Frage an Alexander Schweitzer von Sigrid M. bezüglich Verbraucherschutz
TTIP
Sehr geehrter Herr Schweitzer,
welche Gründe bewegt eine Regierungspartei, einem Vertrag zuzustimmen, der
1.) verfassungswidrig eine zweite Gerichtsbarkeit vorsieht, die nicht aus zwingend vorgeschriebenen unabhängigen Richtern besteht, sondern aus solchen, die von Konzernen nach Erfolg bezahlt werden,
2.) ein freies, demokratisches Handeln der Regierung verhindert, wenn die Regierung sich durch solche Handlungen mit Strafzahlungen an Konzerne bedroht sieht,
3.) Privatisierungen auch bei der Wasserversorgung vorsieht, obwohl abzusehen ist, dass viele Bürger, die sich schon heute den Strom nicht mehr leisten können, später auch die tägliche Dusche nicht mehr leisten können,
4.) Konzernen die Macht darüber gibt, was auf unseren Feldern angebaut wird (Genmanipulation) und was unsere Bürger zu essen haben,
5.) Fracking und Verseuchung unseres Grundwassers erlaubt,
5.) kein Kündigungsrecht vorsieht
und
6.) mit diesem Vertrag Konzernen die Macht gibt, über das "wie" in unserem Land zu bestimmen und sich als Regierung damit selber abzuschaffen?
Gern hätte ich darauf eine Antwort!
Mit freundlichen Grüssen
S. M.
Die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA haben in den letzten Monaten zu Recht sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Sie bieten die Chance, die wirtschaftliche Globalisierung politisch zu gestalten. Gerade ein Abkommen zwischen den beiden weltweit größten Handelsräumen Europa und den USA eröffnet die Möglichkeit, globale Standards für nachhaltiges Wirtschaften zu setzen. Ohne Zweifel bergen Freihandelsabkommen für Rheinland-Pfalz große wirtschaftliche Potenziale, gerade mit Blick auf Exportchancen. Die Verhandlungen dürfen die Errungenschaften der EU u. a. im Bereich der Sozial-, Arbeits-, Umwelt-, Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsstandards jedoch nicht in Frage stellen. Dazu gehört sicherlich, die öffentliche Daseinsvorsorge von Liberalisierungsverpflichtungen auszunehmen. Es muss vermieden werden, dass durch ein Freihandelsabkommen in demokratischen Entscheidungsprozessen getroffene bisherige und zukünftige Rechtssetzungen und Standards in Frage gestellt werden.
Auf dem Parteikonvent der SPD im September 2014 wurde ein Grundsatzbeschluss zu den transatlantischen Freihandelsabkommen gefasst. Darüber hinaus haben die Delegierten auf dem Bundesparteitag der SPD im Dezember 2015 mit großer Mehrheit für einen Antrag des Parteivorstands gestimmt, der die Aushandlung der Abkommen (TTIP, CETA) mit den USA und Kanada befürwortet, dafür aber Bedingungen formuliert: keine undemokratischen Schiedsgerichte oder ähnliche demokratieaushebelnde Verfahren; europäische Schutzstandards dürfen nicht sinken; der Prozess muss transparent sein und am Ende alle europäischen Parlamente und das Europäische Parlament über das Abkommen abstimmen.
Wir legen darauf Wert, dass die weiteren Gespräche und Verhandlungen über die transatlantischen Freihandelsabkommen so fortgeführt werden, dass ausreichend Raum für eine Diskussion der Verhandlungsschritte und letztlichen Ergebnisse bleibt. Es muss der Grundsatz gelten: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Wir werden diesen Prozess sowohl bei TTIP als auch bei CETA weiterhin aktiv und wo nötig kritisch begleiten. Wenn die Ergebnisse der Gespräche und Verhandlungen vorliegen, werden wir diese im Austausch mit unseren europäischen Schwesterparteien bewerten und auf einem erneuten SPD-Parteikonvent oder Bundesparteitag entscheiden, ob sie in ihrer Gesamtschau unseren Anforderungen entsprechen und also eine Zustimmung der SPD erlauben. Zudem können erstmals alle Bundestagsabgeordneten und Mitglieder des Bundesrates ab dem 1. Februar 2016 die vertraulichen konsolidierten EU-USA-Verhandlungstexte unkompliziert selbst lesen. Dazu wurde im Bundeswirtschaftsministerium ein Leseraum eingerichtet.
Für uns ist klar: Es gibt keinen Automatismus. Wir wollen fortschrittliche Freihandelsabkommen auf den Weg bringen. Das ist Ziel und Anspruch unserer Politik. Und dafür haben wir klare Erwartungen formuliert. Die SPD ist die einzige Partei in Deutschland, die sich dem komplexen Thema der Freihandelsabkommen in seiner Vielschichtigkeit stellt und den Dialog mit Befürwortern sowie mit Kritikern sucht.