Sehr geehrte Frau Brugger, wieso liefert Deutschland derart wenig Waffen für die Verteidigung der Ukraine? Australien schafft es früher Bushmaster Truppentransporter einzufliegen (!) als DE
Sehr geehrter Herr B.
vielen Dank für Ihre Frage. Auch mehrere Monate nach dem 24. Februar, der als düsterer Tag in unsere europäische Geschichte eingegangen ist, sind nach wie vor sehr viele Menschen in unserem Land erschüttert und fühlen mit den Menschen in der Ukraine, die unter dem ungerechtfertigten, unprovozierten und völkerrechtswidrigen Krieg Russlands und auch der brutalen Gewalt leiden.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich seit Februar für umfassende, schnelle Waffenlieferungen auf allen Ebenen einsetze und die Auffassung vertrete, dass wir immer noch mehr tun müssen, um die Menschen in der Ukraine bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung und in ihrem Widerstand zu unterstützen. In diesem Sinne habe ich mich federführend für die grüne Bundestagsfraktion bei den Verhandlungen beider interfraktioneller Beschlüsse, die von den Ampelfraktionen und der Union beschlossen wurden und die den Weg für Lieferung von Waffen und schweren Waffen ausdrücklich fordern, mit Nachdruck eingesetzt.
Hier finden Sie beide Beschlüsse:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/008/2000846.pdf
https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001550.pdf
So richtig die diplomatischen Bemühungen, die Sanktionsdrohungen und die verhängten Sanktionen inklusive ihrer kontinuierlichen Verschärfung vor und nach dem 24. Februar waren und bleiben, so müssen wir leider feststellen, dass sie weder den brutalen Einmarsch verhindern konnten noch ein Ende der Gewalt erreicht haben. Im Gegenteil hat der Kriegsverbrecher Wladimir Putin bis heute zu keinem Zeitpunkt ein Interesse an Verhandlungen gezeigt und auch getroffene Zusagen nicht eingehalten, sondern er opfert Tausende von russischen Soldaten, das Ansehen seines Landes, die Sicherheitsinteressen Russlands seinem kolonial-imperialistischen Vernichtungskrieg. Wenn wir die grausamen Kriegsverbrechen und extremsten Menschenrechtsverletzungen sehen, die in den von Russland besetzten Gebieten begangen worden sind oder die innenpolitische Situation in Russland betrachten, teile ich in keinster Weise die Auffassung, dass Waffenlieferungen das Leid der Menschen in der Ukraine verlängern und eine Kapitulation die weniger grausame Antwort wäre. So sehr ich den Wunsch nach einem Ende dieser furchtbaren Gewalt teile und nachvollziehen kann, so sehr muss man der Realität ins Auge blicken, dass da, wo Wladimir Putin herrscht, es kein Ende von Gewalt gibt. Das einzige, was bisher unmittelbar zur Befreiung besetzter Gebiete beigetragen hat, war und ist der entschiedene Widerstand der Menschen in der Ukraine. Zugleich ist auch die militärische Unterstützung überhaupt erst eine Voraussetzung für echte Verhandlungen. Denn wenn Russland den Krieg gewinnen sollte, wird es keine politische Lösung geben, sondern im besten Falle einen gefährlichen Diktatfrieden. Gleichzeitig steigt in einem solchen Fall auch die Bedrohung für Deutschland, die NATO und besonders für unsere mittel- und osteuropäischen Freund*innen für die Zukunft immens. Nicht zuletzt würde ein Nichthandeln und ein Sieg der russischen Truppen auch die Botschaft an andere aggressive Autokraten in die Welt senden, dass ein solcher Kurs ungeahndet bleibt, man mit den abstrusesten Begründungen und ideologischen Interessen einfach so den militärisch schwächeren Nachbarn überfallen kann und die Charta der Vereinten Nationen nicht das Papier wert ist, auf dem sie steht. Die Menschen in der Ukraine kämpfen damit nicht nur für ihr Land, ihr Leben und ihre Familien, sondern auch für unsere gemeinsamen Werte von Demokratie, Menschenrechten und Freiheit sowie die Vorstellung, dass wir die Konflikte dieser Welt mit der Stärke des Rechtes und nicht mit dem Recht des Stärkeren austragen müssen. Sie verteidigen auch unsere Sicherheit.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund des brutalen Kriegsgeschehens gibt es für mich kein „Genug getan“.
Die Lieferung von tödlichen Waffen ist zugleich nie eine einfache Entscheidung. Ich habe auch in meiner Bundestagsrede zum gemeinsamen Antrag der Ampel-Fraktionen und der Union zur Unterstützung der Ukraine aber sehr deutlich gemacht, warum ich auch die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine für notwendig halte: https://www.agnieszka-brugger.de/hauptmenue/aktuelles/aktuelles/datum/2022/04/29/rede-im-bundestag-zur-unterstuetzung-fuer-die-ukraine/.
Warum ich persönlich die Lieferung von Waffen und ein Sondervermögen für richtig halte, habe ich zudem in einem langen Twitterthread erklärt: https://twitter.com/agnieszka_mdb/status/1533693556635967488.
Die Bundesregierung veröffentlicht mittlerweile fortlaufend und aktualisiert ihre Unterstützungsleistungen im militärischen Bereich, die entsprechende Liste finden Sie hier: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514.
Die Bundesrepublik leistet damit einen wichtigen Beitrag und steht mit dem Gesamtumfang der Lieferungen und insbesondere mit der Ausbildung und Lieferung der Panzerhaubitze 2000, der Panzerabwehrwaffen, der Entscheidung für die Lieferung des Raketenwerfers MARS inklusive Munition, 30 Flakpanzer GEPARD (inklusive der aktuellen Lösung für den Munitionsnachschub), des Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM und des Artillerieortungsradars COBRA im internationalen Vergleich nicht als schwacher Partner dar.
Da Sie die Systeme explizit angesprochen haben: Auch die Lieferung von 54 M113 gepanzerten Truppentransportern mit Bewaffnung befindet sich aktuell in der Durchführung. Dabei handelt es sich um Transporter aus Dänemark, deren Umrüstung durch Deutschland finanziert wurde.
Natürlich hat die Ukraine insbesondere aufgrund der heftigen und extrem verlustreichen Kämpfe keinen Tag zu verlieren. Und so schwer es manchmal emotional auszuhalten ist und so sehr in vielen Bereichen und in den verschiedenen Ministerien mit Hochdruck gearbeitet wird, die Instandsetzung, Produktion, Ausbildung, Lieferung und auch die Organisation von Ersatzteilen, Wartung und Munitionsnachschub dauert leider in einigen Fällen ihre entsprechende Zeit. Umso mehr dürfen wir nicht nachlassen und müssen jetzt weitere Entscheidung auf den Weg bringen, denn die Ukraine braucht besonders in den Bereichen Artillerie, Luftverteidigung, geschützter Transport nach wie vor dringend mehr Unterstützung und dafür werde ich mich auch weiterhin mit aller Kraft einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Brugger