Frage an Andreas Geisel von Ralph S. bezüglich Innere Sicherheit
Guten Tag Herr Geisel,
am 18.6. hat der Bundestag mit den Stimmen auch fast aller SPD-Abgeordneter das "Gesetzt gegen Kinderpornografie" beschlossen, mit dem Internetsperren entsprechender Seiten eingerichtet werden sollen. Das Gesetz wird von vielen Internetnutzern und Datenschützern als Einstieg in die Internetzensur verurteilt.
Falls Sie bereits am 18.6. Mitglied des Bundestages gewesen wären: Wie hätten Sie abgestimmt und warum?
Mit freundlichem Gruß
Ralph Schaster
Sehr geehrter Herr Schaster,
wir haben sehr eindeutige Regelungen im Grundgesetz, durch die unsere Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet wird. Da ich bis 1990 in der DDR gelebt habe, weiß ich den Wert dieser Freiheitsrechte zu schätzen. Man vergisst ja schnell, aber mir ist noch sehr bewusst, wie es mich damals nervte, nicht die Bücher und Zeitungen lesen zu können, die ich lesen wollte. Und als 1988 sogar sowjetische Zeitungen aus meiner damaligen Uni-Bibliothek verschwanden, weil sie über Glasnost und Perestrojka berichteten, wurde die Bevormundung sehr, sehr deutlich. Also, ich weiß aus eigener Erfahrung worüber ich rede. Ich bin deshalb gegen jede Form von Zensur und gegen die Einschränkung von demokratischen Meinungsäußerungen. Und ich will auch keine Internetzensurbehörde, wie sie in Ihrer Frage angesprochen wird.
Klar ist für mich aber auch: Die Verherrlichung von brutaler Gewalt, Aufrufe zum Terror, Hetzkampagnen gegen Menschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Meinung, und eben auch Kinderpornografie sind eindeutige Straftaten. Und Straftaten sind kriminell, egal ob real oder virtuell. Und was in Printform verboten ist, kann online nicht erlaubt sein.
Das konkrete Gesetz, das vom Bundestag verabschiedet wurde, scheint zumindest technisch unvollkommen zu sein. Wenn Experten heute sagen, dass diese Sperren im Internet relativ leicht zu umgehen sind, machen sie natürlich wenig Sinn. Aber ich will hier weniger eine technische Diskussion führen, als die Debatte darüber, wie wir mit solchen Problemen umgehen. Einfach jede Bekämpfung von Straftaten (bzw. den Wunsch nach deren Bekämpfung) unter Zensurverdacht zu stellen, ist mir auch zu billig. So diffamieren wir vielleicht die Verfasser des Gesetzes, lösen aber nicht das anstehende Problem.
Gestatten Sie mir bitte die Rückfrage an Sie, welchen Vorschlag Sie selbst haben? Die von Ihnen erwähnten Datenschützer, Internetnutzer und z.B. die Piratenpartei haben diese Lösung nämlich noch nicht angeboten, bzw. einfach auf Strafverfolgung zu verzichten, ist für mich keine Lösung. Unsere Gesellschaft braucht Regeln des Zusammenlebens, um zu funktionieren, genauso wie jede Familie, jede Nachbarschaft, jede Fußballmannschaft etc. Und diese Regeln müssen Bestand haben und durchgesetzt werden, um unser aller Freiheit zu erhalten. Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss auch verteidigt werden. Ich bin genauso wie die SPD-Fraktion offen für Vorschläge zur Problemlösung. Das derzeitige Gesetz ist sicher noch nicht der "Weisheit letzter Schluss". Aber die Diskussion zu Straftaten im Internet zu beginnen und zu führen, halte ich für richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Geisel