Frage an Agnieszka Brugger von Stefan M. bezüglich Soziale Sicherung
Liebe Frau Agnes Malczak,
ich wende mich an Sie um meinen Frust über die mangelnden Prestige von sozialen Berufen zu klagen. Mag sich langweilig anhören, ist es aber für mich nicht. Ich hab soeben mein Studium der sozialen Arbeit abgeschlossen, werde demnächst meine erste Stelle antreten und werde dort mit lächerlichen 2100 Euro brutto abgespeist (und im Vergleich zu KommilitonInnen von mir ist das noch ein guter Lohn!). Natürlich bei einer 100%-Anstellung, Schicht. Teilweise hab ich da während dem Studium als Aushilfskraft auf dem Bau mehr verdient.
Ich habe ein fundiertes, 3 1/2 jähriges Studium abgeschlossen mit Schwerpunkten auf Recht, Gesundheit und Methodenkentnissen. Und das soll der Lohn dafür sein, das, was der Gesellschaft die Arbeit mit Kindern, Menschen die eine sogenannte Behinderung haben, Stadtteilarbeit etc. wert ist? Dafür sollen SozialarbeiterInnen/pädagogInnen sich tagtäglich mit Substanzabhänigen, mit gewaltbereiten Kindern und Jugendlichen, als Bewährungshilfe, in der Schule, im Arbeitsamt, in der Sozialraumplanung, im ASD abschufften? Nicht dass die Arbeit keine schöne wäre, aber zum Einen möchte ich mit meinem Verdienst die Möglichkeit haben eine Familie zu gründen, zum Anderen sehe ich den Verdienst auch als Anerkennung für meine Arbeit. Und beides ist hier in Deutschland nicht der Fall.
Nun bleiben mir zwei Möglichkeiten: Entweder ins Ausland gehen, dort ist der Beruf anerkannt und wird dementsprechend besser entlohnt (die Schweiz sowie Großbritannien werben fleißig in Deutschland ab, in diesem Falle, danke für die Ausbildung Deutschland) oder den Beruf aufgeben und noch etwas anderes studieren. Eine langfristige Zukunft für die sozialen Berufe sehe ich hier in Deutschland jedenfalls nicht.
Nun meine Fragen:
- Wie stehen Sie persönlich bzw. Ihre Partei zu den Verdiensten im sozialen Sektor?
- Was wollen Sie/Ihre Partei gerne machen um die Schieflage zu korrigieren
- Wollen/Können Sie diese Probleme konkret auf Ihre Agenda setzen?
Danke
Sehr geehrter Herr Meier,
zunächst darf ich Ihnen sehr herzlich zum erfolgreichen Abschluss Ihres Studiums gratulieren und Ihnen bei dieser Gelegenheit sowohl für Ihren beruflichen als auch für Ihren privaten Lebensweg alles Gute wünschen!
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie eine gesellschaftliche Anerkennung der Leistungen von Menschen in sozialen Berufen einfordern, die sich auch in einer angemessenen Bezahlung und attraktiven Arbeitsbedingungen widerspiegelt.
Soziale Berufe sind für mich von hohem Wert für die Gesellschaft. Die Arbeit, die hier tagtäglich geleistet wird, ist für das soziale Miteinander in unserer Gesellschaft unentbehrlich. Eine gute soziale Infrastruktur, so wie ich sie mir wünsche, erfordert eine angemessene Bezahlung für gute soziale Arbeit. Sie erfordert aber auch eine Verbesserung der derzeitigen Arbeitsbedingungen und verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten für die Ausbildung. Es geht darum, den unverzichtbaren Wert von sozialen Berufen für die gesellschaftliche Teilhabe aller, auch der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen, sowie für die gesellschaftliche Solidarität und den sozialen Frieden ernst zu nehmen. Für uns Grüne ist klar, dass die Devise „Beruf: sozial – Bezahlung: fatal“, die heute leider vielfach Realität ist, nicht länger gelten darf!
Meiner Meinung nach ist dieses Thema übrigens auch eng mit der Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt verknüpft: Es ist kein Zufall, dass gerade in sozialen Berufen die Löhne oft unter dem Durchschnitt liegen, viele Arbeitsverhältnisse auf Teilzeit begrenzt und die Aufstiegsmöglichkeiten gering sind, wo sie doch in vielen Köpfen immer noch als „typische Frauenberufe“ gelten.
Wir können es uns nicht leisten, die Menschen, die verantwortungsvolle Aufgaben in sozialen, erziehenden und pflegerischen Berufen übernehmen, schlecht zu bezahlen. Um hier wirksam gegenzusteuern, halte ich es für wichtig, existenzsichernde Mindestlöhne einzuführen u nd die Gewerkschaften in ihrem Kampf um eine bessere Entlohnung und bessere Lebens-und Arbeitsverhältnisse zu unterstützen. Insgesamt muss es gelingen, soziale Berufe gesellschaftlich aufzuwerten. Ich unterstütze deshalb die Kampagne „Chancen fördern – Anerkennung fordern“ (www.chancen-foerdern.de) der Gewerkschaft ver.di.
Weil ich Ihr Anliegen sehr ernst nehme und es auch als wichtige Anregung für meine politische Arbeit begreife, werde ich mich in nächster Zeit um einen Besuch im „Institut für soziale Berufe Ravensburg“ bemühen, um mich vor Ort über den politischen Handlungsbedarf näher zu informieren. Sollten Sie Interesse daran haben, mich bei einem solchen Besuchstermin zu begleiten, sind Sie herzlich eingeladen, diesbezüglich mit meinem Wahlkreisbüro Kontakt aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Malczak