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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Doris D. •

Frage an Agnieszka Brugger von Doris D. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Brugger,

ich möchte wissen, ob der Export von Software, insbesondere Telekommunikations-Überwachung, Exportbeschränkungen nach den Gesetzen zum Rüstungsexport unterliegt.

Anlass meiner Frage:
In http://farlion.com/archives/278-0zapftis-Nach-DigiTask-jetzt-Syborg-Zweiter-Trojaner-aktiv.html
wird von einem Fall berichtet, nachdem in Deutschland programmierte (und von deutschen Behörden gekaufte - also mitfinanzierte) Software vom Gaddafi-Regime verwendet wurde und anscheinend relativ frei in alle Welt verkauft wird.

Sind Beschränkungen zum Handel mit dieser potentiell gefährlichen Software geplant?

Nicht umsonst unterliegt der Einsatz dieser Software in Deutschland strengsten Richtlinien (die anscheinend leider öfter umgangen werden, aber das ist eine andere Geschichte).

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Diedrich,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ wurde immer wieder berichtet, dass soziale Netzwerke, Blogs und Microbloggingdienste, die auf nicht unerhebliche Weise zur Organisation und Vernetzung der demokratischen Protestbewegung in den arabischen Ländern beigetragen haben, von staatlicher Seite überwacht und mit dem Ziel manipuliert wurden, Oppositionelle zu verfolgen und demokratischen Protest zu unterbinden. Hierbei spielten und spielen insbesondere auch Überwachungstechniken eine Rolle, die auf der Infrastrukturebene direkt Inhalte von Datenströmen durchsuchen, filtern und manipulieren können.

Auch deutsche Unternehmen liefern Technik, die dazu beitragen kann, Kommunikation via Mobilfunk, E-Mail, in sozialen Netzwerken und in Blogs zu manipulierenoder sogar ganz zu unterbinden So berichtete bereits im Juni 2009 die „Süddeutsche Zeitung“ unter dem Titel „Überwachung made in Germany“ über die Verwicklungen deutscher Unternehmen bei der Weitergabe entsprechender Technologien. Die „tageszeitung“ sprach in einem Artikel vom 1. April 2011 sogar vom „Exportschlager Zensur“ und listete einige Unternehmen auf, die entsprechende Mittelzur Störung von Telekommunikationsdiensten oder zur Überwachung und Unterbrechung des Internetverkehrs lieferten.

Aus Sicht der Exportkontrolle, die sich auf die Regulierung des grenzüberschreitenden Austauschs von Waren und Dienstleistungen von sicherheitspolitischer Relevanz konzentriert, handelt es sich dabei um Güter mit doppeltem – d.h. zivilem und militärischem – Verwendungszweck. Sie werden deshalb auch als „Dual-Use-Güter“ bezeichnet. Im Rahmen des internationalen Wassenaar Arrangements ( http://www.wassenaar.org/ ) wird die Liste der sog. Dual-Use-Güter regelmäßig überarbeitet. Diese Liste der Dual-Use-Güter wird dann anschließend in weitere internationale bzw. nationale Listen übernommen. Die „Dual-Use-Güter“ mit militärischer Endverwendung fallen zwar unter die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000, doch die in Deutschland geltenden Güterlisten für die Ausfuhrkontrolle von Dual-Use-Gütern werden hauptsächlich in den Internationalen Exportkontrollregimen verhandelt und beschlossen, deren Umsetzung in unmittelbar geltendes Recht durch die Europäische Union erfolgt.

Das Europäische Parlament hat am 27. September 2011 Änderungen zu den neuen Regeln für die Ausfuhr von „Dual-Use-Gütern“ beschlossen und sich dafür ausgesprochen, die Exportregeln für Überwachungstechnik zu verschärfen. Der Export von Hard- und Software zur Telekommunikationsüberwachung soll künftig nicht mehr allgemein genehmigt werden, wenn sie Menschenrechte, demokratische Prinzipien oder die Redefreiheit verletzen könnten. Das Europäische Parlament soll regelmäßig über das Funktionieren dieses Informationssystems unterrichtet werden. Darüber hinaus fordern die EU-ParlamentarierInnen jährlich einen Bericht, um die Transparenz der Ausfuhrkontrollregelung zu verbessern.

Auch Vertreterinnen und Vertreter der schwarz-gelben Bundesregierung haben immer wieder die Bedeutung von modernen Kommunikationsmedien für demokratische Veränderungen in unserer Welt betont. Doch wie ernst es der Regierung mit diesen wohlklingenden Beteuerung ist, zeigt ein Schreiben der Bundesregierung an die Europäische Kommission vom 27. Oktober 2011: Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ vom 06. November 2011 werden darin bezüglich der Ausfuhr von Dual-Use-Gütern vor allem die Interessen der deutschen Wirtschaft betont. Die Menschenrechte werden in dem 21-seitigen Schreiben hingegen kein einziges Mal erwähnt, obwohl die Bundeskanzlerin und andere VertreterInnen der Bundesregierung öffentlich immer wieder die jüngsten Demokratiebestrebungen gelobt haben. Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands scheinen der schwarz-gelben Bundesregierung wichtiger zu sein als menschenrechtliche Bedenken. Angesichts der jüngsten Erfahrungen ist es aus grüner Sicht absolut notwendig, die Exportrichtlinien bezüglich der Techniken zur Störung von Telekommunikationsdiensten sowie zur Überwachung und Unterbrechung des Internetverkehrs zu überarbeiten und sie angesichts der dramatischen politischen und raschen technologischen Entwicklung einer grundlegenden Überarbeitung zu unterziehen. Dafür werden wir uns auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene einsetzen und uns für neue, einheitliche EU-Regelungen auch für den Bereich der Dual-Use-Güter stark machen.

Deutschland ist zum drittgrößten Exporteur von Rüstungsgütern weltweit geworden – von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik kann heute keine Rede mehr sein. Auf Druck der grünen Bundestagsfraktion wurden im Jahr 2000 die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport deutlich verschärft. Doch gerade angesichts von skandalösen und empörenden Entscheidungen der schwarz-gelben Bundesregierung aus der jüngsten Zeit (z.B. Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien) müssen wir heute erkennen, dass diese politischen Grundsätze keine ausreichende Bindekraft entfaltet haben. Entgegen der eigenen Grundsätze setzen sich im Verfahren viel zu oft wirtschafts- und industriepolitische Interessen und nicht menschenrechtliche Kriterien durch. Obwohl langfristig sicher eine EU-weit einheitliche Rüstungsexportkontrolle das Ziel sein muss, wollen wir Grüne mit einem neuen Rüstungsexportgesetz die Grundlagen für die Rüstungsexportpolitik und ihre Kontrolle in Deutschland neu regeln. Die Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetzesvorhaben hat meine Fraktion kürzlich in einem Beschluss dargelegt, auf den ich Sie abschließend gerne hinweisen möchte: http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/404/404476.ruestungsexporte.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Brugger

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