Frage an Andrea Lindholz von Michael S. bezüglich Umwelt
Werden Sie sich für ein Nachtflugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr einsetzen?
Halten Sie einen weiteren Anstieg der Flugbewegungen für angebracht?
Werden Sie sich für eine Deckelung der Flugbewegungen auf den heutigen Stand einsetzen?
Werden Sie sich für eine Reduzierung der Flugbewegungen in Frankfurt auf 380.000 pro Jahr
einsetzen?
Werden Sie sich gegen Lärmreduzierung durch Lärmverschiebung einsetzen?
Werden Sie sich für lokale Lärmobergrenzen einsetzen?
Werden Sie sich für die Erfassung der Schadstoffimmissionen des Luftverkehrs einsetzen?
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß in der Luftverkehrsgesetzgebung ein einklagbares
Lärmminimierungsgebot verankert wird?
Sehr geehrter Herr S.
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen. Fluglärm ist eines meiner zentralen Verkehrsthemen, die ich für den Wahlkreis Aschaffenburg bearbeite. Leider lässt die komplexe Fluglärmproblematik keine einfachen oder schnellen Lösungen zu. Die von Ihnen genannten Punkte liegen auf dem Tisch und ich möchte pauschal keine ausschließen. Allerdings müssen die Vorschläge erst sorgfältig durchdacht werden und sich als wirklich praktikabel erweisen. Hier sehe ich noch viele offene Fragen. Zum Beispiel gehört die Metropolregion Frankfurt zu den besonders dicht besiedelten Regionen in Deutschland. Eine Verschiebung der Anfluglinien würde daher fast immer andere Menschen zusätzlich belasten. Das wäre für mich dann keine Lösung. Zudem ist der Flughafen Frankfurt als globaler Verkehrsknotenpunkt und zentraler überregionaler Wirtschaftsfaktor für den Wohlstand in unserer Region in vielerlei Hinsicht unverzichtbar. Gleichzeitig beeinträchtigt der Fluglärm jedoch die Lebensqualität zahlreicher Menschen erheblich. Dieses Dilemma lässt sich nicht ohne weiteres auflösen, weswegen wir umso hartnäckiger daran arbeiten müssen. Alle Verantwortlichen haben die Aufgabe, zu einem bestmöglichen Ausgleich der Interessen beizutragen. Der Schutz der Menschen vor übermäßigen Lärmquellen muss ein zentrales politisches Ziel sein. Das mache ich allen Verantwortlichen immer wieder deutlich und fordere spürbare Verbesserungen für die Menschen am Boden. Dabei möchte ich immer, dass alle Lösungsvorschläge offen und auch für Laien verständlich diskutiert werden.
Meine Aufgabe sehe ich darin, die berechtigten Interessen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger aus meinem Wahlkreis zu bündeln und gegenüber den Verantwortlichen im Bund zu vertreten. Konkret bedeutet das, dass ich regelmäßig in Kontakt mit den Betroffenen wie der Bürgerinitiative „Himmel ohne Höllenlärm“ (namentlich Herrn Dr. Hackenberg als Vorsitzendem) und externen Experten stehe. Mit ihren Vorschlägen und Anliegen konfrontiere ich die verantwortlichen Stellen, wie z.B. die Deutsche Flugsicherung (DFS), das Bundesverkehrsministerium, das Luftfahrt Bundesamt oder die Landesregierungen in Bayern und Hessen. Zudem stehe ich regelmäßig mit unserem Landrat als Vertreter der Region in der Lärmschutzkommission dazu in Kontakt. Nur dieser gemeinsame Druck aus der Region bringt echte Fortschritte. Ein Ergebnis dieses gemeinsamen Engagement ist z.B., dass das Forum Flughafen und Region (FFR) Ende 2017 ein zweites Maßnahmenpaket zur Fluglärmreduzierung vorstellen soll.
Grundsätzlich bin ich dafür, alle Optionen zur Fluglärmreduzierung offen und transparent zu diskutieren, zum Beispiel auch die Möglichkeit einer Ausweitung des bestehenden Nachtflugverbotes. Diese Ausweitung hätte allerdings zur Folge, dass viele Fernstreckenflüge künftig Frankfurt vermeiden würden. Der Flughafen würde in der Folge an Anbindungen, Bedeutung und Wirtschaftskraft verlieren. Da der Flughafen für die gesamte Metropolregion Frankfurt von herausragender Bedeutung ist, sind die negativen Effekte für die Menschen, Arbeitsplätze und den Wohlstand in der Region nicht zu unterschätzen. Hier gilt es sorgfältig abzuwägen.
Ebenfalls habe ich die Möglichkeit, den kontinuierlichen Sinkanflug (CDO) stärker in Frankfurt zu nutzen, lange Zeit unterstützt und die DFS in diesem Zusammenhang dazu gedrängt, die seit 2015 überfällige Entscheidung über die Einführung des für die Sinkflüge notwendigen Point Merge Systems (PMS) endlich zu fällen. Die langwierigen Untersuchungen und Simulationen haben nun ergeben, dass der Frankfurter Luftraum mit den dort bereits beginnenden Sinkflügen zu den Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf, Stuttgart und Nürnberg nicht ausreicht für ein besonders raumgreifendes PMS-Verfahren. Daher hat sich die DFS nun gegen die Einführung des PMS in Frankfurt ausgesprochen. Für den Bayerischen Untermain macht diese Entscheidung nur bedingt einen Unterschied. Das CDO-Verfahren funktioniert vor allem im Gegenanflug. Unsere Region liegt aber am Ende des Gegenanflugbereiches. Somit endet der Sinkflug regelmäßig auf der Höhe von Großostheim. Bei uns beginnt der Eindrehbereich auf den Endanflug, in dem die Flugzeuge vertikal zueinander gestaffelt und im parallel unabhängigen Landeanflug geführt werden. Eine Anhebung der Anflughöhe scheitert laut DFS vor allem an der begrenzten Reichweite des Instrumentenlandesystems (ILS).
Perspektivisch verspricht das neue satelliten- und bodengestützten System für die Präzisionsanflüge (GBAS) in Frankfurt Entlastungen und eine Anhebung der Anflughöhen. Die DFS bereitet die Einführung des GBAS in Frankfurt bereits vor. Seit 30. März 2017 bietet die DFS in einem ersten Schritt steilere Anflugwinkel von 3,2 Grad auf allen Parallelbahnen an. Die Einführung und der flächendeckende Einsatz des GBAS wird aber Zeit brauchen. Rund 90 Prozent aller Flugzeuge müssen dafür mit der für die Nutzung des GBAS erforderlichen Technik nachgerüstet werden. Ein Förderprogramm des Bundes oder eine intelligente Gebührenregelung könnten zusätzliche Anreize für die Fluglinien setzen, um die Flugzeugflotten zu modernisieren. Diesen Themen werde ich im Bund nachgehen. Ein Modernisierungsschub der Cockpittechnik könnte schließlich bundesweit allen Menschen in Flughafennähe nutzen. Aus dem Bundesverkehrsministerium habe ich dazu bereits erste positive Signale erhalten.
Ein weiterer Ansatzpunkt wäre eine intelligente Gebührenregelung und eine stärkere Differenzierung bei den Flughafenentgelten nach Flugzeugtypen und eine deutlichere Spreizung der Tag- und Nachttarife bei lärmabhängigen Flughafenentgelten im Luftverkehrsgesetz vorzunehmen. Das Bundesverkehrsministerium begrüßt ausdrücklich die Anstrengungen der Flughäfen und der zuständigen Bundesländer, eine stärkere Spreizung der lärmabhängigen Flughafenentgelte vorzunehmen. Auf diesem Wege gilt es auf Länderebene weiterzuarbeiten und ggf. muss auf Bundesebene die Rechtslage angepasst werden. Auch hierzu hat das BMVI seine Bereitschaft bereits grundsätzlich bekundet.
Ein weiterer kleiner Lichtblick ist, dass seit der Abschaffung der „kurzen Eindrehvorgänge“ in den Endanflug auch unsere Region häufiger in größerer Höhe überflogen werden kann. Bei Besuchen in besonders lärmgeplagten Orten wie Krombach haben mir Anwohner bestätigt, dass sich die Situation zuletzt etwas entspannt habe. Eine schnelle und weitreichende Lösung wäre zwar wünschenswert, erscheint aber aufgrund der vielen technischen, rechtlichen und internationalen Implikationen unrealistisch. Wir müssen Schritt für Schritt für weitere Entlastungen sorgen.
Der Bayerische Untermain profitiert in vielfältiger Weise von der Nähe zum größten Flughafen Deutschlands. Es ist nachvollziehbar, dass diese gute Verkehrsanbindung mit gewissen Einschränkungen verbunden ist. Dennoch halte ich an dem politischen Ziel fest, die Anflughöhen über unserer Region spürbar um mindestens 1.000 ft. anzuheben. Dafür muss nach meinen bisherigen Erkenntnissen am Boden und in der Luft vor allem technisch nachgerüstet werden. Hierauf werde ich mit ganzer Kraft hinarbeiten und weiterhin den Kontakt mit den Entscheidungsträgern bei der DFS und im Bundesverkehrsministerium suchen und sie zu zügigen Ergebnisse drängen. Dafür benötige ich die Unterstützung aus der Region. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass es schnelle Lösungen leider nicht geben wird. Auch beim Thema Fluglärm bewahrheitet sich das Zitat von Max Weber: "Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich." In diesem Sinne würde ich gerne für die Region weiterarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB