Frage an Andreas Geisler von Lorenz P. bezüglich Wirtschaft
Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungsunternehmen klagen zunehmend über zu wenig geeigneten Nachwuchs, benötigen mitunter bis zu neun Monate, um ihre Lehrlinge erst einmal berufsschulfähig zu machen. Mehr als 30 % brechen eine Ausbildung oder ihr Studium ab, was sowohl für die Gesellschaft, aber auch für die meist kleinen Unternehmen untragbar und teuer ist. Dennoch sonnt sich die Koalition im Licht des Bildungsmonitors, wonach Sachsen den ersten Platz einnimmt. Wie sehen Sie das?
Sehr geehrter Herr Lorenz,
Bei der Beantwortung Ihrer Frage hilft es mir, dass ich nicht ( noch nicht ) Politiker bin, sondern Handwerksmeister, also Bäckermeister in 9ter Generation. Wir haben in den letzten 24 Jahren meiner Selbstständigkeit 12 Lehrlinge ausgebildet davon einige als Kammerbeste, aber auch wir mussten viele Dinge noch selber beibringen was eigentlich Elternhaus und Schule machen sollten und schlussendlich haben wir das Handtuch geworfen und seit einigen Jahren nicht mehr ausgebildet.
Berufe wo man sich schmutzig macht, wo man nachts arbeitet, wo man körperlich arbeitet, genießen nicht das gesellschaftliche Ansehen wie sie es verdient haben. Deshalb gibt es eine Run aufs Studium und noch verstärkter auf Arbeit bei öffentlichen und großen Arbeitgebern. Es gibt wenig Gründergeist und auch kaum den Drang eigene Firmen zu gründen. Vielleicht fehlt hier bei uns auch eine Kultur des Scheitern dürfens mit einer Idee wie in den USA. Villeicht sollten wir unser Schulsystem mal dahin verändern das Praxisbezug, Sozialkompetenz, die Erarbeitung von Lerninhalten mehr in den Mittelpunkt rücken.
Und wir müssen die Übergänge im Bildungssystem passgenauer gestalten, die Schüler besser auf Berufe vorbereiten und diese unsäglich hohe Quote ohne Schulabschluss drastisch verringern. Wir können uns das schlicht nicht länger leisten weder das Land, noch die Betriebe.
Wir drängeln die Hälfte der Kinder aufs Gymnasium und dann gehen dort nur 60-70% zum Studium und dazu kommt, dass noch viele ihr Studium abbrechen. Es gibt unglaublich viele Angebote sich auf die Ausbildung und das Studium vorzubereiten aber viele Schüler und Eltern kennen sie nicht. Da muss Schule besser werden, dazu muss der Freistaat mehr in Lehrerstunden investieren und nicht in Förderscheiben ( Zeiträumen ) sondern verdammt nochmal langfristig sicher. Wir brauchen bei den Unis kein Kürzen der Stellen bei der Werbung und Beratung fürs Studium. Und ja manchmal braucht es Karriereberater denn Kinder werden alle gleich klug geboren, und kluge Köpfe gibt es auch in bildungsferneren Elternhäusern, oder dort wo es keine studierten Eltern sind oder bei Kinder mit Migrationshintergrund. Diese Talente gilt es zu wecken und fit zu machen und auch sie bei der Finanzierung eines Studiums zu unterstützen.
Als Mitglied des regionalen Arbeitskreises SchuleWirtschaft haben wir versucht Lehrerpraktika einzuführen, damit die Berufsberatungslehrer nicht nur theoretisches Wissen haben sondern das auch in einem 3 tägigen Besuch in einem Kammerbetrieb mit der Realität vergleichen können um besser zu beraten. die Koordinierungstellen die es gibt dürfen nicht länger für eine Stadt oder eine Kreis arbeiten sondern müssen regional vernetzt werden. Ganztagsschulen deren Sachsen sich rühmt, die es aber nicht hat, könnten mit einem praxisnahen Angebot mit regionalen Wirtschaftspartnern aus dem Umfeld durchaus helfen das zu verbessern. Auch ein mehr an Praktika für Schüler, die Änderung der klassischen 2 Wochen Praktika in mehrere Kurze Schnupperpraktika können viel bewirken. Patenschaftsprojekte zwischen Wirtschaft und Schule für Schüler mit praktischen Fähigkeiten aber Schwierigkeiten beim theoretischen Lernen wären auch eine Möglichkeit etwas zu verbessern. Aber wie so oft, scheitert es an zu wenig Lehrkräften die auch dafür nicht passgenau ausgebildet sind.
Es scheitert auch daran das die Wirtschaft durch da Überangebot der letzten Jahre verwöhnt war und erst jetzt verstärkt das Problem ins Visier und hoffentlich die Politik in die Pflicht nimmt.
Und auch wir als Eltern sind oft genug nicht mehr in der Lage unseren Kindern die Vielzahl der Ausbildungsmöglichkeiten komplett zu erklären und denperfekten Weg zu suchen, falls es den gibt.
Es gibt viel zu tun, ich würde mich freuen, wenn ich das politisch
mitgestalten dürfte.
Zu Ihrer Frage zum Bildungsmonitor verweise ich auf die umfangreichen
Ausführungen des LSR und LER Sachsen deren Arbeit ich unglaublich schätze und
deren Einschätzung ich teile.
Der Landeselternrat hat sich klar zum Bildungsmonitor
http://www.insm-bildungsmonitor.de/ geäußert.
Unter:
http://www.landeselternrat-sachsen.de/fileadmin/ler/daten/01ler/06positionen/0601positionen/140820_Bildungsmonitor.pdf finden sie die Meinung
des Landeselternrates zu dem Thema unter dem Motto:
Der sächsische Landeselternrat warnt: „ Der aktuelle Bildungsmonitor
streut Sand in die Augen. Wenn wir aber heute den akuten Handlungsbedarf
verschlafen, wird es morgen ein böses Erwachen geben. Sachsen muss jetzt aktiv
werden!“
Und
"Bildungsmonitor 2014 - Sächsischer Raubbau an der Bildung wird bejubelt !
Und unter:
http://www.landeselternrat-sachsen.de/fileadmin/ler/daten/01ler/06positionen/0601positionen/140820_LSR-PM_Bildungsmonitor.pdf finden Sie
die Meinung unseres Landeschülerrates.
Wenn die für die wir die ganze Bildungspolitik machen, unsere Schüler und
die sie vertretenden Eltern, ein so vernichtendes Urteil fällen muss ich
dem nichts mehr dazufügen.
Das spricht für sich !
Ich würde den Landeselternrat in seiner Arbeit gern aus dem Landtag heraus
unterstützen.
MfG
Andreas Geisler