Frage an Andrea Lindholz von Richard R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Lindholz,
die Welt (s.o.) schreibt, dass die illegalen Einreisen mit dem Flugzeug zunimmt. Bis Ende Juli sind über 6175 Fälle ! Im Jahr gerechnet über 10 000, schreibt die WELT. Dazu kommt, dass monatlich über 10 000 Menschen bei uns Asyl beantragen. Eine Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt einen Hinweis zur Größenordnung: Dort gibt jeder dritte Asylbewerber an, mit dem Flugzeug gekommen zu sein !!!
Wie ist das möglich ? Also ist doch nicht alles so entspannt, wie man uns immer verkaufen will. Diese und noch viele andere Wege mehr tauchen in keiner offiziellen Statistik auf. Traurig, dass Deutschland nicht in der Lage und auch nicht Willens ist, etwas dagegen zu unternehmen. Eigentlich ist gar nichts entspannt, im Gegenteil. Das ist doch per se schon paradox. Mir wird mehr und mehr Angst, was alles möglich ist. Von welchem Land aus dem Linienflüge starten, geht denn so eine Gefahr aus, daß man aus ihm fliehen muß? Welcher Bedürftige hat das Geld dazu.
Wohin soll das noch führen ? Da viele der täglich ankommenden Gäste keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und von Sozialhilfe und Harzt 4 leben müssen wird das Sozialsystem nicht mehr finanzierbar sein. Die Gefahr ist somit sehr hoch, dass es zu weiteren Clanbildungen kommen wird !
Meine Vereinsmitglieder und ich werden bei der nächsten Bundestagswahl das Kreuz nicht mehr bei der CDU machen können, wenn nicht diesem Irrsinn Einhalt geboten wird !
Bitte um Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
R. R.
Sehr geehrter Herr R.,
die Behauptung, die Migrationslage sei entspannt, entbehrt jeder faktischen Grundlage angesichts von rund 70 Millionen Flüchtlingen weltweit, einer insgesamt hohen Migrationsbereitschaft und rasant steigenden Bevölkerungszahlen in bestimmten Weltregionen. Fakt ist aber auch, dass die irreguläre Zuwanderung nach Europa im Vergleich zu den Jahren 2015 um über 90 Prozent gesunken ist. Seit einiger Zeit registrieren wir jedoch wieder ansteigende Migrationszahlen insbesondere in Griechenland.
Das Problem der sog. Sekundärmigration, also der Migration aus anderen EU-Staaten nach Deutschland, spielt nach wie vor eine ganz zentrale Rolle für Deutschland. Eben diese Sekundärmigration führt infolge der Grenzkontrollen auch zu den von Ihnen erwähnten vermehrten Einreisen per Flugzeug und zwar v.a. aus anderen Schengen-Staaten wie Griechenland. Das Phänomen ist bekannt und es wird längst darauf reagiert z.B. indem für Flüge aus Griechenland entgegen dem Schengen-Acquis wieder verstärkt Personen- und Passkontrollen durchgeführt werden. Die damit einhergehenden Probleme belegt bereits dieser Artikel von 2017: https://www.dw.com/de/griechische-kritik-an-deutschen-flughafenkontrollen/a-41565648
Zumindest gibt es bei der Einreise über Flughäfen grundsätzlich die Möglichkeit, das sog. "Flughafenverfahren" durchzuführen und binnen wenigen Tagen den Asylanspruch zu prüfen und Personen, die keinen Schutzanspruch haben, unmittelbar zurückzuweisen.
http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/Sonderverfahren/FlughafenVerfahren/flughafenverfahren-node.html
Doch diese Kontrollen können das grundlegende Problem und die ursächlichen Fehlanreize nicht beheben. Deswegen haben CDU und CSU mit der Verabschiedung des "Migrationspaketes" im Juni einen weiteren wichtigen Meilenstein gesetzt, um die Migration auf nationaler Ebene effektiver zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen und insbesondere die Sekundärmigration wirksamer in den Griff zu bekommen. Mit dem Geordnete Rückkehr Gesetz, das im August in Kraft getreten ist, haben wir dafür gesorgt, dass die Leistungen, für Personen, die bereits in einem anderen EU-Staat Schutz erhalten haben auf "null" gesenkt bzw. auf die Rückfahrtkosten beschränkt werden. Personen, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, erhalten nur noch stark gekürzte Leistungen (physisches Existenzminimum). Damit wird den Verteilentscheidungen innerhalb der EU mehr Nachdruck verliehen. Ebenso müssen Asylbewerber, die ihre Identität verschleiern oder im Asylverfahren nicht mitwirken mit empfindlichen Leistungskürzungen rechnen. Im Grundsatz ist der deutsche Gesetzgeber jedoch immer an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 GG) gebunden, das auch ausreisepflichtigen Personen ein Existenzminimum garantiert.
Letztendlich kann Deutschland als Mitglied der EU und Teil des grenzfreien Schengen-Raumes die Migrationsfragen nicht alleine lösen. Deutschland ist als hochtechnologische und exportorientierte Wirtschaftsmacht auf den grenzfreien Waren- und Personenverkehr in der EU angewiesen. Daher brauchen wir unbedingt wirksame europäische Lösungen, um die Migration in der EU dauerhaft in den Griff zu bekommen. Das fängt an bei einem wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen, kontrollierten Transitzentren, in denen der Asylanspruch vor der Einreise bzw. Verteilung geprüft wird, systematische Rückführung der Ausreisepflichtigen und einer Ausweitung der Krisenhilfe vor Ort wie z.B. über den EU-Türkei Deal.
Fest steht, Migrationspolitik ist und bleibt eine Daueraufgabe. Angesichts von über 3,5 Millionen Flüchtlingen in der Türkei, hunderttausenden migrationswilligen Menschen in Nordafrika, 98.000 Asylerstanträgen, die in Deutschland bis Ende August dieses Jahres gestellt wurden, wäre es völlig verfehlt, von Entspannung zu sprechen. Mir sind auch keine dahingehenden Äußerungen aus den Reihen der Union bekannt.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB