Frage an Andrea Lindholz von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Frau Lindholz,
laut meiner Beobachtung lassen nicht wenige Unternehmen in ihren Ausschreibungen betreffs Jobs und Praktika eine unfaire und teils devote Praxis erkennen.
1. Problem: Tabuisierung der Lohnfindung
Während die meisten Unternehmen sachlich dienliche Beschreibungen leisten, welche Aufgaben mit der jeweils ausgeschriebenen Tätigkeit verbunden sind und welche Anforderungen diesbezüglich an etwaige Bewerber/innen gestellt werden, wird die Frage der Lohnfindung oft nichtssagend behandelt, Das sehe ich als unfair gegenüber den einen Job oder Praktikumsplatz suchenden jungen Menschen gegenüber, die teils nur über ein schmales Budget verfügen und sicher so wie ich gerne schnell und unkompliziert an Hand einer Ausschreibung erfahren möchten, ob die dort angebotene Beschäftigung eine angemessene Vergütung verspricht.
Die Dienstleistungs-Gesellschaft Hochtaunus gGmb verwendet z.B. in einer aktuellen Ausschreibung für die Beschreibung von Aufgaben und Voraussetzungen 92 Wörter, für die der Lohnfindung nur 2 (zudem nichtssagende) Wörter.
https://stellenmarkt.studentenwerkfrankfurt.de/anzeige/203940-schulbegleiterin-mwd
Screeenshot; https://www.directupload.net/file/d/6063/4bfleo9m_jpg.htm
Frage 1:
Was halten Sie von der Idee, dass der Gesetzgeber aussagefähige Informationen in Ausschreibungen betreffs der Vergütung vorschreibt?
2. unvergütete Praktika
Das Zentrum für Psychotherapie Wiesbaden bietet aktuell eine Stelle für ein 5-monatiges Pflichtpraktikum mit durchschnittlich 23 Wochenstunden an drei bis vier Tagen (insgesamt 480 Stunden) an, das nicht vergütet wird.
Screenshot: https://www.directupload.net/file/d/6063/5syi9xgk_jpg.htm
Was halten Sie von einem Mindestlohn für Praktika, damit die Arbeit der dort Beschäftigten nicht ausgenutzt werden kann?
Viele Grüße T. S.
Sehr geehrter Herr Schüller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Gehaltsangabe in Stellenausschreibungen und Mindestlohn für Praktika.
Ich sehe angesichts der bestehenden Regelungen hierzulande beim Thema Gehaltsangabe weniger gesetzgeberischen Handlungsbedarf, als vielmehr Handlungsbedarf bei den Arbeitgebern. Denn eine gesetzliche Regelung, die Arbeitgeber in Stellenausschreibungen zu "aussagefähigen Informationen" bzgl. des Gehalts verpflichtet - wie Sie es fordern - würde in der Praxis nicht zwangsläufig zu mehr Transparenz führen. Das zeigt sich am Beispiel Österreich, wo es bereits seit 2011 eine solche gesetzliche Verpflichtung gibt. Trotzdem beschränken sich bis heute viele österreichische Firmen darauf, in den Stellenausschreibungen lediglich grobe Gehaltsrahmen anzugeben z.B. unter Verweis auf Mindestlohn und Möglichkeiten der Überbezahlung bei entsprechender Qualifikation. Noch striktere gesetzliche Vorgaben würden den Verhandlungsspielraum für Arbeitnehmer und Arbeitgeber übermäßig einschränken und wären somit in vielen Fällen kontraproduktiv. Ich bin daher der Auffassung, dass es vor allem einen Kulturwandel bei den Arbeitgebern selbst braucht. Mehr Transparenz beim Gehaltrahmen lässt die eigene Stellenausschreibung hervorstechen. In Zeiten des Fachkräftemangels halte ich solche praktischen Hinweise für sehr viel zielführender, als starre gesetzliche Vorgaben, die für sämtliche Branchen pauschal gelten, aber immer dem Interesse des jeweiligen Arbeitnehmers dienen. Das Beispiel Österreich zeigt jedenfalls, dass auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung noch viel Spielraum bleibt und ein nachhaltiger Kulturwandel nicht zwangsläufig einsetzt, weniger gesetzliche Regelungen, als vielmehr Zeit und einen Bewusstseinswandel braucht. Im Übrigen möchte ich in Bezug auf Transparenz sowie eine angemessene Entlohnung von Praktika auf die bestehenden Regelungen in § 26 Berufsbildungsgesetz, § 2 Nachweisgesetz und § 22 Abs. 1 Mindestlohngesetz verweisen. Darin sind für Praktikanten bereits umfangreiche Regelungen enthalten, so dass aus meiner Sicht kein darüber hinausgehender Regelungsbedarf besteht.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB
Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat