Frage an Alexander Bonde von Elke J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Lieber Herr Bonde,
Der Vertrag wurde unter Ausschluss der europ. Öff. bestimmt. Er ignoriert die Voten in F und den NL und soll (Ausn. Irland) ohne Zust. der Bevölk. ratifiziert werden Er wird die NEOLIBERALE WIRTSCHAFTSFORM festschreiben. In Artikel 98 etwa heißt es: "Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb."
Die soz.Schieflagen innerhalb Europas werden sich weiter verschärfen ,so soll die weltweite Armut ausgerechnet durch "die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft
[und] den schrittweisen Abbau internat. Handelshemmnisse"
(Artikel 10a) bekämpft werden. Hierdurch wird, wie allg. bekannt ist, die Armut zunehmen. Der Vertrag best, dass Truppen von EU-Staaten für weltweite Militär- und Kampfeinsätze zur Verfüg. stehen müssen. Der Vertrag schreibt den Mitgliedsstaaten vor, ihre Militärausg. zu erh.und räumt dem EU- Parlament keine Mitentscheidungsrechte in außen- und militärpolit. Fragen ein.Darüber hinaus eröffnet er auch noch die Option für Militäreinsätze innerhalb der EU ("Solidaritätsklausel").Ich frage mich , ob es bei den Grünen noch Leute gibt, die verantwortlich sind. Wie können Sie bei der namentlichen Abst. für den Vertag von Lissabon mit JA stimmen? Die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen, wird bewiken, daß die Rechte der Arbeitnehmer noch mehr erodieren. Der Bürger versteht den Vertrag von Lissabon mit seinen vielen Zusätzen nicht.Wenn EIN Europa angestrengt wird, so sollten die Politiker im Klaren sein, dass eine Aktzeptanz bei den Bürgern nur zu erreichen ist, wenn diese aufgeklärt werden. Das wird sich in Zukunft sehr nachteilig auf Europa auswirken.Fraglich ist, wann der Wähler versteht, daß die Grünen nicht mehr das sind, für das man sie hält. Wenn dies so ist, so wird Ihre Partei das gleiche durchleben wie die SPD in der letzten Zeit. Ich sage nur Schuster bleib bei deinem Rappen.
MFG
Sehr geehrte Frau Josquin,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 02. Mai zu ihren Bedenken gegenüber dem Vertrag von Lissabon.
Kurz vorneweg: Ich würde Sie gerne bitten, in Ihrer Bewertung den gesamten Vertrag und die Alternative, nämlich ein ungeregeltes "Weiterso" zu bedenken - letzteres würde grünen Ansprüchen an Demokratie, Sozial- und Friedenspolitik nicht entsprechen, weil es gerade in diesen Bereichen schaden würde. Und da wir Grüne wie von Ihnen eingefordert zu unseren inhaltlichen Positionen stehen, habe ich den Vertrag in meiner Abwägung vor der Abstimmung genau an diesen Frage gemessen. Auch mir gefallen einzelne Punkte des Vertrages nicht. Aber eine Bewertung, die nur auf wenige, noch dazu isoliert betrachtete Einzelformulierungen aufbaut springt zu kurz.
Im Einzelnen:
- Demokratie
Wir Grüne unterstützen in der Gesamtbewertung den Vertrag. Er ist nach einer achtjährigen Reformphase wichtig für die künftige Arbeit der EU. Er macht mehr europäische Politik, beispielsweise in der Außenpolitik, in der Energiepolitik, aber auch in der Innen- und Justizpolitik, möglich. Er gibt den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte, denn sie können sich nun über ein Europäisches Bürgerbegehren aktiv in europäische Politik einschalten. Er wertet die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger zur Wahl zum Europäischen Parlament auf, denn dieses kann künftig in viel mehr Bereichen mitentscheiden. Er gibt den nationalen Parlamenten mehr Rechte, die sogar so weit gehen, dass ein einziges Parlament Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einlegen kann, wenn das Prinzip der Subsidiarität verletzt wurde. Der Vertrag von Lissabon macht die EU demokratischer, effizienter und transparenter.
- Friedenspolitik
Die weitere Stärkung einer gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist für uns Grüne ein wichtiges Element der weiteren Vertiefung der Europäischen Union. Wir sind der Überzeugung, dass Europa nur gemeinsam wirklichen Einfluss im Rahmen der internationalen Gemeinschaft ausüben und seine spezifischen Ansätze wie den eines erweiterten Sicherheitsbegriffs oder des gleichberechtigten Nebeneinanders ziviler und militärischer Fähigkeiten Geltung verschaffen kann. Allerdings haben auch wir einige Kritikpunkte.
Wir sehen die Bestimmung des Artikel 28a EUV (3), wonach sich die Mitgliedstaaten "verpflichten (?), ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" und eine "Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" einzurichten, aus mehreren Gründen ebenfalls kritisch. Zum einen ist es ärgerlich, dass zwar eine Agentur für den militärischen Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingerichtet wird, nicht aber ebenso eine für den zivilen Bereich. Zum anderen halten wir es grundsätzlich nicht für notwendig, die Einrichtung von Agenturen dieser Art explizit im Vertrag von Lissabon zu regeln. Allerdings bildet diese Bestimmung nur die Realität nach, denn die Agentur wurde bereits im Jahr 2004 auf der rechtlichen Grundlage des bestehenden EU-Vertrags eingerichtet und wird also nicht mit dem Vertrag von Lissabon neu geschaffen. Zudem ist sie die Nachfolgeorganisation der Beschaffungsagentur OCCAR, der Westeuropäischen Rüstungsorganisation WEAG und der Westeuropäischen Rüstungsgruppe WEAO.
Auch die "Durchführungsbestimmung", die "militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern", hat unseres Erachtens in einer Verfassung nichts zu suchen. Ganz abgesehen davon, dass wir es begrüßt hätten, wenn hier vor allem von einer substanziellen Verbesserung der zivilen Fähigkeiten die Rede gewesen wäre, sehen wir diese Bestimmung insgesamt jedoch eher gelassen. Von einer "Aufrüstungsverpflichtung" kann jedoch keine Rede sein. Umfang und Ausstattung der Streitkräfte sowie die Höhe der Militäretats werden weiterhin im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten bleiben. Die (west-)europäischen Staaten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt und in unterschiedlichster Form für eine engere Zusammenarbeit im Rüstungsbereich ausgesprochen. Gemessen an den Ansprüchen sind die Fortschritte in diesem Bereich eher marginal. Jeder der inzwischen 27 Staaten unterhält nach wie vor seine eigenen Streitkräfte und eigene Rüstungskapazitäten. Arbeitsteilungen und das Zusammenlegen oder Poolen von Fähigkeiten sind selten. Vielfach sind diese Streitkräfte schon auf Grund unterschiedlicher technischer Standards nicht in der Lage, zusammen zu arbeiten. Das bedeutet konkret: Die europäischen Staaten geben mehr Geld für Verteidigung aus, als nötig. Mit der Europäischen Verteidigungsagentur wird ein erneuter Anlauf unternommen, diese Ineffizienz "schrittweise" zu beseitigen. Dies wird Jahrzehnte dauern. Nach Auffassung der Bündnisgrünen kann eine stärkere militärische Zusammenarbeit friedenspolitisch dann Sinn machen, wenn dadurch militärische Überkapazitäten abgebaut, Streitkräfte reduziert und Verteidigungsausgaben eingespart werden.
Auslandseinsätze werden nach wie vor vom Deutschen Bundestag entschieden. Denn die EU hat keine eigenen Streitkräfte. Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die übrigens vor allem ziviler Art sind, können nur durchgeführt werden, wenn einzelne Nationalstaaten bereit sind, nationale Streitkräfte oder BeamtInnen zur Verfügung zu stellen und alle Mitgliedstaaten der EU im Ministerrat der Mission zustimmen. Im Falle Deutschlands wäre es so, dass eine deutsche Beteiligung an einem EU-Einsatz nur stattfinden kann, wenn der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung zustimmt. Kaum ein Parlament in der EU hat so weitgehende Mitwirkungs- und Kontrollrechte bei Auslandseinsätzen, wie der Deutsche Bundestag. Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgericht hat dies erneut gestärkt.
- Sozialpolitik
Der Vertrag begründet keinen marktradikalen Neoliberalismus, im Gegenteil,
der Vertrag besagt beispielsweise:
1. Die EU wirkt auf "eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale
Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt
abzielt?" "Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und
fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von
Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz
der Rechte des Kindes. Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und
territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten"
(Art. 2, Absatz 3 EUV).
2. Mit der sozialen Querschnittsklausel müssen alle Rechtsakte künftig
auf ihre Sozialverträglichkeit hin überprüft werden (Art. 5a AEUV): "Bei der
Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen trägt die
Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen
Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen
Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen
Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes
Rechnung."
3. Das Protokoll zur Daseinsvorsorge klärt, dass die Mitgliedstaaten
dafür zuständig sind, die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren. Es
verankert zudem die Anerkennung der Vielfalt der Daseinsvorsorge sowie
wesentliche Prinzipien wie Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit und
universeller Zugang.
4. Titel IV der Charta der Grundrechte, die wichtige soziale Grundrechte enthält, an die die EU-Organe künftig gebunden sind: z.B. 1. Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung, 2. Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen, 3. Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung,
- Gesamtbewertung
Alles in allem überwiegen die positiven Aspekte des neuen Vertrages bei weitem die negativen. Natürlich hätte jeder diesen Vertrag anders geschrieben. Aber als Vertrag, der im Wesentlichen auf den Bestimmungen des Verfassungsvertrages beruht und der von PolitikerInnen aus 28 Staaten und allen politischen Familien erarbeitet wurde, ist er ein wirklich ausgewogener Kompromiss zwischen den vielen unterschiedlichen Vorstellungen in allen Politikbereichen. Dieser neue Vertrag ist ein Meilenstein der europäischen Integrationsgeschichte und wird die Rechtsgrundlage der EU gegenüber dem derzeit geltenden Vertrag von Nizza in sehr vielen Bereichen verbessern. Deshalb unterstützen wir die Verabschiedung des Vertrages und werden uns dafür einsetzen, dass sobald wie möglich eine Einigung über die verbliebenen strittigen Punkte erreicht werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Bonde