Frage an Andrea Lindholz von Noah R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lindholz,
als Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat gehe ich davon aus, dass das Thema doppelte/mehrfache Staatsbürgerschaft zu ihren Aufgabenbereichen gehört.
Als 15-Jähriger Gymnasiast mit Französischer Mutter, deutschem Vater und US-amerikanischen Geburtsort beschäftigt mich das o.g. Thema sehr oft.
Nun stellt sich mir die Frage, warum ihre Partei sich für die Anschaffung der mehrfachen Staatsbürgerschaft einsetzt.
Jetzt gehe ich davon aus, dass es ihrer Partei darum geht, die Staatsbürger zu integrieren. Jetzt ist aber bei mir der Fall, dass man in keinem meiner drei Heimatländer bemerkt, dass ich "Ausländer" bin. Ich bin in Deutschland immer pünktlich in der Schule, esse in Frankreich stets Baguette und sage in den USA den pledge of allegiance auf. Warum erzählt man mir dann, dass doppelte Staatsbürger schlecht integriert seien? (Ich beobachte darüber hinaus in meinem Umfeld, dass ich nicht die Ausnahme, sondern die Regel bin).
Mir ist bewusst, dass nicht alle so sind wie ich, aber warum sollten einzelne einer Gruppe vom Verhalten anderer leiden? Meines Wissens nach wäre das, wenn man alle Staatsbürger eines Landes in einen Topf wirft, Diskriminierung.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
N. Ries
Sehr geehrter Herr R., lieber N. R.,
vielen Dank für die Frage zum Staatsbürgerschaftsrecht.
Eines möchte ich gerne klar stellen: Auf keinen Fall möchte die CSU Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft über einen Kamm scheren und schon gar nicht diskreditieren! Das hat die CSU meiner Ansicht nach auch nicht getan.
Der Mikrozensus 2018 hat ermittelt, dass mindestens 1,8 Millionen deutsche Staatsbürger eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Tatsächlich dürften die Zahlen wesentlich höher liegen. Der Zensus von 2011 ermittelte sogar über 4 Mio. "Doppelstaatler", wobei diese Zahlen angesichts von veralteten Melderegistern wohl stark überhöht sein dürften. Die tatsächliche Zahl liegt laut statistischem Bundesamt irgendwo zwischen Zensus und Mikrozensus. Unabhängig davon ist für die CSU jedoch vollkommen klar, dass hinter diesen Statistiken viele Millionen individuelle Persönlichkeiten, Lebensgeschichten und Schicksale stehen. Schon allein das verbietet jedes Pauschalurteil.
Der CSU geht es in der Debatte über die sog. "doppelten Staatsbürgerschaft" vor allem darum, den Wert der deutschen Staatsbürgerschaft zu betonen und zu erhalten. Denn schließlich sind an die deutsche Staatsbürgerschaft eine ganze Reihe von Privilegien verknüpft, wie das passive und aktive Wahlrecht, der Erwerb der Grundrechte in der Bundesrepublik Deutschland, Zugang zur EU-Freizügigkeit, Visafreiheit in viele Länder usw. Wir wollen, dass dieses besondere Privileg der Staatsbürgerschaft nicht beliebig verteilt wird, sondern an klare Kriterien geknüpft wird. Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte grundsätzlich nur im begründeten Ausnahmefall zulässig sein und nicht zum Regelfall werden.
Jeder "Ausländer", der seit 8 Jahren legal in Deutschland lebt, hat die Möglichkeit deutscher Staatsbürger zu werden bzw. sich einbürgern zu lassen. Das ist Willkommenskultur. Aus gutem Grund ist die Einbürgerung an Bedingungen geknüpft, wie Sprache, keine Verurteilung wegen einer Straftat, Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung usw. Ein weiterer Punkt ist, dass grundsätzlich die frühere Staatsangehörigkeit aufgegeben wird. Diesen Grundsatz halte ich für wichtig, nicht nur im Hinblick auf eine nachhaltige Integration, sondern auch im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn die große Mehrheit der Bevölkerung hat nicht das Privileg, in mehreren Ländern wählen oder jederzeit umziehen zu dürfen.
Im Übrigen sind EU-Bürger bei der Einbürgerung in Deutschland besonders privilegiert, weil sie infolge der Freizügigkeit die Hürde des "dauerhaften Aufenthaltsrechtes" relativ leicht nehmen können. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wieder. Von den über 1,8 Mio. Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit aus dem Mikrozensus (2018) stammten 0,8 Mio. aus den Staaten der EU.
In diesem Sinne wollen wir ein Staatsbürgerschaftsrecht, das den vielschichtigen Realitäten in einer globalisierten Welt gerecht wird, ohne dabei die Belange unserer gemeinsamen deutschen Heimat und den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus dem Blick zu verlieren.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB