Frage an Agnieszka Brugger von Michael V. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Agnieszka Malczak,
Sie hatten sich kritisch zu einem Youtube-Werbefilm der Bundeswehr geäußert. Hierbei hatten Sie zum Einen unterstrichen, dass es nicht hinnehmbar sei, wenn die deutsche Armee militärische Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen verherrliche. Zudem lasse die Unterlegung militärischer Mittel mit der Nationalhymne "jede historische Sensibilität“ vermissen.
Hierzu hätte ich folgende Fragen:
1. Halten Sie jene Gewalt, welche amerikanische GIs während des Sturmes auf Hitlers Stellungen im Zuge des D-Day anwandten, für begrüßenswert, empfinden Sie gegenüber diesen gewaltbereiten Soldaten, von denen unzählige im Sturmabwehrfeuer liegen blieben und welche schließlich doch die Stellungen der Wehrmacht einnahmen, Dank für ihre freiheitsbringende Gewaltanwendung?
2. Ich habe als Wehrpflichtiger durch den Staat gelernt, dass unser Mittel als Soldat die Anwendung der Gewalt ist und nach der Lektüre von Carl von Clausewitz "Vom Kriege" kenne ich auch die Gründe, weshalb es eine unsinnige Vorstellung ist, einen Gegner mit anderen Mitteln als entschlossener Gewalt stoppen zu wollen, welcher keine anderen Gesetze kennt als die ihm innewohnende Kraft. Heute als Führungskraft weiß ich, dass man Menschen nur zu Dingen motivieren kann, wenn diese sich mit ihrer Aufgabe auch identifizieren. Wie wollen Sie gefechtstaugliche Soldaten ausbilden, wenn diese sich nicht mit ihrer Aufgabe für den Ernstfall identifizieren sollen, denn diese ist dem Wesen des Soldatenberufes nach nun mal die Bereitschaft zur entschlossenen Gewaltanwendung?
3. Wieso ist die Unterlegung von Gewaltanwendung der Bundeswehr mit der deutschen Nationalhymne nicht statthaft? Steht das deutsche Militär nicht unter dem Primat der Politik und damit des deutschen Staates? Repräsentiert unsere Nationalhymne nicht gerade diesen? Wird damit Bezug und Grenze jener Gewalt nicht verdeutlicht? Und welchen historischen Kontext meinen Sie?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Vöcking
Sehr geehrter Herr Vöcking,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich meiner Kritik am YouTube-Video der Bundesregierung „Die Bundeswehr online“. Meine entsprechende Pressemitteilung vom 17.11.2011 hat eine große Resonanz ausgelöst und viele Menschen haben diese in Blogs und Internetforen lebhaft diskutiert. Dies begrüße ich grundsätzlich. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für und eine intensivere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der deutschen Sicherheitspolitik und mit der Bundeswehr.
Mit Ihren Fragen nach der Legitimität des Einsatzes von Gewalt – zum Beispiel durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg – unterstellen Sie mir, dass ich die Bundeswehr und ihre Aufgaben grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Allerdings lassen meine Äußerungen zum in Rede stehenden YouTube-Video solche Schlussfolgerungen nicht zu, denn um diese Frage ging es überhaupt nicht. Es kann Situationen geben, in denen der Einsatz von Gewalt ein legitimes Mittel ist, allerdings nur unter sehr begrenzten Voraussetzungen. Und selbst dann, wenn der Einsatz von gewaltsamen Mitteln als legitim gelten kann, ist er für mich nie ein Grund zur Freude, denn auch dann können Menschen, ZivilistInnen wie SoldatInnen, getötet oder verwundet werden.
Bilder aus dem Alltag der Soldatinnen und Soldaten und gerade auch aus der Einsatzrealität sind ein wichtiges Instrument, um über die Bundeswehr zu informieren und eine ehrliche, kritische und informierte Diskussion um die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu führen. Die Bilder in einem Video werden aber nicht einfach unbearbeitet wiedergegeben, sondern in einer bestimmten Weise zusammen gestellt. Die Art und Weise, wie etwas dargestellt wird, ist auch eine Aussage. Die äußere Form beeinflusst die inhaltliche Aussage nicht unwesentlich. Dabei entsteht die Aussage eines Videos aus dem Gesamteindruck von Bildern, Bildschnitt und/oder der Musik, die die Bilder untermalt.
Sie hinterfragen besonders meine Kritik an der Untermalung einer Detonation mit der Nationalhymne. Eine Hymne ist eigentlich ein Lob- und Jubelgesang. Die Ausübung von Gewalt – auch wenn ihr Einsatz in einem bestimmten Fall legitim ist, auch wenn er im Auftrag der Volksvertreterinnen und -vertreter erfolgt – ist für mich nie ein Grund zum Jubeln.
Die Schnitte und die musikalische Untermalung des von mir kritisierten Videos "Die Bundeswehr online" knüpfen darüber hinaus an einen aus Computerspielen bekannten Stil an – und dabei handelt es sich um Computerspiele, die Spaß machen sollen und deren wesentliche Inhalte schnelle Action und die Ausübung von virtueller Gewalt sind. Durch die audiovisuelle Anknüpfung wird eine inhaltliche Verbindung zwischen dem Dienst bei der Bundeswehr und diesen Computerspielen hergestellt. Das kritisiere ich und gerade deshalb ist auch die Unterlegung von Teilen des Videos mit der deutschen Nationalhymne völlig unangemessen. Im Computerspiel ist Gefahr virtuell und Gewalt ein Selbstzweck. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aber kämpfen sehr real und nicht zum Spaß. Das Risiko, töten zu müssen, selbst getötet oder verwundet zu werden, ist Teil der Einsatzrealität. Die Ausübung militärischer Gewalt ist mit einem großen Maß an Verantwortung verbunden. Bei Truppenbesuchen in Deutschland und in Afghanistan habe ich viele Soldatinnen und Soldaten gesprochen, die sich der ganzen Bandbreite dieser Verantwortung bewusst sind – auch der Risiken, die damit verbunden sind.
Gerade bei der Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr sollte darauf geachtet werden, dass potentiellen Interessentinnen und Interessenten kein Zerrbild vom Dienst bei der Bundeswehr präsentiert wird, sondern dass die entsprechenden Informationen sachlich, seriös und ehrlich dargestellt werden. Die Machart des von mir kritisierten Videos – vom Sprecher des Verteidigungsministerium als "typischer Youtube-Stil" bezeichnet – erfüllt diese Kriterien für eine angemessen Öffentlichkeitsarbeit meiner Meinung nach aber nicht. Ich bin der Meinung, dass es – gerade auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Anbindung der Bundeswehr – sehr wichtig ist, dass von Seiten der Verantwortlichen eine sachgerechte Außenkommunikation betrieben wird, damit in der Gesellschaft ein wirklich realistisches Bild vom Dienst bei der Bundeswehr entstehen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Brugger