Frage an André Martens von Bärbel R. bezüglich Frauen
Guten Tag Herr Martens,
vor 2 Wochen fragte ich Sie am Infostand zur Haltung der Piraten in Sachen Frauenquote, z. B. In Aufsichtsräten. Sie antworteten: "Ganz klar - die Piraten lehnen die Quote ab."
Vorgestern las ich beim Wahl-O-Mat, dass die Parteispitze dort etwas anderes hinterlegt hat. Demnach gibt es in der Piratenpartei keine einheitliche Haltung, es ist noch kein Beschluss gefasst worden und in der Partei wird das Thema heftig diskutiert. Das Gleiche bestätigten die Piraten Freiburg auf ihrer Facebook-Seite.
Haben Sie mir also lediglich die Meinung eines männlichen Informatikers genannt, obwohl ich Sie ausdrücklich nach der Partei-Haltung befragt habe? Oder kennen Sie am Ende Ihr eigenes Parteiprogramm nicht?
Sehr geehrte Frau Rockstroh,
ich kann mich noch gut an unsere Diskussion erinnern.
Um zu erklären, wie meine Aussage zustandekam, muss ich etwas ausholen. Ich kenne übrigens das Wahlprogramm besser als Sie denken. ;)
Es ist in der Tat richtig, dass es keinen expliziten Beschluss zur Frauenquote in unserem Programm gibt - weder dafür, noch dagegen. Das hat wohl auch den Bundesvorstand bewogen, hier im Wahl-O-Mat ein "neutral" anzugeben. Wenn man allerdings unser Programm aufmerksam liest und nicht nur auf Wahl-O-Mat-Positionierungen reduziert, wird man an anderen Stellen fündig und kann daraus eine Positionierung ableiten.
Im Grundsatzprogramm steht: "Die Piratenpartei lehnt die Erfassung des Merkmals "Geschlecht" durch staatliche Behörden ab. Übergangsweise kann die Erfassung seitens des Staates durch eine von den Individuen selbst vorgenommene Einordnung erfolgen. Der Zwang zum geschlechtseindeutigen Vornamen ist abzuschaffen. "
Wenn man als Partei dafür sorgen möchte, dass nicht einmal der Staat aufgrund des Geschlechts differenzieren soll und kann, wird man wohl eher nicht auf eine Frauenquote in Unternehmen hinwirken.
Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 steht: "Die Piratenpartei Deutschland fordert geschlechterunabhängige gleiche Bezahlung, Chancen- und Entwicklungsmöglichkeiten." Daraus lässt sich die Forderung nach Entgeltgerechtigkeit, aber nicht nach einer Quote ableiten.
Weiter geht es in unserem Kapitel zur Arbeitsmarktpolitik: "Die Piratenpartei Deutschland fordert anonymisierte Bewerbungsverfahren in der Verwaltung, um möglicher Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Nationalität, Aussehen, Alter oder weiterer nicht-einstellungsrelevanter Merkmale vorzubeugen." Sie können mir sicher erklären, wie eine Firma dazu gezwungen werden soll, eine gesetzlich vorgeschriebene Quote einzuhalten, wenn Bewerbungen nicht auf das Geschlecht schließen lassen sollen. Das Geschlecht wird hier explizit als nicht einstellungsrelevant bezeichnet.
Ich bin seit 2009 bei den Piraten, habe dort die verschiedensten Ämter bekleidet und vor allem bei unserem Landtagswahlprogramm 2011 war ich sehr stark inhaltlich eingebunden. Zum Thema Quote habe ich viele Diskussionen mitbekommen. Interessanterweise kenne ich insbesondere viele Frauen bei uns in der Partei, die sich vehement gegen Quoten (auch bei Ämterbesetzungen innerhalb der Partei) aussprechen. Der Grundgedanke der Piraten basiert auf dem Prinzip der Freiheit. Ich persönlich halte eine gesetzlich verpflichtende Quote für einen unzulässigen Eingriff in diese Freiheit.
Mir reichen sowohl die Positionierungen im Grundsatz- und Wahlprogramm als auch meine Einblicke in die innerparteilichen Diskussionen, um mir sehr sicher zu sein, dass ein Antrag auf eine verpflichtende Quote nicht die erforderliche Mehrheit erhalten würde.
Das ändert aber nichts daran, dass es auf dem Arbeitsmarkt eine Schieflage bezüglich der Entlohnung gibt, der es zu begegnen gilt. Das geht im Kleinen und im Großen. Im Kleinen bin ich als Betriebsratsvorsitzender in ein Projekt der IG Metall eingebunden, um über Datenerhebung und Strategieentwicklung den Unterschieden in der Eingruppierung entgegenzuwirken. Außerdem habe ich die Entgeltverteilung in Bezug auf die Geschlechter im Unternehmen transparent gemacht. Das hat für viel Diskussion im Unternehmen gesorgt. Veranstaltungen wie der Girls Day sollen dabei helfen, den männlichen Überhang in Ingenieursberufen zu reduzieren.
Im Großen - also in der Politik - muss man erst einmal dafür sorgen, die traditionellen Familienbilder aufzubrechen. Wenn wir als Gesellschaft das Bild des Mannes als Ernährers und der Frau als Hausfrau überwunden haben, wird sich das Problem der ungleichmäßigen Entgeltverteilung auch abschwächen. Herdprämien, wie von der CDU gewollt, sind diesbezüglich kontraproduktiv. Stattdessen müsste es Vätern - sowohl finanziell als auch bezüglich gesellschaftlicher Erwartungen - einfacher gemacht werden, in Elternzeit zu gehen. Auch hier stehen die traditionellen Rollenbilder noch viel zu oft im Weg.
Wenn Sie dazu weitere Vorschläge haben, können wir uns gern in einem weiteren Gespräch am Infostand darüber austauschen.
Viele Grüße
André Martens