsabkommen in der Vergangenheit jemals erreicht worden ist und finden keinesfalls "im Geheimen hinter verschlossenen Türen" statt. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Sie wirkt darauf hin, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Vor allem aber tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch wird eine umfassende parlamentarische Kontrolle möglich.
Internationale Vertragsverhandlungen sind in der Regel nicht öffentlich, um die eigene Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Seit dem 9. Oktober 2014 wurde das Verhandlungsmandat der EU-Kommission auf Bestreben der Bundesregierung veröffentlicht. Handelskommissarin Cecilia Malmström hat nach ihrem Amtsantritt eine Transparenzinitiative gestartet. So werden regelmäßig Positionspapiere und Textvorschläge von der Kommission veröffentlicht, die online abrufbar sind. Der TTIP-Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums soll für Transparenz sorgen und Vertrauen schaffen, indem er mit den beteiligten Akteuren und mit Kritikern in den Dialog tritt. Dem Beirat gehören 22 Vertreter von Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs an. Darüber hinaus gibt es sogenannte "Stakeholder-Foren", in denen sich Vertreter der Zivilgesellschaft über den Verhandlungsstatus informieren und ihre eigenen Standpunkte mit auf den Weg geben können.
2. Qualität
TTIP bietet für Europa die Chance, gemeinsam mit den USA möglichst hohe globale Schutzstandards für das 21. Jahrhundert zu setzen und damit den vergleichsweise hohen westlichen Standards (z.B. im Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz) Vorbildcharakter für andere internationale Abkommen zu verschaffen. Nationale Regeln zur Erreichung wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses, wie etwa Gesundheits- oder Umweltschutz, werden nicht beeinträchtigt.
3. Gesetzgebungsspielraum
Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selber festlegen. TTIP etwa dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat. Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.
Ausdrücklich wird auch darauf hingewiesen, dass das Recht der Staaten, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls zu erlassen, durch diese Kooperation in keinster Weise eingeschränkt wird, d.h. es wird selbstverständlich auch weiterhin möglich sein, nationale Gesetze (z.B. zum Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz) zu erlassen, ohne dass dazu eine Zustimmung des Handelspartners erforderlich ist. Die weltweit aktivsten Kläger beispielsweise auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer und nicht - wie häufig unterstellt wird - die Amerikaner. So laufen derzeit vor dem Schiedsgericht in Washington mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Und sicher wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München (die zu den Klägern in Washington) gehören, die Demokratie in Spanien abschaffen wollen.
Ich sehe somit weder Demokratie, noch Menschenrechte oder ökologische Standards in großer Gefahr. Vielmehr sollten wir TTIP als Chance betrachten, um einer stark zusammengewachsenen Handelswelt im 21. Jahrhundert weiterhin gerecht werden zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel