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Ali Al-Dailami
BSW
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Frage von Reinhard G. •

In Gaza werden Menschenrechte gravierend verletzt. In welchem Umfang geschieht das mit Waffen aus Deutschland? Sollte die Regierung die Waffenlieferungen sofort stoppen? Macht sie sich sonst schuldig?

Sehr geehrter Herr Al-Dailami,
diese Menschenrechtsverletzungen wurden unter anderem in einer 84-seitigen Klageschrift dokumentiert, die beim Internationalen Gerichtshof von Südafrika eingereicht wurde. Darin wurden auch negative Äußerungen von Netanjahu und anderen hochrangigen Politikern zu den palästinensischen Semiten in Gaza zitiert. (ab Seite 59)
Wegen dieser Waffenlieferungen reicht jetzt Nicaragua eine Klage ein. Welche Bedeutung messen Sie dieser Klage zu?
In welchem Ausmaß lädt die Bundesregierung Schuld auf sich, wenn sie die Waffenlieferungen nicht stoppt? Unter anderen an dem Tod und der Traumatisierung von tausenden Kindern?

Links: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9467
https://www.amnesty.de/israel-besetzte-palaestinensische-gebiete-igh-voelkermord-urteil-zivilbevoelkerung-schuetzen
www.icj-cij.org
www.el19digital.com

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Frage und auch für Ihr Interesse an diesem Krieg. Mit Schrecken verfolge ich die Lage in Gaza, wo sich gegenwärtig eine humanitäre Katastrophe extremen Ausmaßes abspielt. Fast die gesamte Bevölkerung ist innerhalb des Küstenstreifens vertrieben, Zehntausende wurden getötet, die meisten Frauen und Kinder, viele mehr wurden verletzt, und Tausende werden noch unter den Trümmern der bombardierten Häuser vermutet. Die Mehrheit der über 2,3 Millionen Einwohner Gazas wurde während des Krieges von Norden nach Süden in die Grenzstadt Rafah vertrieben, die vom israelischen Militär als "sichere Zone" ausgewiesen wurde. Doch dann begann jüngst die Offensive gegen Rafah und erneut sahen sich bereits weit über 900.000 Menschen gezwungen, auch von dort zu fliehen: In Gaza gibt es keinen "sicheren" Ort mehr.

Neben dem Verfahren am IGH, in welchem Südafrikas Vorwurf, Israel begehe in Gaza einen "Genozid", behandelt wird, hat nun auch der Chefankläger des IStGH richtigerweise Haftbefehle für Israels Ministerpräsident Netanahu und Verteidigungsminister Gallant beantragt, sowie gegen die drei hochrangigen Hamas-Funktionäre Sinwar, Haniyeh und Deif.

Ich lehne Rüstungsexporte in Kriegsgebiete ab. Zwar verfügt Israel selbst über eine der fortschrittlichsten Rüstungsindustrien und ist in Sachen militärischer Forschung und Entwicklung in einigen Bereichen gar weltmarktführend, doch werden auch Waffen in Milliardenhöhe importiert. Deutschland ist historisch hinter den USA der zweitgrößte Rüstungsexporteur nach Israel. Im letzten Jahr hat die Ampel Rüstungsgüter in Wert von über 326 Millionen Euro genehmigt, was einer Verzehnfachung im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Das meiste davon wurde nach dem grauenhaften Massaker der Hamas am 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg gegen Gaza genehmigt. Dass die aus Deutschland gelieferten Rüstungsgüter gegenwärtig in Gaza eingesetzt werden, ist nicht nur naheliegend, sondern im Grunde gesichert. Das geht aus mehreren Berichten hervor.

Statt immer weitere Waffen zu liefern, muss Deutschland endlich seiner Verantwortung als engster europäischer Verbündeter Israels nachkommen und sein gesamtes diplomatisches und politisches Gewicht aufwenden, um einen Waffenstillstand zu erwirken. Danach sollte Berlin helfen, einen gerechten Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu erarbeiten. Nur so, nicht durch militärische Gewalt, können die Menschen beider Länder dauerhaft in Sicherheit leben.

Mit freundlichen Grüßen
Ali Al-Dailami

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