Mietendeckel für Baden-Württemberg
Das Abgeordnetenhaus im Bundesland Berlin hat ein Gesetz zur Mietenbegrenzung erlassen, dass aus unserer Sicht in vielen Aspekten wegweisend auch für Baden-Württemberg ist. Das Land Berlin macht dabei von seiner Gesetzgebungskompetenz über das Wohnungswesen Gebrauch, die seit der Föderalismusreform 2006 den Bundesländern zugeordnet ist.
Der Kern eines Mietendeckels ist folgendes: Mieterhöhungen werden zunächst zeitlich befristet gesetzlich unterbunden. Mietobergrenzen werden erarbeitet und festgesetzt. Und schließlich werden Mieten, die oberhalb dieser Obergrenzen liegen abgesenkt.
Warum solche Maßnahme auch in Baden-Württemberg notwendig sind, zeigen Statistiken zur Wohnkostenbelastung das Statistischen Bundesamtes, des Landesamtes, Ergebungen einzelner Kommunen und kommerzieller Wohnungsvermittlungsportale. Im landesweiten Durchschnitt geben die Menschen in Baden-Württemberg 27,1 %1 (2018) ihres Einkommens für das Wohnen aus, also fast 30%, was in der sozialpolitischen Debatte als die Schwelle der Wohnkostenüberlastung gilt, also als der Punkt ab dem andere Lebensbereiche durch die hohen Ausgaben für das Wohnen zu leiden beginnen. Doch der Durchschnitt allein sagt aber noch nicht viel aus…
Wesentlich ist, dass gerade Haushalte mit geringen Einkommen, z.B. Rentner*innen, Alleinerziehende, Familien mit Kindern, Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten oft noch einen viel höheren Anteil ihres Monatseinkommens für die Miete ausgeben müssen.
Die Angebotsmieten in der Landeshauptstadt Stuttgart liegen im Median bei knapp 15,00 kalt pro Quadratmeter. Das macht bei einer Wohnung bescheidener Größe (sagen wir 65 m²) schon 975 Euro Grundmiete aus. Ein Zwei-Personen- Haushalt aus einer Rentnerin und einem Rentner, die die durchschnittlichen Nettozahlbeträge der Altersrente in Baden-Württemberg erhalten (1.916 Euro im Monat) hätten bei so einer Wohnung schon eine Belastung von 50% nur für die Kaltmiete. (Nebenkosten und Energie kommen wohl gemerkt noch oben drauf.)
Das gleiche gilt für die vielen Menschen, die in den wichtigen, oft harten, aber viel zu schlecht bezahlten Berufen arbeiten: z.B. als Reinigungskräfte, im Einzelhandel, in der Altenpflege u.v.a. Nehmen wir die Altenpflege als weiteres Beispiel. Eine Altenpflegehelferin im städtischen Altenpflegebetrieb der Landeshauptstadt. Sie wird bezahlt nach TVöD Pflegeentgeltgruppe 6. Sie arbeitet 80% (was allgemein üblich ist, denn mehr schafft man bei dem anstrengenden Job nicht dauerhaft). Sie kommt im Monat auf Netto 1.450 Euro. Eine Wohnungsanzeige der städtischen Wohnbaugesellschaft, SWSG, für eine 2-Zimmer-Wohnung, die mir vorhin in die Hände gefallen ist, bot eine Zweizimmer-Wohnung mit 50m² für 650 Euro an. Auch diese Altenpflegehelferin würde also zwischen 45 und 50% ihres Monatsnettolohns für das Wohnen ausgeben.
Im Gespräch mit Auszubildenden in der Altenpflege hört man immer wieder, dass die Perspektive sich die Miete in Stuttgart nicht finanzieren zu können extrem demotivierend wirkt. Viele brechen entsprechend die Ausbildung wieder ab. Hierbei zeigt sich wie eng die Wohnungsfrage mit anderen gesellschaftlichen Problemen verbunden ist. Ohne die zu hohen Mieten in den Griff zu bekommen wird es auch schwierig werden, mit dem Personamlamngel in den sozialen Berufen fertig zu werden.
Bedeutsam ist, das inzwischen auch außerhalb der Uni-Städte erhebliche Mietsteigerungen zu beobachten sind, wie in der Bodenseeregion mit 15% Steigerung, im Ostalbkreis mit 13%, wie das Portal immonet berichtet. Während die Steigerungsraten in den Ballungszentren bei den Angebotsmieten langsam eine Art Sättigungsniveau erreicht zu haben scheinen (mehr geht nicht mehr), ziehen gerade im Stuttgarter Umland jetzt die Mietpreise verstärkt nach. Inzwischen sind ja auch hochoffiziell in der Kappungsgrenzenverordnung des Landes BW 89 Gemeinden als angespannte Wohnungsmärkte aufgeführt.
Wir brauchen also Maßnahmen, die über eine reine Dämpfung der Mieterhöhungsspirale hinausgehen und einen Richtungswechsel zu einer Senkung der Mieten herbeiführen. Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Regulierung des Wohnens. Eines der Ziele und Herausforderungen für die LINKE in Baden-Württemberg ist es deshalb, einen „Mietendeckel“ auch in Baden-Württemberg durchzusetzen und diese Gesetzgebungen vom Stadtstaat Berlin auf Flächenstaaten wie BW zu übertragen.
Hier wird es auf dem Weg einige praktische Fragen zu lösen geben: wo gilt der Mietendeckel? Z.B. in Gebieten mit Angespanntem Wohnungsmarkt? Wie werden Mietobergrenzen festgelegt? Orientieren wir uns an vergangenen Mietspiegeln wie in Berlin, oder finden wir noch weitergehende Formen, wie eine Orientierung an der Kostenmiete? Oder wie verhindern wir, dass Kleinvermieter*innen negativ betroffen sind? e.t.c.
Noch viel wichtiger wird aber etwas anderes sein: Die Durchsetzung eines Mietendeckels wird vor allem deshalb kein leichtes Unterfangen sein, weil der Widerstand der Eigentümer großer Wohnungsbestände und der Immobilienbranche massiv sein wird. Denn diese Gruppen realisieren große Profite mit der Miete.
Wir LINKE wollen die Kampagne zur Landtagswahl nutzen, um die Möglichkeiten und Chance eines Mietendeckels im Südwesten aufzuzeigen. Wir wollen der allgemein verbreiteten Empörung darüber, dass mit dem Menschenrecht auf Wohnen Profit gemacht wird und die Erwartung nach politischer, öffentlich-rechtlicher Regulierung des Wohnungsmark, einen konkreten politischen und umsetzbaren Ausdruck geben. Und was wäre da besser geeignet als der Mietendeckel, dessen Symbolik sich von selbst versteht und so ungemein eingängig ist.
Wir wollen in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen, um als linke Opposition Druck für den Schutz der Mieterinnen und Mieter zu machen und einen Mietendeckel durchzusetzen. Trotz aller parlamentarischer Ambitionen werden wir dabei nicht aus den Augen verlieren, dass es vor allem eines braucht, um soziale Forderungen nach der Regulierung des Wohnungsmarktes durchzusetzen: eine immer weiter wachsende und an Selbstbewusstsein stärker werdende Mietenbewegung, als deren Bestandteil sich auch die Partei DIE LINKE versteht.
Mehr Personal und höhere Löhne in Pflege & Gesundheit
Eine der ersten Konsequenzen aus der Pandemie muss sein, dass Privatisierung, Gewinnerzielung, Sparpolitik und Personalmangel zur Kostenoptimierung im Gesundheitswesen nichts mehr zu suchen haben dürfen.
In den letzten 20 Jahren wurden in Deutschland (insbesondere im ländlichen Raum) über 400 Krankenhäuser geschlossen – 56 davon in Baden-Württemberg – und fast 100.000 Betten wurden eingespart. Gewachsen ist hingegen der Anteil der privaten, gewinnorientierten Krankenhäuser, die wie der Fresenius-Helios-Konzern 2019 über 670 Millionen Gewinn gemacht hat. Ein gut ausgebautes, flächendeckendes und öffentliches Gesundheitssystem ist das A und O. Je mehr Personalreserven das Gesundheitssystem hat in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Gesundheitsämtern, desto eher können steigende Fallzahlen einer Infektionskrankheit wie Corona abgefangen werden, ohne dass Engpässe mit tragischen Konsequenzen entstehen.
Doch leider gehen seit Jahren die staatlichen Investitionen in die Krankenhäuser zurück. Das Land Baden-Württemberg spielt in diesem Zusammenhang keine viel rühmlichere Rolle: Die Bundesländer sollen eigentlich die Investitionskosten der Krankenhäuser übernehmen – das heißt Gelder für Bauvorhaben, für Renovierungen, für eine Erneuerung der EDV-Ausstattung in Krankenhäusern und Ähnliches. Doch nach wie vor übernimmt das Land Baden-Württemberg nur etwa die Hälfte dieser Investitionskosten. Die Folge der Sparpolitik bei den Landesmitteln ist jedenfalls, dass Gelder aus dem Krankenhausbudget für Baumaßnahmen abgezweigt werden müssen, die eigentlich für eine gute Personalausstattung da sein sollten. In der Konsequenz wird der Personalmanagel angeheizt und ein Investitionsstau entsteht. Baden-Württemberg ist das Schlusslicht unter den Westdeutschen Flächenländern, was den Investitionsanteil ins Gesundheitssystem angeht. Das muss jetzt endlich geändert werden. Statt ca. 500 Millionen im Jahr müssten mindesten doppelt so viel Landesgelder in die Krankenhäuser investiert werden, um ausreichend und gut ausgestattete Krankenhäuser mit genügend Personal zu haben.
Der Sinkflug der Investitionsfinanzierung im Gesundheitssystem durch die Länder begann übrigens 1996 mit der Abschaffung der Vermögenssteuer, wodurch den Landeshaushalten eine wichtige Einnahmequelle verloren ging, die dann durchs Sparen im Krankenhaus ausgeglichen wurde. Insofern ist es absurd, dass sich Politiker wie der grüne Ministerpräsident Kretschmann bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Wiedereinführung dieser wichtigen Reichensteuer stellt.
Hinzu kommt, dass auch das Budget der Krankenhäuser für den laufenden Betrieb über ein irrsinniges Finanzierungssystem verteilt wird. Krankenhäuser bekommen ihre staatlichen Gelder nicht nach ihrem realen Bedarf zugeteilt, sondern als knapp bemessene Pauschalbeträge, sogenannte Fallpauschalen. Wer mit den Pauschalbeträgen nicht zurecht kommen, muss eben an anderer Stelle sparen – und man darf raten wo – am Personal. Privatkliniken wiederum, die sich auf spezielle Fälle spezialisieren und nicht nach Tarif zahlen, können auf der anderen Seite im Fallpauschalensystem Gewinne einfahren.
Die Konsequenz des ganzen Spardrucks ist, dass immer weniger Pflegekräfte in kürzerer Zeit immer mehr Patientinnen pflegen sollen. Die Überlastung führt dazu, dass viele den Job hinwerfen. Im Durchschnitt bleiben ausgebildete Pflegefachkräfte nur noch 7 Jahre, bevor sie dem Beruf den Rücken kehren und sich eine andere Arbeit suchen. Das alles verschlimmert die Überlastung bei den verbleibenden Beschäftigten und macht den Job noch unattraktiver – ein Teufelskreis. Ein Teufelskreis den zu durchbrechen die LINKE in Baden-Württemberg antritt.
Wir brauchen ein starkes Signal, dass wir die Arbeit in der Pflege massiv aufwerten wollen. Wir brauchen mehr echte Wertschätzung statt nur Applaus für die Menschen, die Tag für Tag im Gesundheitssystem eine sehr wichtige und harte Arbeit machen, meist im Schichtbetrieb, eine Arbeit, die auch risikoreich ist. Wir setzen uns für eine substanzielle und dauerhafte Erhöhung der Gehälter im Krankenhaus um mindestens 500 Euro ein. Mehr Geld ist der erste Schritt, um den Beruf attraktiver zu machen und mehr Personal zu gewinnen.
Gesetzliche Personaluntergrenzen müssen – am besten bundesweit – eingeführt werden, um zu verhindern, dass eine Pflegekraft für zu viele Patientinnen verantwortlich ist. Das System der Fallpauschalen muss abgeschafft werden und durch eine bedarfsdeckende Finanzierung ersetzt werden, bei gleichzeitigem Verbot im Krankenhaus Gewinne zu machen. Private Kliniken sollen wieder in die öffentliche Hand überführt werden.
Investitionskosten, müssen vom Land, wie gesagt voll finanziert werden, so dass wir das Ziel erreichen können für mehr Personal zu sorgen und für anständige und gute Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu sorgen. Das Verändert noch nicht alles was schief läuft in unserer Gesellschaft, aber ein gutes Gesundheitssystem mit würdevollen Bedingungen für die Patient*innen aber auch für das Personal wäre schon mal ein wichtiger Schritt hin zu einer menschlichen Gesellschaft.