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Alexander-Martin Sardina
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Frage von Christoph R. S. •

Frage an Alexander-Martin Sardina von Christoph R. S. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Sardina

Das folgende frag ich Sie, weil Sie auch Politologe sind:

Was ist Ideologie?

Ein philosophischer Fachbegriff? Wird er noch richtig gebraucht? Ein Schimpfwort, gar eine böse Beleidigung oder ein Unwort? Oder nur noch Theaterdonner, wo schon längst keiner mehr zuhört? Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen oder Ihren engsten Mitstreitern jemand Ideologie vorwirft?
Gruß
Christoph Strebel

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Antwort von
CDU

Guten Morgen Herr Strebel,

offenbar sind Sie ebenfalls Nachtarbeiter wie ich, deswegen gibt es gleich eine Reaktion auf Ihre Frage. Wenn ich ehrlich bin, dachte ich eben zunächst "Was für eine merkwürdige Frage", aber Sie benennen m. E. durchaus berechtigte Aspekte. Hier kommt der Versuch einer kurzen Antwort:

Ich meine, mit der "Ideologie" verhält es sich ganz ähnlich wie mit dem Glauben: Man meint im ersten Augenblick sofort klar zu wissen, was das ist, und dennoch hat vermutlich jede und jeder ihre und seine persönliche Definition davon. Vermutlich stimmt alles, was Sie in Ihrem Beitrag ausführen. "Ideologie" ist ein Fachterm, aber hier kommen wir auch schon ins Schleudern, denn wenn Sie einen Historiker fragen, wird er Ihnen mit der Aufklärung und der bewusst pejorativen napoleonischen Anwendung kommen. Fragen Sie einen Philosophen, wird er Ihnen den Begriff - je nach Schule: Nietzsche, Popper, Russell, Habermas und etliche weitere bekannte und unbekannte Philosophen - anders darlegen, als ein Sozialwissenschaftler bzw. Politologe. Und dann fragen Sie den Politiker, also den Praktiker, der leider sehr oft nur wenig von der Theorie weiß, wird dieser Ihnen wieder eine andere Definition liefern und vermutlich eher das von Ihnen genannte "Theaterdonnern" beschreiben.

Sie sehen, die Frage nach dem "richtigen Gebrauch" ist kaum zu beantworten, denn dazu müsste es zunächst einmal eine allgemeingültige Definition des Begriffes geben, dessen Anwendung ebenfalls für alle verbindlich geregelt ist. Unter diesen Prämissen lässt sich dann ja der korrekte oder eben inkorrekte Gebrauch feststellen. Desgleichen kann der Begriff negativ gebraucht werden, je nach Sichtweise könnte man dann darauf wiederum sogar stolz sein (siehe unten). Mir selbst hat meiner Erinnerung nach noch keiner "ideologisches Handeln" vorgeworfen. Wie ich das dann bewerten würde, wenn dieser Fall mal kommen sollte, werde ich aber vermutlich auch erst dann wissen.

"Ideologie" im politischen Diskurs (und ich vermeide hier besser mögliche konkrete Beispiele aus der Hamburgischen Bürgerschaft) wird immer gern dann der jeweiligen Gegenseite vorgeworfen, wenn die Vermutung aufkommt, eine bestimmte Haltung ließe sich nicht zurückführen auf Fakten und gesicherte Erkenntnisse, sondern nur auf grundsätzliche Erwägungen (die wiederum nicht zwangsläufig deswegen "schlecht" sein müssen). Als Betroffener der Gegenseite würde ich dennoch sofort versuchen, den Vorwurf der "Ideologie" von mir zu weisen und statt dessen nur mit belegbaren Tatsachen zu argumentieren - obwohl es doch auch ein Lob sein müsste, wenn einem der politische Gegner "ideologisches Handeln" vorwirft. Schließlich sitzen wir alle in unseren Fraktionen, diese wiederum haben eine jeweilige Partei zur Grundlage und in dieser gibt es natürlich eine Ideologie. Wirft einem der Gegner also "ideologisches Handeln" vor, wäre das ja quasi die Bestätigung, dass man aus der Sicht der eigenen Partei alles ganz besonders richtig gemacht hat - oder?

Ich will es bei diesen Punkten - und offenen Fragen - hierzu bewenden lassen. Ganze Seminare beschäftigen sich mit dem Themenkomplex "Ideologie", da werde ich kaum eine adäquate Antwort hier geben können. Haben Sie aber vielen Dank für Ihren Denkanstoß zu später Stunde!

Besten Gruß,
AMS