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Andreas Geisel
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Frage von Helmut S. •

Frage an Andreas Geisel von Helmut S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Geisel

in Ihrem ZEIT-Interview begründen Sie die Infragestellung des Existenzrechts Israels durch BDS wie folgt:

"Aber auf ihrer internationalen Webseite strebt BDS die "Befreiung allen arabischen Landes" an – womit eben nicht nur das Westjordanland gemeint ist."

Mein Informationsstand zu diesem Thema ist folgender: Das "Allen arabischen Landes"-Zitat, das ohne territoriale Differenzierung auskommt, ist aus dem Gründungsaufruf von BDS 2005 und findet sich aktuell auf der internationalen BDS-Seite. (1) Wie das Zitat gemeint ist, ergibt sich einerseits aus dem deutschen BDS-Aufruf.(2) Dieser spricht von einer „Beendigung der Besatzung und Kolonialisierung des 1967 besetzten arabischen Landes“. In einem Buch (3) aus dem Jahr 2011 beschreibt der BDS-Gründer Omar Barghouti die territoriale Forderung seiner Bewegung wie folgt: "Beendigung der seit 1967 andauernden militärischen Besetzung von Gaza, der Westbank (einschließlich Ost-Jerusalems)".

Meine Fragen:
1. Selbst wenn von BDS nur das "Allen arabischen Landes"-Zitat bekannt wäre, ergäbe sich daraus keine eindeutige Interpretation. Es kann Israel in den Grenzen von 1967 ebenso ein- wie ausschließen. Sie aber gehen von Eindeutigkeit aus i.S. einer Einbeziehung Israels in den Grenzen von 1967. Warum?

2. Waren Ihnen die hier mitgeteilten BDS-Zitate, die eine territoriale Differenzierung enthalten bekannt? Wenn ja - wieso fanden diese in Ihrer Bewertung keine Berücksichtigung?

3. Bleiben Sie bei der Behauptung BDS stelle das Existenzrecht Israels über die territorialen BDS-Forderungen in Frage? Wenn ja bitte ich um eine Begründung unter Berücksichtigung der hier vorgetragenen Informationen.

(1) https://bdsmovement.net/what-is-bds
(2) http://bds-kampagne.de/aufruf/deutschlandweiter-bds-aufruf/
(3) Omar Barghouti, BDS: Boycott, Divestment, Sanctions: The Global Struggle for Palestinian Rights, Haymarket Books 2011, p 49

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen zu meinem Interview in der Zeit, in der ich u.a. eine Beobachtung von BDS durch den Verfassungsschutz vorschlage. Nachfolgend möchte ich gerne auf Ihre Punkte eingehen.

Zu 1. und 2.
Relativierende Aussagen von BDS-Aktivisten sind in die Bewertung von BDS ebenso eingeflossen, wie die auf der deutschen Webseite von BDS enthaltene Einschränkung nach einer "Befreiung allen 1967 besetzten arabischen Landes". Bezeichnenderweise gibt es diesen Zusatz allerdings nur in der Veröffentlichung auf der Internetpräsenz von BDS Deutschland. Auf der internationalen BDS-Website findet sich die Forderung "Ending its occupation and colonization of all Arab lands" hingegen in zehn Sprachen - auch auf Deutsch - ohne diese eine entsprechende Klarstellung (siehe: https://bdsmovement.net/call#German). Insofern wird dort die Befreiung "allen arabischen Landes" gefordert, was de facto die Negierung eines israelischen Staates bedeutet.

Zu 3.
Die Einordnung der BDS-Programmatik als antisemitisch erfolgt nicht allein aufgrund der Forderung nach einer Befreiung "allen arabischen Landes". Hinzu kommen diverse Aktionen und Aussagen von BDS-Sympathisanten und Aktivisten nach denen etwa "kein Palästinenser jemals einen jüdischen Staat in Israel akzeptieren würde" (Omar Barghouti, 2014), dass "Israel kein Recht habe zu existieren" (Lynn Kates, 2003) oder wenn auf Demonstrationen skandiert wird: "from the river to the sea - palastine will be free" (von BDS Berlin unterstützte Demonstration in Berlin im April 2018). Bei der verharmlosenden Übersetzung auf der Homepage von "BDS Deutschland" dürfte es sich insofern um ein rein taktisches Manöver handeln. Daher bleibt es bei der Einschätzung, dass die BDS-Programmatik das Existenzrecht Israels angreift.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Geisel

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