Frage an Andrea Lindholz von Heiko B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Fr. Lindholz,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meine letzte Frage zum Thema Syrieneinsatz der Bundeswehr. Mich würde dahingehend noch folgendes interessieren:
Weshalb besteht die Union weiterhin darauf, dass deutsche Rüstungskonzerne Waffen an arabische Staaten liefern darf, besonders wenn es sich um moralisch bedenkliche Regionen handelt - gerade im Bezug auf Daesh -, als Beispiel sei nur einmal Saudi-Arabien genannt.
Laut folgenden Berichts aus der Berliner Zeitung hat das Volumen der Rüstungsexporte bereits zum Halbjahr das Volumen des ganzen letzten Jahres erreicht. http://www.berliner-zeitung.de/politik/ruestungsexporte-doppelt-so-viele-deutsche-waffen-nach-arabien,10808018,31423750.html
Wie kann es sein und welche Rechtfertigung kann es dafür geben, dass deutsche Waffen weiterhin an Länder verkauft werden, die mit aktuellen Krisenherden in Verbindung stehen?
Laut eines aktuellen Berichtes von Amnesty International nutzt Daesh unter anderem auch deutsche Waffen zur Verübung der Verbrechen (Heckler & Koch G3). Laut eigener Aussage verfolgt die Bundesregierung eine restriktive Waffenexportpolitik, diese Aussage passt aber nicht im geringsten zur aktuellen Entwicklung in diesem Jahr.
Da ich davon ausgehe, dass der Staat durch die Waffenexporte ebenfalls Einnahmen erzielt, stellt sich mir doch deutlich die Frage, wie diese Gesamtentwicklung mit unseren moralischen Werten zu vereinbaren ist.
Wiegen denn die wirtschaftlichen Konsequenzen für unsere Rüstungskonzerne bei einem Exportverbot schwerer als die moralsichen Werte, mit denen sich unser Land so gerne schmücken würde?
Mit freundlichen Grüßen,
Heiko Berres
Sehr geehrter Herr Berres,
vielen Dank für Ihre Frage zu Waffenexporten. Hierzu möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen machen.
1. Mit Urteil vom 21.10.2014 hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt: „Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.“ Das bedeutet, die Entscheidung über die Waffenexporte obliegt allein den im Bundessicherheitsrat vertretenen Bundesministerien. Der Deutsche Bundestag nimmt seine Kontrollfunktion wahr, indem er öffentliche Berichte der Bundesregierung über die Exportentscheidung einfordert.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/10/es20141021_2bve000511.html
2. Das federführend zuständige Bundesministerium für Wirtschaft ist ein SPD-geführtes Ressort. Deswegen ist der Vorwurf, die Union wäre allein für die Exportentscheidungen verantwortlich, völlig haltlos.
3. Das reine Auftragsvolumen der Waffenexporte hat kaum Aussagekraft. Denn die milliardenschwere Lieferung von vier Tankflugzeugen an Großbritannien hat eine ganz andere Bedeutung, als eine wenige Millionen Euro schwere Lieferung von Kleinwaffen in ein Krisengebiet. Hier muss man differenzieren. Den Export von Kleinwaffen hat diese Bundesregierung drastisch reduziert. Der Gesamtwert der Genehmigungen von Kleinwaffen im ersten Halbjahr 2015 belief sich auf 12,4 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres lag der Wert noch bei 21,3 Millionen Euro. Zudem wurden dieses Jahr sogenannte Kleinwaffengrundsätze beschlossen, die für den Export von Kleinwaffen besonders hohe Maßstäbe und anschließende Kontrollen vorsehen.
Nun zu Ihrer Frage nach der Moral. Ja, diese Bundesregierung ist in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal von dem Grundsatz abgewichen und hat Waffen direkt in ein Krisengebiet geliefert. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer werden von der Bundeswehr nicht nur ausgestattet, sondern auch ausgerüstet. Dabei geht es nicht um Profit, sondern um Verantwortung. Dank der militärischen Unterstützung durch die Bundeswehr und den USA konnten die Peschmerga in Syrien und dem Irak zahllose Menschen vor den brutalen Übergriffen des IS schützen und den IS nicht nur aufhalten, sondern teilweise auch erfolgreich zurückdrängen. Ist es moralisch vertretbar, dem Völkermord des IS tatenlos zuzusehen? Hatte die internationale Staatengemeinschaft nach dem Völkermord in Ruanda 1996 nicht auch eine Schutzverantwortung postuliert?
Mit Blick auf Syrien kann man ohne Übertreibung sagen, dass sich die Bundesregierung wie kaum ein anderes westliches Land für den Schutz der syrischen und irakischen Zivilbevölkerung einsetzt. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Region. Nicht zuletzt ist die Bundesregierung die treibende Kraft hinter der Friedensverhandlungen von Wien.
Sehr geehrter Herr Berres, Ihre Bedenken hinsichtlich der Waffenexporte kann ich gut nachvollziehen. Ich plädiere aber dafür, genau hinzusehen und jeden Einzelfall zu bewerten, so wie es der Bundessicherheitsrat tut. Die in dem Artikel beschriebenen Lieferungen wie der Truppentransporter „Fuchs“ an Kuwait oder das U-Boot für Israel dienen in erster Linie der Sicherheit und Stabilität dieser Staaten. Angesichts der vielen zerfallenden Staaten im Nahen Osten, wird die Stabilität der anderen Staaten umso wichtiger.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB