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Alexander Bonde
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Frage von Adelbert R. •

Frage an Alexander Bonde von Adelbert R. bezüglich Soziale Sicherung

STEUERHINTERZIEHUNG ZUMWINKEL&Co vs. HARTZ IV VERWALTUNGSAUFWAND

Sehr verehrter Herr Bonde,

Warum werden die Millionäre nicht regelmäßig geprüft?. Wer große Einkommen bezieht, hat in der Regel sicher auch was angelegt.
Einkommensteuerprüfungen finden hauptsächlich mit Betriebsprüfungen zusammen statt. Einzelne Einkommensteuerprüfungen finden so gut wie nicht statt.
Ich denke dass nicht jeder Kleinbetrag in irgeneiner Kontrolle
einzubeziehen ist. Der Verwaltungsaufwand bei unseren Finanzämtern würde dann im Missverhältnis zum Ertrag stehen.
Im Gegensatz dazu steht der irrwitzige Verwaltungsaufwand bei Hartz IV.Dort scheut die Bundesregierung keinerlei Personal, und Kostenaufwand, um noch den letzen Euro bei den Hartz IV-Empfängern
herauszupressen. Mittlerweile waren in 2007 153.808 Klagen wegen HartzIV ( Junge Welt vom 29.01.08 ) bei den Sozialgerichten anhängig. Kann dies ein gut durchdachtes Gesetz sein, wenn so viele Klagen anhängig sind, die noch zu 44% zum Erfolg führen? ( Sozialticker.com )
Sollte man nicht eine Bagatellgrenze einführen, daß die 10€ gewährt werden, denn der Kostenaufw. ist oftmals das 100-fache höher? Wohlgemerkt, es handelt sich hier um eine Existenmin. sichernde Leistung. Bei SGB II kommt es auf jeden € an beim Empf.. Dieses Gesetz wurde übrigens von den Grünen und SPD ja verabschiedet.
Ist der Harz IV-Satz nicht zu niedrig, wenn mittlerweile 7000 Tafelläden existieren, die z.T. abgelaufene Lebenmittel kostengünstig anbieten, da die SGB II-Bezieher nicht durchkommen. Wird hier ein Problem, das die Bundesregierung verursacht, nicht auf andere Träger abgewälzt. Später wird dann behauptet, dass der Regelsatz nicht erhöht werden muß, da es ja die Tafelläden gibt. Mein Vorschlag erhöht die Regelleistung, damit die Leute wieder selbstbestimmt einkaufen können, damit wird wieder ein Stück Menschenwürde zurückgegeben.
Schande über die Bundesregierung, dass es diese Tafelläden geben muß.
Wie stehen Sie zu dem vorgebrachten?
Mfg
Adelbert Ringwald
p.s. Ist Grün=konservativ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Ringwald,

lassen Sie mich zunächst vorwegschicken, dass wir der Auffassung sind, dass das SGB II insgesamt reformbedürftig ist. Wir haben hierfür das Konzept der Grünen Grundsicherung entwickelt. Die Grüne Grundsicherung umfasst Teilhabegarantien und Existenzsicherung. Sie besteht gleichberechtigt aus materieller Absicherung und dem Zugang zu fördernden und befähigenden Institutionen und Instrumenten. Beides muss klar festgelegt sein, auf beides muss es einen verbindlichen Rechtsanspruch geben. Ein Element der Grünen Grundsicherung ist die Festsetzung der Regelleistung in einer Höhe, die das sozio-kulturelle Existenzminimum garantiert und die Autonomie derjenigen schützt, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind.

Wir wollen das Verfahren zur Festsetzung der Höhe des Arbeitslosengeldes II schnellstmöglich reformieren. Bereits im Jahr 2006 haben Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag deutlich gemacht, dass das ALG II so ausgestaltet werden muss, dass es dem sozialstaatlichen Gebot der Deckung des Existenzminimums für alle Menschen Rechnung trägt. Die große Koalition ist dagegen im Jahr 2006 zu dem Schluss gekommen, dass eine Anhebung der Regelleistung aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten nicht erforderlich sei. Auch im Jahr 2007 wurde lediglich eine minimale Erhöhung infolge der Veränderung des Rentenwerts vorgenommen, so dass die Regelleistung im SGB II seit Juli letzten Jahres 347 € beträgt. Wir sind der Auffassung, dass dies nicht den tatsächlichen Erfordernissen entspricht und den gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht gerecht wird.

Die Berechnungsgrundlage der Regelsätze muss grundlegend überprüft werden, die Fortschreibung der Regelsätze kann nicht länger an die aktuelle Rentenentwicklung gebunden werden. Anders als die Renten handelt es sich bei der Regelleistung um jenen Betrag, der für die Sicherstellung des Existenzminimums mindestens notwendig ist, zu geringe Anpassungen führen also umgehend zur Gefährdung des Existenzminimums. Zusätzlich übernimmt das SGB II eine Ergänzungsfunktion für niedrige Löhne (bzw. für niedrige Renten), die für sich alleine nicht zur eigenständigen Sicherung der Existenz ausreichen. Das kommt leider immer häufiger in Deutschland vor. Ist dies der Fall, besteht ein Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II (bzw. Grundsicherung im Alter). Zusätzlich brauchen wir rasch einen umfassenden Schutz vor Armutslöhnen in Form von Mindestlöhnen.

Als letztes Auffangnetz muss die Regelleistung im SGB II also zuverlässig das Existenzminimum garantieren. Deshalb sind wir der Auffassung, dass regelmäßig eine Anpassung an die Verbraucherpreisentwicklung im regelsatzrelevanten Bereich erfolgen muss. Das Verfahren muss transparent und in Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden gestaltet werden. Kurzfristig müssen insbesondere folgende Veränderungen Berücksichtigung finden:

Die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung auf die Verbrauchsgüterpreise müssen abgebildet werden. Die Haushaltskosten für Strom müssen künftig zu 100 Prozent in der Regelleistung berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegenen Stromkosten ist ein Festhalten an den bislang vorgenommenen Abschlägen von 15 Prozent für Stromkosten in der Regelleistung nicht begründbar. Die mit der Gesundheitsreform gesetzlich vorgegebenen Zuzahlungen und Leistungsausschlüsse müssen nachvollziehbar in der Regelleistung berücksichtigt werden. Durch eine gesetzliche Regelung ist sicherzustellen, dass atypische Mehrbedarfe wie Übergrößen bei Bekleidung angemessen berücksichtigt werden können. Die materielle Schlechterstellung von Kindern im Alter von über 7 Jahren im Vergleich zur alten Sozialhilfe muss rückgängig gemacht werden.

Unabhängig von einer Veränderung der Grundlagen der Regelsatzberechnung müssen für Kinder und Jugendliche aktuelle Hilfebedarfe durch kurzfristige Einzelmaßnahmen gesichert werden. Als kurzfristige Maßnahmen soll den SGB-II- und SGB-XII-Kostenträgern die Gewährung von Sachleistungen, die der körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dienen, ermöglicht werden.

Die Arbeit von Tafelläden hat eine wichtige soziale Funktion. Sie brauchen jede Unterstützung, deshalb habe ich eine Reihe von Tafelläden besucht und bin Mitglied bei der Emmendinger Tafel. Für mich sind die Tafel eine wichtige gesellschaftspolitische Initiative, die deutlich machen, dass die soziale Frage über notwendige staatliche Institutionen und verbesserte Sozialsysteme hinaus auch gesellschaftliches Engagement dringend braucht. Soziales Miteinander wird durch ehrenamtliche Intiative ergänzt und in die Fragen von Armut und Ausgrenzung als Hausaufgabe in die Mitte der Gesellschaft gebracht. Es muss sichergestellt sein, dass daraus kein Rückzug aus staatlichen Aufgaben (etwa die Anrechnung auf den Regelsatz o.ä.) entstehen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Bonde MdB