Andreas Audretsch
Andreas Audretsch
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Alexander S. •

Werden durch die Absichten der neuen Chefin der Bundesagentur für Arbeit die Sozialkassen weiter geschwächt?

Durch eine EU-Regelung können Fachkräfte aus dem europäischen Ausland, auch ohne Einzahlung in die Sozialkassen (Rente und Gesundheit), in Deutschland arbeiten, wenn sie einen Arbeitsplatz zu Hause hatten.
75% der Industriearbeitsplätze sind bereits mit osteuropäischen Zeitarbeitnehmern besetzt.
In 2022 mussten deutsche Steuerzahler zusätzlich ca. 110 Milliarden EURO in die Rentenkasse aus dem Bundeshaushalt nachbezahlen. Die Krankenkassen mussten auch mit Milliarden gestützt werden. Dies wurde alles mit deutschen Steuergeldern finanziert.
Wird die Besetzung mit ausländischen Arbeitskräften dazu führen, dass die Renten- und Krankenkassen bald zahlungsunfähig werden? Ist es nicht unfair gegenüber den deutschen Steuerzahlern, dass auch die Unternehmen durch die Nichtzahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Belastung der öffentlichen Haushalte beitragen?
Warum versucht man nicht durch mehr Weiter-/Bildung Menschen aus der Arbeitslosigkeit an diese Arbeitsplätze zu bringen?

Andreas Audretsch
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte*r A. S.

Grundsätzlich gilt die Regelung, dass Fachkräfte aus dem europäischen Ausland in der Sozialversicherung ihres Heimatlandes versichert bleiben können, nur für entsandte Arbeitnehmer*innen. Diese sind dann weiterhin bei der entsendenden Firma in ihrem Heimatland angestellt und nicht bei einer deutschen Firma. Die Firma im Heimatland zahlt dort Arbeitgeberbeiträge, die die empfangende deutsche Firma über die Entsendegebühr indirekt zahlt. Das geht aber nur für einen vorübergehenden Zeitraum (24 Monate plus Möglichkeit der Verlängerung in Ausnahmefällen). Das bedeutet aber auch, dass den deutschen Sozialversicherungen durch diese Arbeitnehmer*innen keine Kosten entstehen, da beispielsweise bei einer Krankheit dann die Krankenversicherung des Heimatlandes zahlt und keine deutsche Krankenkasse. Es handelt sich dabei um eine sehr kleine Personengruppe. Die meisten in Deutschland tätigen Arbeitskräfte mit Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes übersiedeln ganz regulär nach Deutschland, haben hier ihren Wohnsitz und zahlen dementsprechend auch hier ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (und ihre Arbeitgeber auch die Arbeitgeberbeiträge), aus denen dann beispielsweise die Renten hiesiger Rentner*innen gezahlt werden.

Die Zahl von angeblich 75 % der Industriearbeitsplätze besetzt mit osteuropäischen Zeitarbeiter*innen ist völlig falsch. Es gibt in Deutschland ca. 6 Mio. Industriearbeitsplätze, und insgesamt in der gesamten EU sind gerade einmal etwas über 2 Mio. entsandte Arbeitnehmer*innen tätig. Selbst der Anteil der gesamten Beschäftigten mit ausländischer Staatsbürgerschaft in der Industrie ist extrem viel niedriger als 75 Prozent, die Zahl ist völlig utopisch.

Und schlussendlich bleibt festzuhalten, dass sehr viel dafür getan wird, Menschen durch Aus-/Weiterbildung aus Arbeitslosigkeit auf dringend zu besetzende Stellen zu holen. Es gibt aber schlicht zu wenige davon, und nicht alle sind für jeden zu besetzenden Job geeignet. Es ist daher völlig normal und notwendig, auch Fachkräfte aus dem Ausland zu beschäftigen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Audretsch

 

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