Frage an André Berghegger von Simon K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Berghegger,
im Koalitionsvertrag steht: „Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder NATO noch EU-Mitgliedsländer sind, noch diesen gleichgestellt. Ergänzend zu den Kleinwaffen- grundsätzen vom Mai 2015 sollen Kleinwaffen grundsätzlich nicht mehr in Drittländer exportiert werden. Wir schärfen noch im Jahr 2018 die Rüstungssexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten.“
(https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cdu-csu-und-spd-195906, S.148, abgerufen am 5.9.2020).
Laut diesem Artikel der Zeit:
wurden wieder Rüstungsexporte in Milliardenhöhe an Parteien, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, genehmigt.
Da kann man sagen, was man möchte, aber was hat dies mit konsequentem Handeln zu tun?
Was sagen Soe zur Aussage: Der Druck der Lobbies ist größer, als das Gewissen der Politik.
Sehr geehrter Herr Klanke,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Rüstungsexporte. Wir, als Unions-Fraktion, streben aúßenpolitisch eine Situation an, in der kriegerische Auseinandersetzungen zurückgedrängt und durch politische Lösungen auf dem Verhandlungsweg ersetzt werden. Leider sind wir von einer Welt, in der allein Verhandlungen Konflikte lösen, noch weit entfernt. Unter diesen Bedingungen kann auch der Einsatz militärischer Mittel erforderlich sein, um Sicherheit zu schaffen, die Menschenrechte zu schützen und den Terrorismus zu bekämpfen. Hierbei arbeitet Deutschland eng mit Partnern - etwa der NATO und der EU - zusammen. Solche Sicherheitspartnerschaften beruhen auf Gegenseitigkeit. Dass bedeutet auch, dass man sich gegenseitig Verteidigungstechnologiern nutzbar macht. Um dies umzusetzen, sind Rüstungsexporte aus Deutschland in NATO- oder andere verbündete Länder ebenso selbstverständlich und notwendig, wie Rüstungsimporte, um angemessene Ausrüstung der Bundeswehr sicherzustellen.
Über den Bereich der NATO oder der EU hinaus gibt es zahlreiche weitere Kooperationen, die für die Sicherheits- und Außenpolitik Deutschlands von Bedeutung sind. So half zum Beispiel die Lieferung von Waffen an die Peschmerga im Kampf gegen die Terrororganisation IS in Syrien und im Irak und konnte dort hunderttausenden Jesiden und anderen Menschen vor Versklavung und Tod retten. Es ergibt ebenfalls Sinn, Sicherheitskräfte, die in Afghanistan oder Mali von der Bundeswehr im Kampf gegen den Terror ausgebildet wurden, auch mit deutschen Waffen auszustatten. Gerade für solche Drittsaaten gelten strengste Waffenexportregeln. Für den Bereich der Kleinwaffen sind diese zuletzt im Sommer 2015 durch entsprechende Grundsätze der Bundesregierung weiter verschärft worden. Diese Grundsätze beinhalten weitergehende grundsätzliche Exportverbote und umfangreiche Dokumentationspflichten etwa über den Verbleib der Waffen bei Ausnahmen vom Exportverbot. Unter anderem haben wir ein Pilotprojekt für Vorort-Endverbleibskontrollen auch bei Kleinwaffen in den Empfängerländern eingeführt und sind insofern EU-weiter Vorreiter. Um die Weiterverbreitung von Kleinwaffen auf globaler Ebene zu bekämpfen, setzen wir auf unsere Partner und Regionalorganisationen: Wir wollen ihre Kapazitäten stärken, Waffen und Waffenlager besser zu sichern, illegale Waffenströme zu verfolgen und zu unterbinden und illegale Waffenbestände zu vernichten.
Das geltende deutsche Rüstungsexportkontrollrecht ist eines der strengsten weltweit. Es sieht eine Einzelfallprüfung vor, bei der die Art des konkreten Rüstungsexportgutes ebenso zu berücksichtigen ist, wie die außenpolitische Situation und die Menschenrechtslage im jeweiligen Empfängerland. Ein pauschaler Ausschluss von Rüstungsexporten in ein bestimmtes Empfängerland ohne Einzelfallprüfung ist im geltenden Recht nicht vorgesehen. Rüstungsexporte sind ein legitimes Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn ein Land einen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands und seiner NATO-Partner leisten kann und durch die konkrete Lieferung keine Verletzungen von Menschenrechten etc. zu erwarten sind, kann dies die Lieferung von Waffen und Technologien auch an Nicht-NATO-Staaten rechtfertigen. Die Transparenz bei den Genehmigungsentscheidungen ist durch die jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sowie die Information des Bundestages über die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates gegeben.
Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass Rüstungsexporte sehr unterschiedliche Güter umfassen können und nicht notwendigerweise dem Export von Waffen entsprechen. Rüstungsgüter sind zum Beispiel auch Minensuchgeräte, mit deren Hilfe Kriegsfolgen beseitigt werden, Feldkrankenhäuser und Zelte der Bundeswehr, die in Katastrophengebiete geliefert werden, Dekontaminationsausrüstungen für den Zivilschutz oder gepanzerte Personenkraftwagen für diplomatische Vertretungen, die in vielen Regionen z.B. bei Botschaften und den Vereinten Nationen im Einsatz sind.
Die aufgeführten Punkte zeigen, dass das Thema Rüstungsexporte sehr komplex und nicht für eine Schwarz-Weiß-Malerei geeignet ist. Es kommt vielmehr darauf an, eine verantwortungsbewusste Rüstungsexportpolitik zu betreiben, die einen Ausgleich schafft zwischen notwendiger, strenger Exportkontrolle, der Wahrung der außen- und sicherheitspolitischen und wehrtechnischen Interessen unseres Landes sowie der Wahrnehmung der wachsenden sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands in der Welt.
Insgesamt ist zur zukünftigen Rolle von Rüstungsexporten in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Sicherung einer leistungsfähigen nationalen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für den Schutz unserer Demokratie eine breite gesellschaftliche Debatte erforderlich. Ihren Beitrag zu dieser Debatte begrüße ich und hoffe, dass die von mir aufgeführten Argumente auch für Sie nachvollziehbar sind.
Mit freundlichen Grüßen
André Berghegger