Frage an Alexander S. Neu von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
1)"Man wirft Russland einen schlechten innenpolitischen Umgang vor. ... Was wir immer wieder haben, ist, dass die Polizei bei friedlichen Demonstrationen eingreift und selber provoziert. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Deutschland hat eine Menge Nachholbedarf bezüglich der Werte, die wir proklamieren, diese auch umzusetzen." http://de.sputniknews.com/politik/20150712/303219792.html
Sind Sie der Meinung, dass sich die Situation in Deutschland bzgl. der Gewährleistung von Meinungs-, Presse- und Demonstrationsfreiheit mit der in Russland vergleichen lässt?
2)"Ich finde zivilgesellschaftliches Engagement richtig und wichtig. ...Aber ich lehne von ausländischen Staaten, ausländischen Privatpersonen oder ausländischen Stiftungen getätigte Finanzierungen für politische Zwecke ab. ...Sie bilden die Grundlage für die sogenannten Bunten Revolutionen, wie den Maidan-Putsch in Kiew. Entweder eine NGO schafft es in ihrem Land, so viel geistige und materielle Unterstützung zu erhalten, dass sie arbeiten kann oder es gelingt ihr eben nicht, die Menschen zu überzeugen. Dann hat sie ihren Sinn nicht erfüllt." http://www.linksfraktion.de/im-wortlaut/reisebericht-nowosibirsk-moskau-deutsch-russischen-parlamentariergruppe/
- Ist die "Grundlage" für die Maidan-Revolution nicht vielmehr aus der ukrainischen Bevölkerung selbst heraus entstanden und spielen NGOs nicht wenn, dann einen lediglich verstärkenden Charakter?
- Gilt Ihre Aussage auch für aus dem Ausland finanzierte Medien, zumal dann, wenn diese eine eindeutige politische Mission verfolgen?
- Fällt das Recht auf politische Betätigung als NGO nicht, unabhängig davon, woher die Finanzierung stammt, unter die Freiheitsgrundrechte?
- Hätten Sie Verständnisfür "russische" NGO-Gesetze in Israel, wo ein Großteil der propalästinensischen NGOs aus dem Ausland finanziert wird?
- Würde eine von einem russischen Oligarchen statt von der Soros-Stiftung finanzierte NGO eher aufgrund der Überzeugung "der russischen Menschen" existieren?
Zu Frage 1:
Ich ziehe bewusst keine Vergleiche, da ich die innenpolitische Situation Russlands naturgemäß weniger gut kenne als die Deutschlands. Die Meinungs-, Presse- und Demonatrationsfreiheit ist in Deutschland formal gewährleistet. Aber die beste Pressefreiehit nutzt wenig, wenn manche Medien und manche Journalisten ideologisch agieren, statt Berichterstattung zu leisten. Wenn Journalisten Politik machen wollen, dann sollen sie in die Politik gehen und nicht hinter dem Deckmantel des Journalisten eigene politische Meinungen als Faktenberichterstattung verkaufen. Mit Blick auf die Demonstrationsfreiheit kann ich aus meinen realen Erlebnissen bei Demonstrationen schöpfen. Auch hier ziehe ich keine Vergleiche, sondern verweise darauf, dass die von uns propagierten Werte auf den Demonstrationen auf denen ich gewesen bin, der Realität oft nicht standhalten konnten.
Da Sie offensichtlich selbst Erfahrung mit der russischen Polizei gemacht haben, können Sie sicherlich aus diesen Erfahrungen schöpfen. Ich kann es nicht.
zu Frage 2.:
Die sogenannte "Maidan-Revolution" ist eben nicht von ganz einfachen frustrierten Bürgen organisiert worden. Zwar nahmen anfänglich an den Maidan-Protesten einfache Bürger teil, deren soziale Lage katastrophal war und bis heute ist. Und deren Anliegen gegen den gewählten, aber durch und durch korrupten und unfähigen Präsidenten Janukowitsch mehr als legitim war. Diese einfachen Leute hatten aber nie das Sagen und die Kontrolle über die Proteste. Westlich orientierte Oligarchen haben gemeinsam mit ausländischen NGSo dies Proteste organisiert, finanziert und gesteuert. Schließlich kamen noch faschistische Kampfkräfte hinzu, die den Protest dann auch personell übernommen haben. Schluss mit der Legende, einfache pro-Europäer hätten zu Europa oder ähnliches gewollt. Es handelte sich um einen Oligarchenputsch mit faschistischen Kräften.
Meine Aussage gilt auch für aus dem Ausland finanzierte Medien, sofern nachweislich Propaganda statt diese nicht Journalismus und objektive Berichterstattung leisten. Für einen weitgehend objektiven Journalismus gibt es nachvollziehbare Kriterien.
NGOs und Freiheitsgrundrechte: Jede Gesellschaft und jeder Staat muss für sich entscheiden, wieviel äußere Einmischung sie bzw. er akzeptieren will. Die Souveränität und das Einmischungsverbot sind zwingendes Völkerrecht - und das ist auch gut so.Ich finde die russische Regelung bzgl. ausländsisch finanzierter NGOs im Prinzip legitim. Allerdings muss der Einzelfall geprüft werden.Meines Wissens nach findet die Einzelfallprüfung statt.
Ich habe keine Kenntnis von russischen NGOs in Israel oder woanders - was nicht heissen muss, dass es sie nicht gibt. Aber auch hier gilt für mich gleiche Grundsatz: Keine vom Ausland (auch nicht von Russland) finanzierten NGOs.
Russische Oligarchen versus Soros-Oligarch: Diese Frage müssen Sie der russische Gesellschaft stellen, ob sie mit Stiftungen und NGOs von russischen Oligarchen einverstanden ist. Da bin ich offenkundig der falsche Ansprechpartner.