Frage an Alexander Bonde von Rüdiger K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bonde,
ich bin ein naturverbundener Mensch der als politische Partei am ehesten die Grünen wählen würde. Ich frage mich jedoch ob es tatsächlich einen Unterschied zu den großen Volksparteien gibt.
Hierzu möchte ich wissen wie Sie persönlich zu folgenden Fragen Stellung nehmen:
- Sind die "Grünen" gegen eine Liberalisierung der Gentechnik in der Landwirtschaft?
- Wie stehen die "Grünen" zur Freigabe von weichen Drogen wie Cannabis?
Gruß Rüdiger Kuun
Sehr geehrter Herr Kuun,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Gentechnik- und Drogenpolitik der Grünen.
Falls Ihre Frage auf die von der großen Koalition geplanten Änderung des Gentechnik-Gesetzes abzielt, ist sie sehr berechtigt. In der Tat hat Landwirtschaftsminister Horst Seehofer bereits angekündigt, dass er das Gentechnik-Gesetz mit einer so genannten Vierten Novelle nochmals verändern und im Herbst Eckpunkte für diese geplanten Änderungen vorlegen will.
Sehr zu befürchten ist, dass sich unter dem Deckmantel „Erleichterung für die Forschung“ auch Verschlechterungen für Verbraucher und Landwirte verbergen werden obwohl eine weitere Novelle des Gentechnik-Gesetzes überhaupt nicht notwendig wäre. Wirklich notwendig ist eine Verordnung zur guten fachlichen Praxis beim Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die Seehofer immer noch nicht vorgelegt hat. Seehofer selbst hat schließlich mit seinen ersten Sortenzulassungen aus dem gentechnisch veränderten Mais MON810 den kommerziellen Anbau in Deutschland erstmalig möglich gemacht. Bis heute fehlt eine konkrete Verordnung darüber, welche Pflichten und Schutzregeln Landwirte einzuhalten haben, wenn sie diese Sorten anbauen.
In den Medien entsteht manchmal der Eindruck, dieses Gesetz würde es erst seit der rot-grünen Regierungszeit geben. Das Gentechnik-Gesetz bildet bereits seit 1990 die gesetzliche Grundlage für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen. Zu befürchten ist nun aber, dass mit einer weiteren Änderung des Gentechnik-Gesetzes unter der Federführung von Horst Seehofer diese von seiner Vorgängerin Renate Künast eingebrachten wichtigen Schutzregelungen für die gentechnikfreie Landwirtschaft „verwässert“ werden. Die Stellungnahme des unionsdominierten Bundesrates bei der letzten Novelle des Gentechnik-Gesetzes (und die Positionierung der Union im Wahlkampf zur Agro-Gentechnik) sowie Äußerungen aus Unionskreisen und aus dem Landwirtschaftsministerium lassen vermuten, dass wesentliche Schutzelemente des Gentechnik-Gesetzes geschliffen werden sollen.
Weiche Drogen wie Cannabis
Mittlerweile sind wir einer parteiübergreifenden rationalen Drogenpolitik im Bereich der illegalen harten Drogen einen großen Schritt näher gekommen. Gleichzeitig ist jedoch gerade der Konsum von Cannabis ein stark emotional geprägtes Thema. Während viele die mit Cannabiskonsum verbundenen Probleme hochstilisieren, wollen wir sachlich damit umgehen, ohne bestehende Auswirkungen des Konsums von Cannabis zu verharmlosen. Eine wirksame Drogenpolitik bedeutet für Bündnis 90/Die Grünen, dass Entkriminalisierung und suchtstoffübergreifende Präventionskonzepte Hand in Hand gehen. Ziel einer konzertierten Präventionspolitik muss es sein, dass Kinder und Jugendliche nicht bzw. möglichst spät mit dem Konsum von Drogen experimentieren und sich nicht regelmäßige Konsummuster herausbilden. Leider führt das Strafrecht oft auch dazu, dass in Schulen bewusst weggesehen wird, statt präventiv zu handeln, denn ein problematischer Cannabiskonsum ist nur Symptom weiterer Probleme. Das Strafrecht ist über Jahre hinweg einen Beweis schuldig geblieben, den Konsum von Cannabis zu reduzieren.
Es müssen neue Wege eingeschlagen werden:
1. Bislang wird der Cannabiskonsum ordnungspolitisch über- und gesundheitspolitisch unterbewertet. Dieses Missverhältnis äußert sich nicht zuletzt in einer unsachgemäßen Verteilung von Steuermitteln auf einerseits den Bereich der Repression, andererseits die Maßnahmen und Angebote von Prävention und Therapie. Es ist erforderlich, dass die politischen Prioritäten künftig den realen Risiken und Problemen entsprechen.
2. Der Konsum von Cannabis birgt, gerade für Jugendliche mit hoher Konsumfrequenz, erhebliche gesundheitliche Risiken. Hier ensteht mehrfacher Handlungsbedarf: Prävention muss - auch speziell auf das Rauschmittel Cannabis bezogen - kontinuierlich und flächendeckend die Zielgruppe der Jugendlichen erreichen. Beratung und Therapie können nur bedingt auf nordamerikanische Untersuchungen zurückgreifen, da diese in einem kaum vergleichbaren gesellschaftspolitischem Umfeld entstehen. Europäische Studien sind dringend erforderlich.
3. Das gegenwärtige Strafrecht ist den Beweis seiner Konsum begrenzenden Effektivität über Jahrzehnte schuldig geblieben. Vielmehr führt die massive Ahndung von Delikten im Umfeld des reinen Konsums zur sozialen Ausgrenzung eines ständig steigenden Anteils junger Menschen in Deutschland insbesondere über den Verlust von Arbeitsplatz und Führerschein. Besitz und Anbau von Cannabis zum ausschließlichen Eigenkonsum dürfen nicht länger Biografien gefährden. Die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 1994 und 2002 sind unverzüglich umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Bonde