Frage an Alexander Dobrindt von Tim Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dobrindt,
in der Berliner Runde vom Wahlabend in Mecklenburg-Vorpommern gaben Sie im Schlussstatement zu verstehen, dass Sie keine Möglichkeit der Vereinigten Staaten von Europa sehen. Dies war nicht der erste europaskeptische Kommentar Ihrerseits: In einem Memorandum warnten Sie vor einer Machtverschiebung nach Brüssel, und auch auf Ihrer Webseite lehnen Sie im "Spruch des Monats" eine aus Ihrer Sicht europäische Kompetenzen verstärkende EU-Steuer deutlich ab. Unter dem Punkt "Europa" betonen Sie jedoch, eine starke und handlungsfähige EU sei zwingend notwendig. Ich frage mich hierzu: Stimmen Ihre vorgebrachten Europathesen noch inhaltlich miteinander überein? Weshalb warnen Sie gerade im Zentrum einer der schwersten europäischen Krisen vor europäischer Macht? Glauben Sie, dass dies wesentlich zur Lösung der drängenden Probleme (siehe Griechenland) respektive einer Steigerung des Bürgervertrauens in die Handlungsfähigkeit der Politik beitragen wird? Geht es nicht vor allem - Hand aufs Herz - darum, sich als CSU von der Schwesterpartei CDU inhaltlich abzugrenzen und zu profilieren, mit der Hoffnung auf bessere Umfrageergebnisse? Wäre es nicht glaubwürdiger und konstruktiver, sowohl als Fraktionsgemeinschaft als auch als Regierung in einem Notstand dieses Ausmaßes an einem Strang zu ziehen?
Mit freundlichen Grüßen
Tim Zuber
Sehr geehrter Herr Zuber,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Ich glaube nicht, dass ein starkes und handlungsfähiges Europa grundsätzlich im Widerspruch zu den Kernkompetenzen der europäischen Partnerstaaten steht. Nicht, weil ich eine starke EU fürchte oder ablehne, warne ich vor der ungebremsten Kompetenzverlagerung nach Brüssel. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ich glaube an eine handlungsfähige Europäische Union - wenn Sie so wollen mehr als Staatenbund, denn als Bundesstaat - die stark ist, weil es ihre Mitgliedstaaten sind.
In den Unionsparteien haben wir dafür seit den Anfängen der Europapolitik und der Vision eines geeinten Europa den Grundsatz der Subsidiarität und des Föderalismus. Ein Grundsatz, der Solidarität und Wettbewerb gelungen verbindet und nirgendwo erfolgreicher war und ist als in der Bundesrepublik Deutschland. Die darauf begründete Idee eines "Europa der Regionen" hat auch wesentlich höheres Identifikationspotential und ist dem Wesen und der kulturellen Vielfalt Europas m.E. angemessener als die nun in die Diskussion geworfenen "Vereinigten Staaten von Europa". Ganz nebenbei bemerkt, das Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika, an das sich dieses Bild anlehnt, taugt kaum, um damit ein ´mehr´ an Zentralismus für Europa zu rechtfertigen.
Wie auch immer Sie nun die Vision des zukünftigen Europa betiteln wollen, ich glaube nicht, dass diese sich durch mangelnde demokratische Legitimation und einen immer größeren Verwaltungsapparat auszeichnen darf. Wenn Sie meine Überlegungen nicht als grundsätzlich Europa-skeptisch, sondern als kritisch-solidarisch bezeichnen, kann ich mit Ihrer Einschätzung als überzeugter Europäer sehr gut leben. Mit Parteipolitik hat das tatsächlich nichts zu tun.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Dobrindt MdB