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Frage von Cruel B. •

Frage an André Martens von Cruel B. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Martens,

seit August 2001 ist das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. In den vergangenen 12 Jahren wurden die eingetragenen Lebenspartnerschaften mit den gleichen Pflichten wie Eheleute belegt, d.h. alle Regelungen, die finanzielle Verantwortung füreinander beinhalten, gelten auch für Lebenspartnerinnen und Lebenspartner. Dem gegenüber stehen massive, diskriminierende Benachteiligungen, z.B. im Adoptionsrecht, im Erbschaftsteuerrecht (unterschiedliche Freibeträge) und bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit (Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf die staatliche Unterstützung). Im Gegensatz zu Eheleuten steht Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern für geleistete Unterstützung aber nur ein steuerlicher Absetzungshöchstbetrag von 7.680 € zu. Eine gemeinsame Veranlagung wie bei Eheleuten ist nicht möglich. Lebenspartnerschaften werden somit für die Übernahme gegenseitiger Fürsorge vom Staat finanziell bestraft, während andererseits auch kinderlose Ehen vom Ehegattensplitting profitieren können. Auch im Beamtenrecht werden Lebenspartnern bisher der Familienzuschlag und andere Leistungen verwehrt.

Mit dieser diskriminierenden Gesetzeslage liegt die Bundesrepublik Deutschland in Europa weit hinter anderen Ländern zurück – man könnte auch sagen, wir sind eins der Schlusslichter, was die Akzeptanz alternativer Lebensformen und deren gesetzliche Gleichstellung angeht. Hieraus resultieren meine konkreten Fragen:

In welcher Weise setzen Sie persönlich sich für Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein?

In wie weit sehen Sie es für wichtig auch Ausenpolitisch Stellung zu beziehen, wenn es um die Diskriminierung und Verfolgung Homosexueller geht ?

In wie weit werden Sie sich dafür einsetzen das die Verfolung auf Grund Homosexualität im Asylgesetz verankert bzw berücksichtig wird ?

Wie ist ihre Persönlich Sicht auf die Vorkomnisse in Rusland und ihre Einschätzung der Lage ?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Baur,

vielen Dank für die Frage.

In dieser Beziehung stehe ich voll und ganz hinter dem Programm der Piraten. Die entscheidende Stelle im Wahlprogramm lautet wie folgt:

Freie Selbstbestimmung des Zusammenlebens

Wir Piraten bekennen uns zu allen denkbaren Formen des Zusammenlebens. Politik muss der Vielfalt der Lebensentwürfe gerecht werden und eine wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens ermöglichen. Eine ausschließlich historisch begründete Bevorzugung ausgewählter Familienmodelle lehnen wir ab. Die Piraten setzen sich für die vollständige rechtliche Gleichstellung sämtlicher Lebenspartnerschaften ein.

Andere Lebenspartnerschaften

Wir Piraten setzen uns dafür ein, dass der Begriff „Ehe“ durch die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ ersetzt wird. Die auf der Ehe basierenden Rechten und Pflichten sind auf die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ zu übernehmen.

Des Weiteren wollen wir für alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen und polyamourösen (Liebesbeziehung zu mehr als einem Menschen) Partnerschaften, die eingetragene Lebenspartnerschaft öffnen. Damit soll sie über ihren monogamen Anspruch hinaus auch das Zusammenleben von mehr als zwei Personen rechtlich regeln."

Zum Kinderwunsch von z.B. gleichgeschlechtlicher Paare haben wir folgendes im Programm:
"Die Piratenpartei setzt sich für die gleichwertige Anerkennung von Lebensmodellen ein, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder Menschen gepflegt werden, verdienen einen besonderen Schutz und Unterstützung durch den Staat und die Gesellschaft. Wir setzen uns für den Abbau bestehender, geschlechtlicher Rollenzuschreibungen und gesellschaftlicher Erwartungshaltungen ein.

Der Wunsch, eine Familie zu gründen, darf nicht am klassischen Familienbild hängen bleiben. Die geschlechtliche Identität oder die sexuelle Orientierung darf hierbei keine Rolle spielen."

Erst gestern wieder habe ich versucht, einer älteren Infostandbesucherin, die ein Problem mit diesen Passagen in unserem Programm hatte, in der Diskussion ihre Ängste und Vorurteile diesbezüglich zu nehmen. Zum Teil hat das glaube ich sogar funktioniert.

Zur Außenpolitik:
Wir müssen lauter dagegen protestieren, wenn in anderen Ländern Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert oder gar verfolgt werden. Hier wird viel zu oft geschwiegen, um Geschäftsbeziehungen mit z.B. "lupenreinen Demokraten" nicht zu gefährden.

Zur Asylpolitik:
Hier muss dringend nachgebessert werden. Grundlage für die Anerkennung von Asyl sind neben § 60 Abs. 1 AufenthG und Art. 16 a Grundgesetz die Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention. Inbesondere im Fall von Verfolgung wegen sexueller Orientierung gibt es hier Lücken. Prinzipiell handelt es sich bei der Verfolgung von z.B. homosexuellen Männern oder Frauen zwar um einen Asylgrund, aber eine bloße Diskriminierung allein reicht noch nicht aus. So wird Asyl oft mit der Begründung verweigert, dass man im Herkunftsland der Verfolgung entgehen könnte, solange die Öffentlichkeit nichts von der sexuellen Orientierung mitbekommt. Es ist aber völlig inakzeptabel von asylsuchenden Menschen zu verlangen, ihre Neigungen zu verbergen, damit sie in ihrem Heimatland sicher leben können.

Zur Lage in Russland:
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, die Missstände aufzulisten. Da haben wir zum einen die gesetzlichen Regeln, die Proteste und Meinungsäußerungen für mehr Rechte für homosexuelle Paare verbieten. Das ist nicht nur diskriminierend, sondern auch ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die Gesetze allein sind ein Problem, die fehlenden Proteste dagegen ein anderes. Bei der Leichtathletik-WM in Moskau wurden teils Sportler, die offen gegen diese Diskriminierung protestieren wollten, von ihren jeweiligen Sportverbänden davon abgehalten. So ging es z.B. der schwedischen Hochspringerin Emma Green Tregaro, die mit Fingernägeln in Regenbogenfarben ihrem Protest Ausdruck verleihen wollte.

Durch die gesetzliche Diskriminierung von Homosexuellen fühlen sich Homophobe zu Gewalttaten animiert. Das auswärtige Amt warnt mittlerweile Homosexuelle vor einer Einreise in Russland. Das sind unhaltbare Zustände, denen man politisch mit aller Entschiedenheit begegnen muss. Hier sollte man z.B. wirtschaftliche Druckmittel nutzen, um die russische Regierung zu einem EInlenken zu bringen. Die olympischen Winterspiele im kommenden Februar in Sotschi sollte man meiner Ansicht nach boykottieren, wenn es bis dahin keine Rücknahme des Gesetzes gibt. Eine vorübergehende Tolerierung von Homosexuellen bei den olympischen Spielen, wie von der russischen Regierung zugesichert, ist alles andere als ausreichend.

Viele Grüße
André Martens