Frage an Andrea Lindholz von Andreas L. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Frau Lindholz,
ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie persönlich zum Thema Energiewende stehen. Sowohl was Sigmar Gabriels Konzept angeht, über das Sie demnächst wohl mit abstimmen müssen, als auch Horst Seehofers Kampf gegen Windräder. Insbesondere verstehe ich nicht, wieso gerade die Windenergie an Land gedrosselt werden soll, die mit Gestehungskosten von 6-9 ct/kwh die günstigste regenerative Energieform und auf guten Standorten teilweise schon heute günstiger als konventionelle Kraftwerke ist. Wenn, wie weithin kommuniziert, das Kostenargument der Hauptgrund für die Reform ist, dann macht eine Kürzung bei der günstigsten Erzeugungsform doch keinen Sinn.
Ebenfalls kann ich nicht nachvollziehen, dass nun zukünftig der Eigenverbrauch von Solaranlagen und BHKWs mit der EEG-Umlage belegt werden soll. Warum sollen Investoren und Bürger, die den EE-Ausbau voranbringen ohne der Allgemeinheit Kosten zu verursachen, für ihr Engagement bestraft werden? Dies ist energiepolitisch doch völlig kontraproduktiv.
Und warum wird der Hauptkostenaspekt bei der EEG-Umlagenverteuerung überhaupt nicht angegangen, nämlich der fehlerhafte Ausgleichsmechanismus. Erst seit dieser 2009 beschlossen wurde, explodiert die EEG-Umlage, weil der Ökostrom durch den Handel an der Börse völlig entwertet wird. Immerhin werden an der Börse die Preise in der Merit-Order ja anhand der Brennstoffkosten ermittelt. Ausschlaggebend sind also Kosten, die Wind, Wasser und Sonne gar nicht haben, wodurch sich der drastische Verfall der Börsenstrompreise bei gleichzeitigem enormen Anstieg der EEG-Umlage erklärt. Was gedenken Sie hier zu tun, um diesen Mechanismus zu reformieren? Es kann doch nicht sein, dass sich seit 2009 die Ökostromumlage von 1,31 ct auf 6,24 ct fast verfünffacht (!) hat, während sich Ökostrommenge (von 75 auf 149 TWh) und Vergütungszahlen (von 10,5 Mrd. auf 21,6 Mrd.) nur verdoppelt haben. (Datenherkunft: Netzbetreiber)
MfG,
Andreas Lieb,
AR BürgerEnergie Bachgau eG
Sehr geehrter Herr Lieb,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Gerne nehme ich dazu Stellung, denn unsere Umwelt und eine sichere und bezahlbare Stromversorgung liegt mir besonders am Herzen. Daher halte ich auch selbst Anteile an der Genossenschaft "Bürgerenergie Bachgau e.G." und unterstütze damit ganz persönlich das Anliegen einer bürgernahen, dezentralen Stromversorgung. Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass ich selbst keine Expertin auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien bin. Derzeit arbeite ich mich als Juristin vor allem in Themen der Innen- und Europapolitik ein.
Zweifellos ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein großer Erfolg und hat ganz wesentlich zum Erfolg der Erneuerbaren in Deutschland beigetragen. Im Jahr 2012 wurden rund 22 Prozent des deutschen Stroms mit regenerative Erzeugungsanlagen erzeugt. Damit hat sich der Anteil der Erneuerbaren am Strommix in Deutschland innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als verdreifacht. Zusammen genommen sind Wind, Biomasse, Sonne und Wasser nach der Braunkohle heute die wichtigsten Energiequellen zur Stromerzeugung in Deutschland. Diese Erfolgsgeschichte muss unbedingt weitergeführt werden. Bis 2025 sollen die erneuerbaren Energien nach dem Willen der neuen Bundesregierung auf mindestens 40 bis 45 Prozent, bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen.
Finanziert wird der Ausbau der erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage, die von den Stromverbrauchern getragen wird. Es handelt sich hierbei um eine für 20 Jahre garantierte Subvention, die letztlich von der Allgemeinheit getragen wird. Wer sich eine Photovoltaik-Anlage auf sein Dach baut oder in einen Windpark investiert, bekommt 20 Jahre lang eine festgeschriebene Vergütung für den eingespeisten Strom. Die Differenz zum realen Strompreis wird auf die Allgemeinheit umgelegt. Trotzdem kann niemand bestreiten, dass das EEG eine echte Erfolgsgeschichte ist. In Deutschland konnten dank des EEG wie bisher in keinem anderen Industriestaat Photovoltaik-Anlagen und Windkraftwerke binnen weniger Jahre eine solche Position in der Stromversorgung gewinnen. Doch so wirkungsvoll das Instrument in der Vergangenheit auch war: um einen langfristig nachhaltigen Rahmen für den Ausbau der Wind-, Solar- und Bioenergie zu setzen, muss es grundlegend reformiert werden. Die rasant steigenden Stromkosten sind im Großen eine Bedrohung für unseren wirtschaftlichen Erfolg bzw. die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und im Kleinen eine große Belastung für die einzelnen Haushalte, insbesondere die finanziell schlechter gestellten Familien. Deswegen muss der Staat beim EEG unbedingt nachbessern.
Dargebotsabhängige Energiequellen (v.a. Wind und Sonne) haben den Nachteil, dass nicht genau vorhersehbar ist, wieviel Nachfrage durch sie gedeckt werden kann. Mit diesen Energiequellen alleine kann in Deutschland keine Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Dies - in Verbindung mit dem gesetzlich gewährten Einspeisevorrang gekoppelt mit einer festen Vergütung - hat weitreichende Konsequenzen, nicht zuletzt auf den Strompreis. Erneuerbare Energien und v.a. deren Förderung sind sinnvoll und wichtig. Ebenso sinnvoll ist es aber, im Sinne der Versorgungssicherheit sowie unter dem Gesichtspunkt der Bezahlbarkeit, den Ausbau der erneuerbaren Energien - nicht zuletzt zur Erreichung der Klimaschutzziele - maßvoll fortzuführen und durch gesetzlich verbindliche Ausbaukorridore festzulegen.
Die Vorschläge die Bundesminister Gabriel auf der Kabinettsklausur vorgelegt hat, gehen demgemäß in die richtige Richtung. Die konkreten Vorschläge werden aber im anstehenden parlamentarischen Verfahren genau zu prüfen sein und sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle abgeändert werden. Die Bundesregierung will die Energiewende erfolgreich voranbringen und die Energieversorgung sicher, sauber und bezahlbar zu gestalten. Gerne werde ich als Mitglied der Bürgerenergie Bachgau e.G. im Rahmen der anstehenden parlamentarischen Diskussionen auf den Wert einer bürgernahen, dezentralen Stromversorgung hinweisen. Als ihre direkt gewählte Bundestagsabgeordnete und als Genossenschaftsmitglied stehe ich Ihnen natürlich auch gerne bei Gelegenheit für ein vertiefendes Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz, MdB