Frage an Agnieszka Brugger von Marvin W.
Sehr geehrte Abgeordnete Brugger,
Sie haben bei der Abstimmung zum s.g. Asyl-Gesetzespaket zusammen mit 9 weiteren Abgeordneten* gegen die Asylrechtsverschärfung gestimmt, was ich als sehr begrüßenswert erachte - Ein deutliches Zeichen.
Die große Mehrheit der Grünen hat sich dazu entschieden, sich lediglich zu Enthalten, anstatt dieses deutliche Zeichen zu setzen. Wie bewerten Sie dieses Verhalten und hätten Sie sich ein anderes gewünscht?
Als Abgeordnete aus Baden-Württemberg und Mitglied des Landesvorstandes der Grünen Baden-Württemberg, wie denken Sie über speziell über das Abstimmungsverhältnis ihrer Kolleg*innen aus Baden-Württemberg und wie denken Sie über das Abstimmungsverhältnis der Grün-Roten-Landesregierung im Bundesrat? Sind sie damit einverstanden bzw. zufrieden?
Ich bedanke mich für ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
Marvin Wiegand
Sehr geehrter Herr Wiegand,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die letzten Monate waren bundesweit von Empathie, Aufnahmebereitschaft und viel Improvisation auf allen Seiten geprägt. Doch leider ist es auch vielerorts zu Übergriffen und Ausschreitungen gegenüber den Schutzsuchen und Unterkünften gekommen. Jetzt gilt es jedoch, über die primär auf Nothilfe ausgerichteten Aktivitäten hinaus einen Schritt nach vorne zu gehen und Willkommenskultur in eine Willkommensinfrastruktur münden zu lassen, die insbesondere bei Bildung, Arbeitswelt, Wohnen und gesellschaftlicher Integration und sozialer Teilhabe ansetzt. Wir Grüne haben im Bundestag einen eigenen Entschließungsantrag zum Gesetzesentwurf Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebracht.
Nichtsdestotrotz mussten wir uns natürlich zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung verhalten. Er geht an vielen Stellen aus Grüner Sicht in die falsche Richtung und antwortet auf die aktuellen Herausforderungen vor allem mit restriktiven Maßnahmen, die die Probleme eher verschärfen. So führt die Einführung von Sachleistungen zum Beispiel zu mehr Bürokratie und belastet sowohl die Flüchtlinge als auch die zahlreichen Helferinnen und Helfer noch weiter. Die Grüne Bundestagsfraktion hat daher eine namentliche Abstimmung zu einigen Teilartikeln und dem Gesamtpaket veranlasst. Bei den Einzelabstimmungen über den Gesetzentwurf der Bundesregierung habe ich mit "Ja" für die Unterstützung der Länder und Kommunen und mit "Nein" gegen die härtesten Asylrechtsverschärfungen seit 20 Jahren gestimmt. Damit habe ich mich beispielsweise gegen die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten und gegen die Verpflichtung zum Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen von bis zu 6 Monaten ausgesprochen. Ich möchte betonen, dass es sich hier für mich um eine individuelle Gewissensfrage gehandelt hat, die insbesondere auf einer persönlichen Gewichtung der vielen zu beachtenden Faktoren beruht. Ein Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen hat in der Endabstimmung anders abgestimmt als ich. Auch für Landesregierungen mit grüner Beteiligung im Bundesrat spielten unterschiedliche Beweggründe eine ausschlaggebende Rolle für ihr Abstimmungsverhalten. Eine Ablehnung im Bundesrat hätte bedeutet, dass dringend notwendige Finanzhilfen nicht geflossen wären.
Uns allen ist die Entscheidung nicht einfach gefallen. Doch wir Grüne setzen uns alle für eine menschenrechtsorientierte und humane Flüchtlingspolitik ein und wir sind uns einig, die von Schwarz-Rot erzwungenen Verschärfungen bei veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen wieder rückgängig zu machen.
Freundliche Grüße
Agnieszka Brugger