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Andrea Hilgers
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Frage von R. W. •

Frage an Andrea Hilgers von R. W. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Dr. Hilgers,

wie interpretieren Sie die neuen Zahlen zum Kita-Betreuungsmodell. Anscheinend werden mehr Kinder betreut. Hat sich oder wird sich daraufhin die Anzahl der ErzieherInnen auch erhöhen? Die Träger klagen über notwendige Sparmaßnahmen.
Ist die Qualität der Versorgung und Bildung bei größerer Gruppenzahl gleichbleibend?
Mehr Kinder in Betreuung als Ziel reicht nicht. Nur satt und sauber kann nicht das Ziel sein. Die Qualität der Betreuung ist wesentlich.

Mit besten Dank im voraus und freundlichen Grüßen,

Winterstein

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Winterstein,
die neuen Zahlen überraschen mich nicht. Aus der Befragung der Kita-Leitungen im Frühjahr, die ich zusammen mit dem Kita-Beschäftigtenbündnis gemacht habe, konnten wir die Zahl der diesjährig voraussichtlich betreuten Kinder gut schätzen. Wir hatten 55.016 Kinder auf Basis der Februar Zahlen prognostiziert, die Behörde prognostiziert nun 55.642 betreute Kinder in 2005 (www.spdfraktion-hamburg.de, dort unter Aktuelles/ Material, "Präsentation Ergebnis Kita-Umfrage, S. 45).
Diese Steigerung in absoluten Zahlen beruht notwendigerweise auf der im Kinderbetreuungsgesetz verankerten zweifachen Garantie. Erstens, alle Kinder berufstätiger Eltern (im Alter von 0-14 Jahren) erhalten einen Betreuungsplatz im Umfang der Arbeitszeit der Eltern in den Leistungsarten Krippe (0-3jährige), Elementar (3-6jährige) und Hort (Schulkinder). Zweitens, alle Kinder von 3-6 Jahren, unabhängig von der Lebenslage der Eltern, erhalten die Garantie auf einen fünfstündigen Elementarplatz mit Mittagessen. Die Behörde selbst ging davon aus, dass die Umsetzung dieser Rechtsansprüche nur 3000 Plätze oder weniger nach sich ziehen würde. Wir waren davon ausgegangen, dass es mindestens 5000 sein würden.
Die Kitas mussten mindestens 3000 Kinder mehr betreuen, um das gleiche Budget (und damit Personal) wie letztes Jahr zu erhalten, da sie dieses Jahr mit um 11% abgesenkten Personalstandards auskommen müssen. Folge: vergrößerte Gruppen. Aus den Zahlen der Behörde geht auch hervor, dass derzeit weniger Gutscheine für achtstündige und mehr als achtstündige Betreuung der Kinder ausgegeben werden und in Relation mehr Kinder in vier- und fünfstündiger bzw. sechsstündiger Betreuung sind. Das bedeutet, dass trotz der 2000 Kinder mehr als erwartet und vereinbart waren, nicht unbedingt auch mehr Erzieher/innen eingesetzt werden in den Kitas.
Außerdem ist die Steigerung der Betreuungszahlen sozial nicht ausgewogen, weil sie zu stark an der Lebenslage von Eltern orientiert ist. Notwendige Sprachförderung ist zum Beispiel kein Grund für einen Ganztagsplatz, wenn ein Elternteil zu Hause ist. Diese Kinder erhalten nur die garantierten fünf Stunden. In Stadtteilen mit sozialen Problemlagen führt dies entgegen dem Trend zu weniger betreuten Kindern (siehe Fraktionshomepage, Presseerklärung gestern, Beispiel Kita Kandinskyalle, Mümmelmannsberg).
Das einzig gute an den gestrigen Zahlen der Behörde ist, dass das fünfstündige Angebot mit Mittagessen in Stadtteilen mit sozialen Problemlagen trotz der Gebührenerhöhung von 13 € offensichtlich bis jetzt gut angenommen wird. Wobei (s.v.) arbeitslose Eltern auch kaum eine Chance auf die Bewilligung von mehr Stunden haben.
Bei der oben erwähnten Befragung (Stand Februar) wurde auch schon deutlich, dass die Standardabsenkung zu erheblichen Mehrbelastungen für die Mitarbeiter/innen und damit zu deutlichen Qualitätseinbußen in den Kitas (s.o. "Präsentation ..", S. 93ff) führt. Sie ist mitnichten gleich bleibend.

Wir sind uns sicher, dass mit den jetzigen Standards die Qualität der Betreuung, die Anforderungen an frühkindliche Bildung und Sprachförderung nicht gewährleistet sind. Die Behörde verhandelt seit fast einem Jahr mit den Trägern und Verbänden über Bildungs- und Sprachförderempfehlungen. Hamburg ist das letzte Bundesland, das solche Bildungsempfehlungen noch nicht hat. Ohne zusätzliche Ressourcen werden die Kitas diese Aufgaben nicht oder nicht ausreichend wahrnehmen können. Wenn die Behörde dies nicht einsieht, wird Hamburg hier Schlusslicht bleiben, denn wie Sie zu Recht sagen: Satt und sauber reicht nicht!

Beste Grüsse Andrea Hilgers