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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter Z. •

Frage an Agnieszka Brugger von Peter Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Welche Technologie im Bereich Automobil ist tatsächlich CO2-neutral und soll vorangetrieben werden? Oder gibt es alternativ dazu andere Lösungsvorschläge? Was muss dringend als erstes nach der Bundestagswahl umgesetzt werden?
Krieg und Verfolgung sind bisher schon Gründe für Menschenwanderungen. Zukünftig könnten Klimaveränderungen ebenfalls Menschen veranlassen sich auf den Weg nach Europa zu machen. Wie soll Europa mit dieser Situation umgehen?
Corona beschäftigt uns bereits seit fast zwei Jahren. Die 4. Corona-Welle nimmt gerade Fahrt auf. Sollen in allen Schulen und Kindertagesstätten Luftreiniger eingebaut werden? Wenn nein, wieso nicht bei jungen Menschen, die bislang nicht geimpft werde können? Wenn ja, wann und warum so spät?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Z.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihren guten Fragen, die ich sehr gerne beantworten möchte.

Zu Ihrer ersten Frage: Wenn wir die Versprechen des Klimaabkommens von Paris einhalten wollen, müssen wir endlich auch die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor senken. E-Autos haben keinen Verbrennungsmotor und stoßen deshalb beim Fahren keine CO2-Emissionen aus. Zugleich muss auch weiter an einem noch besseren Umweltvorteil gearbeitet werden, damit im Bereich der E-Mobilität weniger Energie im Bereich der Akkuproduktion verbraucht, Wiederverwertungen zum Standard und die Abbaubedingung von Rohstoffen verbessert werden. Als Grüne thematisieren wir diese Abbaubedingungen, die Arbeitsbedingungen und auch die dringende Frage des Recyclings von Batterien mit Blick auf die E-Mobilität seit jeher mit und fordern hier deutliche Verbesserungen. Allerdings gehört zur Vollständigkeit halber: Ob bei der Stromerzeugung oder der Fortbewegung, jede Form der Energieerzeugung hat ihre jeweiligen Vor- und Nachteile. Weiter auf die Verbrennung fossiler Rohstoffe zu setzen, ist kein Weg, der mit dem dringend notwendigen Klimaschutz vereinbar ist und nicht nur für uns Grüne überwiegen die Vorteile hier im Bereich der Mobilität. Aber auch die E-Mobilität ist abhängig von ihrer Ausgestaltung mehr oder weniger nachhaltig, und deshalb kommt es auch hier darauf an, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, um bei der Herstellung auf eine innovative Kreislaufwirtschaft und bei ihrer Nutzung auf Erneuerbare Energien zu setzen.

In unserem Wahlprogramm schlagen wir daher vor, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden, das schafft zugleich Planbarkeit für die Industrie. Dabei sind wir technologieoffen, auch wenn nach Analyse vieler Expert*innen die E-Mobilität in der Zukunft einen wichtigen Stellenwert einnehmen wird. Wir setzen aber in unseren Vorschlägen für eine nachhaltige Mobilität nicht nur auf E-Mobilität, sondern auch auf intelligente Konzepte, die Fuß, Rad, öffentlichen und privaten Verkehr miteinander vernetzen. Es soll also nicht jeder PKW mit Verbrennungsmotor einfach durch ein E-Auto ersetzt werden.

Unsere Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck haben vor Kurzem ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorgestellt. Dort nennen sie die dringendsten Maßnahmen für die Mobilitätswende, die nach der Bundestagswahl umgesetzt werden müssen, darunter bessere Rahmenbedingungen für E-Mobilität und konsequenter Ausbau der Ladeinfrastruktur, Erleichterung der Mobilitätswende in Städten und Gemeinden, beispielsweise durch leichtere Einrichtung von Fahrradstraßen, neue Priorisierung der Finanzmittel für den Verkehrssektor und mehr Investitionen für Bahn, ÖPNV und Rad sowie einfachere Verfahren und mehr Verantwortung des Bundestags bei Infrastrukturprojekten und ein Sicherheitstempo von 130 km/h auf den Autobahnen. Mehr Details zum Klimaschutzsofortprogramm finden Sie hier: https://www.gruene.de/artikel/klimaschutz-sofortprogramm.

Ende 2020 waren mehr als 82 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Menschenrechtsverbrechen oder den Folgen der Klimakrise. Hinter diesen dramatischen Zahlen verbergen sich so viele furchtbare Einzelschicksale, so viel Leid und so viel Verlust. Ich bin den vielen engagierten Menschen, die sich für eine humane Flüchtlingspolitik einsetzen, zutiefst dankbar. In einer hochvernetzten Welt sollten wir mit unserem Handeln dazu beitragen, Fluchtgründe zu verringern. Denn unser Verhalten in Europa, gerade mit Blick auf die Klimakrise, hat auch Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen in anderen Weltregionen. Zudem müssen wir die internationalen Fonds für Klimaanpassung besser ausstatten und eine engagierte Klimaaußenpolitik voranbringen. Auch zivile Krisenprävention, Entwicklungszusammenarbeit, faire Handelspolitik und eine wirklich strikte Kontrolle deutscher Rüstungsexporte tragen dazu bei, dass weniger Menschen vor Kriegen fliehen müssen.

Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender Umweltveränderung ihre Lebensgrundlage verlieren und ihre Heimat verlassen müssen. Insbesondere regionale Ansätze, die den Betroffenen eine selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen und ihnen Aufenthaltsperspektiven schaffen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen haben, um dem Verantwortungsprinzip im Umweltvölkerrecht Rechnung zu tragen und Heimat- und Aufnahmeländer klimabedingter Migration zu unterstützen. Die „Task Force on Displacement“ der Klimarahmenkonvention UNFCCC wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge.

Was Ihre dritte Frage betrifft: Kinder und Jugendliche, Eltern, Lehrer*innen und Betreuer*innen haben zum Schutz aller in den vergangenen 16 Monaten auf extrem viel verzichtet und mit Vorsicht und Umsicht sehr viel geleistet. Wir haben ähnlich wie so viele als Grüne immer wieder in aller Deutlichkeit kritisiert, dass Kinder und Jugendliche, deren Belange eigentlich einen besonders hohen Stellenwert haben sollten, in der Pandemie immer wieder vergessen worden sind oder ihre Interessen und Bedürfnisse hintenan gestellt wurden. Das war auch einer der Gründe, warum wir als Grüne den Gesetzesänderungen des vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im April nicht zustimmen konnten, obwohl wir der festen Überzeugung waren, dass wir angesichts der sehr ernsten Lage natürlich Maßnahmen zur Senkung des damals dramatischen Infektionsgeschehens gebraucht haben. Denn während Schulen und Kitas geschlossen worden sind, hat es nicht einmal eine Testpflicht für den Arbeitsbereich gegeben. Das war und ist weder fair noch klug.

Und es ist schon ein Problem, dass auch über einem Jahr nach Pandemiebeginn noch längst nicht alle Schulen und Kitas mit Luftfiltern ausgestattet sind. Die Grüne Bundestagsfraktion hat bereits im letzten Jahr ein Förderprogramm von 500 Millionen gefordert, um insbesondere finanzschwache Kommunen beim Einbau von Luftfiltern in Schulen und Kitas zu unterstützen. Doch die Bundesregierung hat erst im Juli 2021 ein Förderprogramm beschlossen. Die baden-württembergische Landesregierung hat bereits im Vorjahr Gelder für Luftfilter und CO2-Ampeln bereitgestellt und auch weitere Programme auf den Weg gebracht. Da die Förderprogramme des Bundes und der Länder idealerweise aufeinander abgestimmt sind und einander gut ergänzen sollten, hat die späte Verabschiedung des Bundesprogramms auch zu Verzögerungen beim baden-württembergischen Förderprogramm geführt. Die Förderung der Luftfilter und CO2 – Sensoren zielt vor allem auf Klassenräume der von Ihnen erwähnten Jahrgangsstufen eins bis sechs und Kitas, da diesen Kindern noch kein Impfangebot gemacht werden kann. Um die Kommunen bei der Anschaffung weiter zu unterstützen, wird das baden-württembergische Umweltministerium auch Empfehlungen abgeben, welche Luftfilter sich am besten für Unterrichtsräume eignen.

Ich bin sehr froh, dass inzwischen allen Lehrer*innen, Erzieher*innen, dem gesamten Personal im Kontext von Schule und Kita, den Eltern und auch Kindern ab 12 Jahren ein Impfangebot gemacht werden konnte. Ich hoffe, dass viele diese Möglichkeit nutzen, sich selbst und vor allem die jüngeren Kinder zu schützen, wenn es für sie keine gesundheitlichen Gründe gibt, die eine Impfung unmöglich machen. Damit das Infektionsrisiko für Kinder, Jugendliche, Betreuer*innen und Lehrer*innen besonders bei wieder steigenden Infektionszahlen reduziert wird, muss außerdem weiter auf Abstand, Hygiene und Lüften geachtet werden, ebenso braucht es weiterhin Teststrategien. Zudem ist das RKI jetzt gefordert, einen auf internationalen Studien basierenden Leitfaden zu entwickeln, der den Schulen und Kitas Orientierung gibt, wie ihr Alltag mit Blick auf die Delta-Variante und eventuellen weiteren Virusmutationen möglichst sicher gestaltet werden kann. Aber auch angesichts der aktuellen Zahlen müssen jetzt endlich die Bedürfnisse von Kindern und Jugendliche ins Zentrum gestellt werden. Schul- und Kitaschließungen dürfen wirklich nur im extrem großen Notfall und nur als allerletzte Maßnahme in Betracht gezogen werden, und für alle Kinder, die Zuhause einfach kein sicheres Lernumfeld haben, muss weiterhin die Möglichkeit bestehen, in der Schule betreut lernen zu können. Denn wir sind gefordert, das Recht auf Bildung endlich auch in der Pandemie für alle Kinder und Jugendliche sicherzustellen. Mehr Informationen finden Sie in unserem Impulspapier für eine nationale Bildungsoffensive in Pandemiezeiten: https://www.gruene.de/artikel/kinder-sind-nur-so-stark-wie-ihre-chancen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und vor allem viel Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Brugger

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