Wird die GroKo an der Pilotierung eines landesweiten Beteiligungshaushaltes festhalten?
Sehr geehrte Frau Z.,
seit vielen Jahren unterstütze ich Beteiligungshaushalte auf kommunaler Ebene, wie in den Berliner Bezirken. Das ist ein Instrument der direkten Demokratie, das demokratische Beteiligung fördert und Engagement belohnt. Nachbarschaftsprojekte, Sportvereine, kulturelles Engagement, Barrierefreiheit u.v.a.m. können so vor Ort gefördert und finanziert werden.
Ursprünglich war ich im Bezirk Lichtenberg ein Verfechter der Idee, den gesamten verfügbaren Bezirkshaushalt für solche Beteiligungsformate zu öffnen. In der Praxis hat sich das aber nicht als sinnvoll erwiesen, weil direkte Beteiligung für bestimmte Projekte Unterstützung bekommt, die in Haushaltsverhandlungen auf oftmals notwendige Gegenfinanzierung so nicht zustande kommt. Menschen engagieren sich vor allem für Projekte, selten gegen sie. Deshalb haben wir einen bestimmten Teil des Bezirkshaushaltes für solche konkreten Projekte in den jeweiligen Stadtteilen reserviert und dann in der Bürgerbeteiligung autonom entscheiden lassen. Ich finde das inzwischen auch richtig, weil sachgerechte Entscheidungen zwischen konkreten Projekten vor Ort und einem pauschalen Budget für bspw. Kultur oder Kinder- und Jugendbetreuung in der direkten Demokratie kaum möglich sind. Um es plastisch zu machen: die Menschen engagieren sich vor Ort bspw. für die Einrichtung eines Bolzplatzes oder für neue Parkbänke. Dafür andere Budgets einzuschränken ist aber nicht Ziel ihres Engagements.
Gleichwohl ist ein Haushalt, egal ob der des Bundes, des Landes oder des Bezirks aber begrenzt, was solche Abwägungen unabänderlich notwendig macht. Diese Abwägungen in pauschalen Budgets vornehmen zu können und somit für den Ausgleich der Interessen zu sorgen, ist Aufgabe und Stärke unserer repräsentativen Demokratie.
Inwieweit solche konkreten Projekte auf Landesebene in direkter Beteiligung abgewogen und entschieden werden können, muss sich erst noch zeigen. Ich finde die Vermischung der Entscheidungsebenen und die vielen Doppel- und Dreifachzuständigkeiten sind gerade eine Schwäche der Berliner Verwaltung. Wir müssen mehr Entscheidungen dort zulassen und sie dort belassen, wo die dafür notwendigen Kompetenzen angesiedelt sind. Die neue Berliner Regierungskoalition hat keine Pläne, die bisher vorgesehenen Beteiligungsformate einzuschränken. Ob sie sich aber in der Praxis bewähren, muss sich noch zeigen. Bisher sind die Beteiligungshaushalte und -formate immer dann besonders erfolgreich, wenn sie konkret, vor Ort nachvollziehbar und in überschaubarer Zeit umsetzbar sind. Das spricht für ihren Einsatz auf kommunaler Ebene und sogar noch kleinteiliger auf Stadtteilebene.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Geisel