Frage an Alois Gerig von Wolfgang R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Gerig!
Nach den Recherchen von Exklusiv im Ersten vom 14.7.: Deutschlands Ferkelfabriken „ http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/ferkelzucht-recherche “, ist der Verzehr von Schweinefleisch in Deutschland geradezu eine Sünde. Die Freude über Deutschlands WM-Sieg ist durch diese Sendung abrupt zunichte gemacht worden. Nicht nur die Tiere leiden, sondern auch ethisch verantwortliche Menschen. Ich konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen! Liegt es im Vergleich zur Schweiz an unserer Bevölkerung, dass solche katastrophalen Bedingungen in der Schweinezucht möglich sind? Ist unsere Gesetzgebung inklusive deren Umsetzung die Ursache dafür? Was empfindet denn ein christliches MdB, wenn es solche Videoaufnahmen sieht, die ja leider keine Ausnahme in der deutschen Massentierhaltung sind? Fühlt es sich verantwortlich für diese Verhältnisse? Wenn ja, was wollen Sie dagegen unternehmen?
Wenn es an den Verbrauchern liegen sollte, die Billigpreise für Fleisch bevorzugen, dann müsste doch die Politik steuernd eingreifen. Wenn wir Mindestlöhne gegen Ausbeutung der Arbeitnehmer durchsetzen können, dann muss es auch Mindestpreise für Fleisch geben, um das Ausbeuten der Tiere zu verhindern. Wie sieht das die CDU? Muss nicht Gesetzgebung zur Tierhaltung im Einklang mit dem GG Artikel 20a und den christlichen Regeln stehen?
Warum ermöglicht es uns die Politik nicht, dass man Fleisch nicht nur in wenigen Bio-Läden (verbunden mit langen klimaschädlichen Fahrwegen), sondern auch im Supermarkt oder beim Metzger mit ruhigem Gewissen kaufen kann?
Mit freundlichem Gruß,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Fragen. Da ich von Ihrer Anfrage erst verspätet Kenntnis erhalten habe und mir viele Bürger schreiben, bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich Ihnen erst heute antworte.
In Ihrem Schreiben nehmen Sie Bezug auf eine Sendung des ARD-Magazins Report, in dem über die Tötung von Ferkeln in der Schweinehaltung berichtet wird. Die in dem Bericht gezeigten Tötungen stellen einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar und müssen strafrechtlich verfolgt werden. Das Tierschutzgesetz gilt für jeden Tierhalter – ohne Wenn und Aber. Tiere sind als Teil der Schöpfung von allen zu achten.
Das in dem Bericht dokumentierte Fehlverhalten halte ich nicht für repräsentativ für die rund 30.000 Schweinehalter in Deutschland. Als Agrarpolitiker und Landwirt habe ich intensive Einblicke in die Branche - alle mir bekannten Tierhalter kümmern sich darum, dass es ihren Tieren gut geht. Die gesunde Aufzucht von Schweinen und anderen Nutztieren liegt nicht nur im wirtschaftlichen Interesse der Halter, sie erfolgt meistens auch aus tiefer Verbundenheit zu den Tieren.
Der bedrückende Report-Bericht sollte uns nicht den Blick darauf verstellen, dass Deutschland mit die höchsten Tierschutz-Standards weltweit aufweist. Die CDU/CSU tritt für die stetige Weiterentwicklung dieser Standards ein. Die Union hat durchgesetzt, dass landwirtschaftliche Tierhalter zu tierschutzbezogenen Eigenkontrollen verpflichtet werden, Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration entwickelt werden müssen und der Antibiotika-Einsatz bei Nutztieren reduziert wird.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat mit seiner Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ kürzlich weitere sinnvolle Maßnahmen vorgeschlagen: So sollen serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen nur nach einer Tierschutzprüfung zugelassen werden, die Sachkunde von Tierhaltern verbessert, die Forschung ausgebaut und das Kupieren von Schwänzen und Schnäbeln beendet werden. Ich halte den Ansatz von Bundesminister Schmidt für richtig, einen intensiven Dialog mit der Branche, gesellschaftlichen Initiativen und der Wissenschaft zu führen und so zu praxisgerechten Lösungen zu kommen.
Bei der notwendigen Weiterentwicklung des Tierschutzes ist es wichtig, ein vernünftiges Augenmaß zu bewahren: Höhere Standards führen leicht zu höheren Kosten, die sich oft nur größere Betriebe leisten können und die kleineren zum Aufgeben zwingen – so wie bei Einführung der Gruppenhaltung von Sauen leider viel zu häufig geschehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung ein wichtiges Standbein für bäuerliche Familienbetriebe und für den ländlichen Raum darstellt - die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland muss deshalb auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben.
Ihr Vorschlag, Mindestpreise für Fleisch einzuführen, ist meines Erachtens mit unserer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung nicht vereinbar und sollte deshalb nicht umgesetzt werden. Erfolgversprechender ist aus meiner Sicht die „Initiative Tierwohl“ von Landwirtschaft, den Schlachtbetrieben und dem Einzelhandel – die Initiative will den Tierschutz in der gesamten Produktionskette verbessern und honoriert Landwirte für zusätzliche Tierschutzleistungen. Ziel dieser Initiative ist, Fleisch aus besonders tierwohlorientierter Produktion nicht nur in Marktnischen, sondern auch im Supermarkt einem breiten Verbraucherkreis anzubieten.
Dem Verbraucher kommt aus meiner Sicht eine wichtige Rolle zu. Die Forderung nach mehr Tierschutz alleine reicht nicht – der Verbraucher sollte auch bereit sein, den Landwirten die höheren Produktionskosten für die geforderten höheren Standards an der Fleischtheke zu bezahlen. Wünschenswert sind Verbraucher, die die Herkunft landwirtschaftlicher Produkte hinterfragen und sich bewusst für regionale Erzeugnisse entscheiden – dies kommt den landwirtschaftlichen Betrieben vor Ort zu Gute und hilft, unsere Kulturlandschaft zu erhalten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig