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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Georg S. •

Warum gibt es bislang keinen Untersuchungsausschuss zur Korruption im Bundestag durch Aserbaidschan?

Bundestagsabgeordneter Frank Schwabe nannte die Korruption durch Aserbaidschan als den „parlamentarisch größten Skandal seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland“. Haypress-Recherchen zeigen, dass über 2 Dutzend ehemalige und aktive Abgeordnete – aller Parteien – involviert sind. (https://twitter.com/HAYPRESS_news/status/1567916591903375367).

Geheime Dokumente, die VICE einsehen konnte, belegen die jahrelangen Anstrengungen Bakus, in Berlin Unterstützer für Aserbaidschans Vorhaben zu gewinnen, die bis 2023 jahrhundertelang armenisch bewohnte Region Bergkarabach zurückzuerobern (tinyurl.com/ygpqrbre). Die Region wurde nach Bakus Angriff ethnisch gesäubert. Die angestammte indigene armenische Bevölkerung – über 100.000 Menschen – mussten fliehen, eine de-facto Demokratie wurde aufgelöst. Deutsche Politiker waren, wie aufgezeigt, durch Korruption direkt oder indirekt daran beteiligt.

Daher die Frage: Warum unterbleibt ein Untersuchungsausschuss zur lückenlosen Aufklärung?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich teile die Auffassung meines Kollegen Frank Schwabe, dass es sich hier um einen gravierenden Skandal handelt, der dringend schonungslos aufgeklärt werden muss. Strafbewährte Sachverhalte müssen rechtlich untersucht und dementsprechend behandelt werden. Ich halte nur einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht für ein geeignetes Instrument – gerade weil ich selbst auch schon Mitglied in einigen Untersuchungsausschüssen war und mich daher mit ihren Möglichkeiten und Grenzen sehr gut auskenne. Ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht und kann keine strafrechtlich relevanten Ermittlungen durchführen, sondern lediglich Zeugen anhören sowie Akteneinsicht anfordern, dies muss allerdings im Rahmen eines eng beschriebenen Untersuchungsgegenstandes im Rahmen des verfassungsgemäßen Auftrages des Bundestages geschehen. In der Regel betrachtet ein Untersuchungsauschuss abgeschlossene Vorgänge der Exekutive. Die Arbeit eines Untersuchungsausschusses unterscheidet sich stark von einem gerichtlichen Verfahren und darf nicht mit diesem verwechselt werden. Die Planung der Ausschussarbeit, die Auswahl und Befragung von Personen und insbesondere die abschließende Beurteilung des zur Debatte stehenden Sachverhalts folgen wesentlich politischen Kriterien und sind wie die Arbeit des Parlamentes von der Logik des Parteienwettbewerbs geprägt. Auch unterschiedliche Rollen und Perspektiven wie zum Beispiel von Regierungsmehrheit und Opposition bleiben somit erhalten.

Am ehesten ist bei Regelverstößen gegen die Geschäftsordnung des Bundestages das Bundestagspräsidium zuständig, das ja auch bereits im Rahmen der Aserbaidschan-Affäre entsprechende Strafen verhängt hat.

Jede Art von politischer Vorteilsnahme und allein schon der Anschein schadet dem Vertrauen von Bürger*innen in unsere parlamentarische Demokratie massiv. 

Wir Grüne setzen uns seit Jahren für mehr Transparenz beim Thema Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse ein und dafür, dass die strafrechtliche Verfolgung von illegitimer Einflussnahme und Abgeordnetenkorruption verschärft wird. 

In den letzten Monaten konnten wir einerseits für mehr Transparenz bei der politischen Interessenvertretung sorgen, indem wir das Lobbyregister deutlich verschärft haben. Und andererseits konnten wir mit einer Verschärfung und Ergänzung des Paragrafen 108e Strafgesetzbuch (StGB) bisherige Schlupflöcher in der strafrechtlichen Verfolgung von Abgeordnetenkorruption schließen. Letzteres ist auch zentral, um Korruption wie im Fall der sogenannten Aserbaidschan-Affäre strafrechtlich konsequent zu verfolgen.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat im Dezember 2023 nach langen und aufwändigen Ermittlungen Anklage gegen Kernbeteiligte in der sogenannten Aserbaidschan-Affäre erhoben. 

Es ist für unsere Demokratie und das Wohl unserer Gesellschaft elementar, dass Abgeordnete ihre Entscheidungen unabhängig und gut informiert treffen. Dafür ist auch der Austausch mit Vertreter*innen unterschiedlicher Gruppen und Interessen wichtig. Aber dieser Austausch muss regelgeleitet und transparent geschehen. Es ist wichtig, dass politische Entscheidungen für alle nachvollziehbar sind. Menschen sollen also wissen können, wer Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Wir Grüne setzen uns deshalb seit Jahren dafür ein, dass Lobbyismus transparenter wird und haben im Oktober 2023 mit einer Verschärfung des Lobbyregistergesetzes umfangreiche Maßnahmen dafür auf den Weg gebracht. Beispielsweise sind nun deutlich mehr Interessenvertreter*innen registrierungspflichtig. Die Möglichkeit, Angaben zu verweigern, wurde abgeschafft. Und in Zukunft muss nun auch offengelegt werden, auf welchen konkreten Gegenstand, d.h. welches Gesetzesvorhaben, sich eine Interessenvertretung bezieht. Das sind deutliche Transparenzgewinne, die auch dem Misstrauen in politische Institutionen entgegenwirken.

Wichtig ist: Einflussnahme auf politische Entscheidungen muss nicht nur transparent sein und Regeln befolgen, sie hat auch klare Grenzen: Korruption von Abgeordneten wird strafrechtlich verfolgt. In der Vergangenheit hat sich allerdings gezeigt, dass die bisherige Rechtslage ein stumpfes Schwert war, da der strafrechtliche Tatbestand zu eng formuliert war. 

Deswegen haben wir Grünen lange auf eine Reform der Strafvorschriften zur Abgeordnetenkorruption hingewirkt. Eine solche Reform hat der Bundestag am 25. April 2024 nun endlich beschlossen.

In Zukunft wird jede unzulässige Interessenvertretung durch Mandatsträger*innen unter Strafe gestellt werden. Bislang hat sich nur strafbar gemacht, wer sich für die unmittelbare Mandatswahrnehmung bezahlen ließ, etwa für eine Rede im Plenum oder die Abstimmung in einem Ausschuss. Erfasst waren also nur die schwersten Formen der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträger*innen. Diese eng gefasste Strafbarkeit war nicht nachvollziehbar, denn auch korrupte Verhaltensweisen über die unmittelbare Mandatsausübung hinaus stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit der Politiker*innen und sind deshalb strafwürdig. Zukünftig wird es einen weiteren Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung in Paragraf 108f StGB geben, der neben den schon bestehenden Paragrafen 108e StGB tritt. Damit drohen künftig bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe, wenn Abgeordnete das Prestige ihres Mandats ausnutzen, um gegen Bezahlung zugunsten Dritter Einfluss zu nehmen, etwa auf Bundesministerien.

Mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Brugger

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