Frage an Alice Ströver von Norbert M. bezüglich Kultur
Guten Tag Frau Ströver,
leider sind ja auch die Grünen auf den populistischen Zug aufgesprungen, die die Wölffer-Bühnen am Kudamm für deren "Attraktivität" rühmen und als "Touristenattraktion" hochjubeln. Das meinen Sie doch hoffentlich nicht ganz so wörtlich, oder? Diese Art Kultur, die im Privatfernsehen lieblos auf Masse produziert wird, muss doch gerade nicht unterstützt werden, sondern sich dem Markt stellen. Sie werden diesen oberflächlichen bis professionell überflüssigen Darbietungen doch bitte im Zweifelsfalle keine Träne nachweinen.
Sind Tribüne und das Theater am Südwestkorso für Sie auch so ein Stück "unabdingbare" Kultur in Berlin? Ist es nicht sinnvoller, dass sich das Land Berlin gerade dort engagiert, wo sich keine Sponsoren finden lassen, und die etwas tatsächlich kulturell anspruchsvolles auf die Beine stellen?
Ich finde, ein bißchen mehr Ehrlichkeit wäre ein wirklich sympathischer Zug, denn gerade für ihre aufrichtige Haltung wählt man doch grün.
Beste Grüße
Norbert Michaelis
Sehr geehrter Herr Michaelis,
anders als Sie es vielleicht erwarten, bin ich sehr wohl eine aktive Unterstützung der Familie Woelffer mit ihren Theatern am Kurfürstendamm. Die Argumente dafür sind vielfältig und nicht nur kulturpolitischer Art. Ich unterstütze zunächst einmal auch diese Art von Boulevardtheater, weil sie Menschen in die Theater holt, die kaum je in ein anderes Theater gehen würden, sondern eben nur ihre Freizeit vor dem Massenangebot des Privatfernsehens verbringen würden.
Mir liegt es fern, einem reinen elitären Kunstgedanken zu folgen und das was die Woelffers am Kurfürstendamm machen, bloß unter Massenware abzubuchen. Ich weiß, dass Martin Woelffer auch an einer qualitativen Profilierung arbeitet, was ihm mit einigen Prduktionen durchaus gelungen ist. Die Häuser werden ohne öffentliche Förderung betrieben, deswegen ist es gerade die Aufgabe der Politk, die Rahmenbedingungen für diese Theater so zu gestalten, dass ein Überleben möglich ist. In Gänze zählen Theater und Komödie am Kurfürstendamm durchaus zum Kulturangebot Berlins, wenn auch nicht zum öffentlich geförderten.
Mir ist wichtig Ihnen mitzuteilen, dass dies auch ein Teil der Kulturwirtschaft in Berlin ist, an dem eine Menge qualifizierter Jobs hängen. Es sind sowohl die Arbeitsmöglichkeiten von SchauspielerInnen, um die es geht, als auch die vielen Jobs, die es in den Kostüm- und Dekorationswerkstätten gibt und die eine sehr qualifizierte Arbeit darstellen.
Ein weiteres Argument für den Erhalt und den Verbleib der Bühnen am Standort KudammKarree ist die Vielfalt des Angebots am Kurfürstendamm selbst, denn nichts erscheint mir langweiliger als das Einerlei des gehobenen Einzelhandels, der sich in den vergangenen Jahren dort entwickelt hat und mitnichten für eine Belebung sorgt, weil es sich nur um eine zahlenmäßig geringe Kaufklientel handelt. Ich plädieren für ein gemischtes Angebot am Kudamm und da gehört die Kultur unbedingt zu. Für mich ist ein Boulevard ohne Boulevardtheater um eine erhebliches Maß ärmer.
Dabei geht es nicht um meine eigenen künstlerischen Vorstellungen und Geschmäcker, aber ich habe große Achtung für alle Leute, die sich bemühen in dieser schwierigen Branche auf eigene Faust zu überleben.
Das gilt übrigens auch für die Tribüne und das Kleine Theater am Südwestkorso. Hier sieht die Lage allerdings anders aus, weil Fördermittel aus dem Kulturetat fließen und deswegen auch Kriterien einzuhalten sind, die diese Förderung legitimieren. Die Kriterien sind nicht ausschließlich künstlerischer Art, sondern z.B. auch bezogen auf den Standort und das entsprechende Konkurrenzangebot im jeweiligen Kiez. Tribüne und Kleines Theater am Südwestkorso erhalten zunächst für zwei weitere Jahre 2007/08) eine reduzierte Fördersumme, ob sie danach weitere Mittel bekommen,hängt von ihrer Entwicklung ab und davon, ob sie von der Fachjury, die vomn Senat eingesetzt wird auch für förderungswürdig erklärt werden. Ich bin immer gewillt die Meinung von Fachleuten zu akzeptieren, wenn sie gut begründet ist.
Wichtiger ist, dass der Kultursenator die Mittel für die Kleinen und Mittleren Privattheater in dieser Legislaturperiode um ein Drittel zusammensgestrichen hat, so dass auch die innovartiven und künstlerisch wichtigeren Bühnen kaum mehr eine Möglichkeit haben auskönmmlich zu wirken.
Mit freundlichen Grüßen
Alice Ströver