Frage an Alexander S. Neu von Peter G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Neu,
anlässlich des Ostermarsches Rhein/Ruhr 2016 hielten Sie bei der Abschlusskundgebung in Düsseldorf eine Rede [1], aus der ich hier zitiere:
[..] "Wenn es um Menschenrechte geht, wie so häufig gesagt wird, warum bekämpfen wir nicht die Fluchtursachen sondern die Flüchtlinge?
Nichts anderes ist die EUNAVFOR MED [2], die EU- Mission im Mittelmeer, um Flüchtlinge seeseitig, wie es so heißt, seeseitig abzudrängen von Europa, also sie wieder aufs offene Meer hinauszuschicken." [..]
Mit dieser Ihrer Aussage behaupten Sie nichts anderes, als dass die 24 an EUNAVFOR MED beteiligten Nationen ( AUT, BEL, BGR, CYP, CZE, ESP, EST, FIN, FRA, GER, GBR, GRE, HUN, ITA, LAT, LIT, LUX, MAL, NED, POL, POR, ROM, SLO, SWE )[3] und die im Einsatz befindlichen europäischen Marinen- darunter auch die Deutsche Marine- wider das Seerechtsübereinkommen, das Übereinkommen zum Schutz menschlichen Lebens auf See und das Abkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See agieren und somit gegen das Völkerrecht verstoßen.
Als Bürger bin ich geneigt, einem Bundestagsabgeordneten, der zudem dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags angehört, zunächst einmal zu glauben. Von daher erschreckt es mich doch sehr, wenn ich von offiziellen Stellen gegenteiliges höre. Demzufolge hätte z.B. allein die Deutsche Marine bisher doch 12.508 Menschen im Mittelmeer gerettet [4], die jeweils in italienische Häfen verbracht wurden.
Ich möchte Sie deshalb bitten, Ihren Vorwurf zu belegen:
a) Marineschiffe welcher Nation haben Flüchtlingsboote abgedrängt?
b) Wann ist das geschehen?
b) Wie viele Fälle sind Ihnen bekannt?
c) Gibt es Zeugenaussagen, Bild- oder Videomaterial über diese Vorgänge?
Vielen Dank für Ihre Mühe.
Quellen:
Sehr geehrter Herr Gross,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich freue mich sehr, dass Sie meinen Aussagen folgen und konkrete Nachfragen haben. Dass zeigt Ihr Interesse an dem Thema.
Sie zitieren mich mit den Worten
"[..] "Wenn es um Menschenrechte geht, wie so häufig gesagt wird, warum bekämpfen wir nicht die Fluchtursachen, sondern die Flüchtlinge?
Nichts anderes ist die EUNAVFOR MED [2], die EU- Mission im Mittelmeer, um Flüchtlinge seeseitig, wie es so heißt, seeseitig abzudrängen von Europa, also sie wieder aufs offene Meer hinauszuschicken." [..]".
Dazu folgendes:
1. EUNAVFOR Med, der NATO-Ägäis-EInsatz oder auch das EU-Türkei-Abkommen sind keine humanitären Rettungsaktionen, sondern Flüchtlingsfernhaltungsmaßnahmen. Es sind keine Maßnahmen zum Schutze der Menschenrechte. Sie erfüllen die gleiche Funktion wie die Zäune auf der sog. Balkanroute. Flüchtlingsrettungsmaßnahmen und -operationen sähen in der Auftragsdefinition sowie in der Operation grundlegend anders aus.
2. Weder im Antrag der Bundesregierung zum Einsatz der EU-Mission EUNAVFOR Med noch Im EU-Ratsbeschluss (GASP) 2015/778 vom Mai 2015 ist die Seenotrettung explizit als Auftrag formuliert. Es wird zwar auf die allgemeine völkerrechtliche Verpflichtung verwiesen, jedoch nicht die Seenotrettung als Auftrag formuliert. Warum eigentlich nicht? Auch be entsprechendeni Nachfragen im Verteidigungsausschuss und im Rahmen einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion vom 9. März 2016 /´(18/7837) wurde schwammig und ausweichend geantwortet.
3. Im Begründungsteil des Antrages der Bundesregierung zu EUNAVFOR Med wird u.a. die Aufgabe beschrieben:
"(...) Umleitung von Schleuserschiffen im südlichen und zentralen Mittelmeer, seewärts der Küstenmeere der betroffenen Küstenstaaten".
Diese verquaste Aussage konnte oder wollte die Bundesregierung nicht qualifiziert entschlüsseln. Darunter kann man vieles verstehen, eben auch das seeseitige Abdrängen - also auf das offene Meer hinaus. Wie gesagt, die Bundesregierung ist nach meinem Kenntnisstand bis heute eine Klarstellung dieser Formulierung schuldig - dies hat wohl seine Gründe.
Wenn Sie meine Formulierung präzise lesen, so werden Sie feststellen, dass ich nicht behaupte, dass EUNAVFOR Med oder gar die Bundeswehr Schiffe faktisch seeseitig abdrängt, sondern ich den entsprechenden Begründungsteil des Antrages der Bundesregierung als Aufgabe zitiere. Ich kritisiere somit den Auftrag und die Aufgaben - dass Fernhalten von Flüchtlingen - von EUNAVFOR Med. Wenn die alltägliche praktische Arbeit bei der Bundesmarine im Mittelmeer sich dennoch durch Seenotrettung im Wesentlichen kennzeichnet, so zeigt dies, dass die SoldatInnen an Bord mehr Menschlichkeit im unmittelbaren Kontakt mir Flüchtlingen haben als die politischen Entscheider in Brüssel und Berlin.
4. Dass die deutsche Marine eigenen Angaben zu Folge über 12.500 Menschen gerettet hat, wird von mir auch als wichtige humanitäre Maßnahme anerkannt. Ob auch andere Truppensteller derart massiv Seenotrettung betreiben, kann ich nicht beurteilen.
Dass ändert jedoch nichts an dem Fakt, dass sich die EU und die Bundesregierung bis heute weigern, die Seenotrettung als Auftragsbestandteil zu definieren.
Mit freundlichem Gruß