Frage an Alexander-Martin Sardina von Christian R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Sardina,
danke für Ihre Ausführungen. Meine Fragen haben Sie dabei leider zum Teil umschifft. Deswegen hake ich noch mal nach:
1) Kennen Sie Fälle aus anderen Ländern, wo trotz solcher vergleichbar hohen Schwellenwerte noch der Wählerwillen durch Präferenzbildung bei der Personenwahl deutlich wird und es tatsächlich mal zu Änderungen gekommen ist?
2) Eine Einschätzung ist nicht unbedingt eine Prognose - deswegen: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass gelegentlich zu Änderungen auf der Liste bei den jetzigen Schwellenwerten kommt? Oder nach welchen Kriterien haben Sie die Schwellenwerte gebildet?
3) Ist von Ihrer Partei versucht worden eine konsensuale Vorgehensweise für notwendige Änderungen in die Wege zu leiten? Wenn ja, wodurch? Gab es eine Arbeitsgruppe die einen Konsensvorschlag erarbeiten sollte?
Mfg
Christian Rave
Guten Tag Herr Rave,
bitte entschuldigen Sie zunächst die gut vierwöchige Verspätung bei der Beantwortung, aber die E-Mail-Mitteilung von abgeordnetenwatch.de an mich, dass eine erneute Frage zur Beantwortung eingegangen ist, wurde versehentlich bereits in die Mailablage verschoben, obwohl ich noch gar nicht geantwortet hatte. Jetzt habe ich Ihre Frage quasi "wiederentdeckt" bei der Benachrichtigung zu der Frage von Herrn Sauerbeck zum
Studienfinanzierungsgesetz.
Lassen Sie mich zu Ihren Fragen kurz abschließend Stellung nehmen, wenn Sie schon so hartnäckig in der Sache nachbohren:
zur Nachfrage 1:
Der Stadtstaat Hamburg ist Land und Gemeinde in einem, wie Sie wissen. Dies führt dazu, dass die Bürgerschaft - nach der Terminologie in den Flächenstaaten - sowohl "Gemeinderat", also kommunales Parlament, als auch Landesparlament ist, weshalb sie nicht nur kommunale, sondern vor allem auch staatliche Aufgaben wahrnimmt. Daher darf man das Wahlrecht zur Bürgerschaft nicht nur mit den Kommunalwahlgesetzen, sondern muss es auch mit den Landtagswahlgesetzen der anderen Bundesländer vergleichen. Hier ist ein Grundfehler bei der Argumentation der "Gegenseite"; Kommunalwahlgesetze können nicht einfach auf Länderebene übertragen werden.
Die Möglichkeit der Wählerinnen und Wähler zu kumulieren und zu panaschieren besteht in allen (!) anderen Bundesländern bislang nur auf Kommunalebene (!), dort allerdings ohne den von Ihnen bemängelten Schwellenwert. In den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen haben die Bürgerinnen und Bürger für die Zusammensetzung ihres Senats oder ihrer Bürgerschaft bzw. dem Abgeordnetenhaus lediglich eine Stimme (vgl. § 6 Wahlgesetz Bremen) oder zwei Stimmen (vgl. § 15 Wahlgesetz Berlin). Ein Vergleich mit anderen Bundesländern in der Weise, wie Sie ihn in Ihrer Frage aufgeworfen haben, kann daher legitimerweise gar nicht gezogen werden. Rechnet man die von der der CDU-Fraktion vorgeschlagene Relevanzschwelle aber beispielsweise auf die Ergebnisse der letzten Kommunalwahlen in Hannover um, ergeben sich eine ganze Reihe von Änderungen der Listenreihenfolge.
zur Nachfrage 2:
Im Hinblick auf die angesprochenen Rechenmodelle auf der Basis der Ergebnisse in Hannover halte ich Änderungen der Listenreihenfolge für wahrscheinlich. Es besteht aber die bereits dargestellte Unsicherheit im Hinblick darauf, dass sich Kommunal- und Landtagswahlen nur schwer vergleichen lassen (siehe meine Antwort zu Frage 1).
zur Nachfrage 3:
Selbstverständlich hat die CDU-Bürgerschaftsfraktion versucht, die Änderungen des Wahlrechts möglichst im Konsens herbeizuführen. Die internen Diskussionen haben Monate lang angedauert, wie der Presse ja auch zu entnehmen war. Alle Gesprächsangebote, welche unser Fraktionsvorsitzender Bernd Reinert MdHB der SPD-Fraktion, der GAL-Fraktion und den Initiatoren des Volksentscheids unterbreitete, wurden ausgeschlagen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Sozialdemokraten bedauerlich, die im Jahr 2004 noch geschlossen gegen das jetzt geltende Recht gestimmt haben und uns hinter vorgehaltener Hand immer wieder signalisieren, dass die Änderungen, die die CDU-Mehrheit durchsetzen wird, allesamt erforderlich sind. Aber es besteht natürlich nicht der geringste Anreiz für eine Oppositionspartei, dies offen zu bekennen. Zu diesem Punkt hatte ich auch bereits früher klare Ausführungen gemacht.
Ich hoffe, damit Ihre Nachfragen dann beantwortet zu haben.
Ein schönes Wochenende,
Ihr AMS