Frage an Andrea Lindholz von Jay S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lindholz,
momentan wird viel über die Situation im Bamf gesprochen. Wenig gesprochen wird jedoch, dass auch viele BamF Ablehnungen fehlerhaft sind. Dies ergibt sich sicherlich auch durch Überforderung, Eile, fehlerhaften Informationen und fehlerhafter Technik. Hier wird beispielsweise berichtet, dass Verwaltungsgerichte 40 % der Entscheidungen korrigieren muss. http://www.sueddeutsche.de/politik/bamf-aus-sicht-der-fluechtlinge-behoerde-ohne-gesicht-1.4010645-2
Nicht nur in Bremen, sondern auch z.B. in Bayern weichen Entscheidungen bei Bürgern aus Afghanistan, Irak und Iran sehr ab. Haben Sie dafür eine Erklärung vom Bamf oder vom Innenministerium gehört? Es kann doch beispielsweise nicht sein, dass Flüchtlinge aus der Türkei abgelehnt werden, weil die Türkei ein Rechtsstaat sei, was die Türkei seit dem gescheiterten Putschversuch sicher nicht mehr sind. Ich kann verstehen, dass das Bamf 2015 mehr auf Quantität gesetzt hat, aber hätte Qualität der Entscheidungen nicht längst verbessert werden müssen?
Sind nur die Außenstellen in Oldenburg und Bielefeld überlastet, weil sie zu wenig Koordinatoren für Integrationen vorhanden sind? Ist hier mehr Personal notwendig? http://www.sueddeutsche.de/politik/asylbundesamt-hoffnungslos-ueberlastet-1.4011124
Leider hat der Innenminister am Integrationsgipfel nicht teilgenommen. http://www.sueddeutsche.de/politik/integrationsgipfel-in-berlin-unser-land-war-schon-immer-von-migration-gepraegt-1.4014468 Wäre es nicht gerade die Aufgabe von Herrn Seehofer sich für Werte "Freiheit, der Respekt vor der Würde aller Menschen, die Achtung vor dem Rechtsstaat, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind grundlegende Werte, die uns leiten und ohne die ein gesellschaftlicher Zusammenhalt undenkbar ist." "Heimat, das sei nicht als ausgrenzender Begriff zu verstehen, sondern als "offenes Angebot des gemeinsamen Gestaltens unserer Gesellschaft"." einzusetzen?
Danke für das Lesen und Beantworten der Fragen.
MFG
S.
Sehr geehrter Herr Scharf,
besten Dank für Ihre Fragen, die ich gerne im Folgenden versuche zu beantworten.
Insgesamt werden nur rund 9 Prozent aller BAMF-Bescheide von Gerichten korrigiert. 91 Prozent aller Asylbescheide des BAMF sind rechtssicher. In etwa wird heute jeder zweite Asylbescheid beklagt. Von allen Klagen haben laut Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aktuell lediglich 18 Prozent bei Gericht Erfolg. Setzt man dies in Relation zu der Klagequote von 50 Prozent bleiben lediglich 9 Prozent aller Asylbescheide übrig, die von den Verwaltungsgerichten korrigiert werden. Viele aussichtslose Klagen werden irgendwann zurückgezogen. Diese Quote ist angesichts des extremen Leistungsdrucks, unter dem das BAMF die letzten Jahre stand, durchaus im Rahmen. Die Zahl 40% ist jedenfalls irreführend und bezieht sich nur auf eine kleine Teilmenge aller Bescheide bzw. nicht sämtliche Klagen.
Nichtsdestotrotz ist das Qualitätsmanagement im BAMF von entscheidender Bedeutung für das Asylsystem in Deutschland. Daher wurde bereits im September 2017 eine neues System zur Qualitätssicherung eingeführt, das seither in der Fläche umgesetzt und künftig konsequent weiterentwickelt werden muss. Die von Ihnen kritisierten abweichenden Entscheidungsquoten in unterschiedlichen Außenstellen werden aktuell geprüft. Insgesamt 10 Außenstellen sind von der Prüfung betroffen, deren Entscheidungsquoten sowohl nach oben als auch nach unten abweichen. Die Ergebnisse der Prüfungen stehen noch aus. Sowohl das BAMF als auch das BMI haben den Handlungsbedarf jedenfalls längst erkannt und auch öffentlich benannt.
Ihre Frage bzgl. der Integrationskoordinatoren und der jeweiligen Situation in den rund 50 Außenstellen des BAMF kann ich nicht pauschal beantworten. Ich gehe davon aus, dass in den genannten Außenstellen Lösungen gefunden werden, um den Auswirkungen des Sonderfalls "Bremen" gerecht zu wurden. Die Außenstelle Bremen wird wohl nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen auch wieder ihre Aufgaben übernehmen können. Unsere Sondersitzungen haben gezeigt, dass eine Ursache für die Überlastung des BAMF war, dass sich die Behörde jahrelang vor allem als Integrationsbehörde gesehen hat und Asylverfahren nur eine untergeordnete Rolle spielten. Wichtige Modernisierungsschritte z.B. im IT-Bereich wurden versäumt. Das hat sich mit dem Einsetzen der akuten Flüchtlingskrise plötzlich geändert. Auch aus der Integrationsarbeit mussten Leute abgezogen werden, um den gewaltigen Antragsstau abarbeiten zu können. Das bedeutet aber nicht, dass die Integrationsarbeit weniger wichtig wäre. Im Gegenteil haben wir im Bundestag die Mittel für Integrationskurse massiv erhöht und mit dem Integrationsgesetz das Prinzip "Fordern und Fördern" gesetzlich in vielerlei Hinsicht verankert. Nachdem nun der gewaltige Antragsstau zumindest im BAMF deutlich reduziert wurde, geht es darum, das BAMF krisenfest zu machen und die Kräfte wieder gleichmäßiger zu verteilen. Bundesminister Horst Seehofer hat bereits angekündigt, dass das BAMF dafür zusätzliche 1.200 Stellen benötigt. Auch bei diesem Vorhaben unterstützen wir als Unionsfraktion den Minister in den anstehenden Haushaltsverhandlungen ausdrücklich.
Was Ihre Anmerkungen zum Integrationsgipfel angeht, so halte ich Horst Seehofers Absage angesichts der unsäglichen Vergleiche von Frau Ataman, die seine Arbeit in ihrem Artikel bewusst in die Nähe von Nazi-Propaganda gesetzt hat, für nachvollziehbar. Natürlich muss man als Politiker sachliche Kritik aushalten, man muss sich aber auch nicht alles gefallen lassen.
Im Übrigen ist sich Horst Seehofer über seine Aufgaben als Bundesinnenminister sehr wohl im Klaren und benötigt als langjähriger Ministerpräsident in Bayern auch keine Belehrungen über Integration. Bayerische Großstädte wie München oder Augsburg haben einen deutlich größeren Migrantenanteil als z.B. Berlin, aber nicht ansatzweise vergleichbare soziale Probleme. Bayern ist das Land, in dem Integration insgesamt überdurchschnittlich gut funktioniert. Das ist ein Verdienst der Menschen in Bayern, aber eben auch einer guten und über viele Jahrzehnte bewährten Regierungsarbeit der CSU. Die CSU weiß sehr genau, wie Integration funktioniert und unter welchen Bedingungen sie eben nicht mehr funktionieren kann.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/integration-in-bayern-dahoam-1.3358954
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB