Portrait von Filippo Capezzone
Filippo Capezzone
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Filippo Capezzone zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Sonja V. •

Frage an Filippo Capezzone von Sonja V. bezüglich Senioren

Lieber Genosse Capezzone,
ich spreche hier für viele mir bekannte ältere Frauen in der Stadt Stuttgart.
Wir wohnen in viel zu großen und teuren Wohnungen, weil verwitwet.
Und suchen schon jahrelang eine kleinere (2-3 Zimmer) Erdgeschosswohnung.
Es suchen doch so viele Familien !
Leider ist das Angebot praktisch nihil.
Und wenn: dann ist die Miete beinah gleich an der jetzigen oder es handelt sich um ein
Dachgeschoss 5-hoch. Also ungeeignet für alte Damen.
Stadtverdichtung muss doch nicht heissen: schnellstens einen Dachboden umbauen (subventionniert) aber ohne Aufzug. Das ist zu teuer!
Wir brauchen kleinere Wohneinheiten, auch "auf dem Acker" mit OPNV-Anbindung.
Wir Ältere werden immer mehr (besonders in Ba-Wü.!) und haben so viele Jahre Steuer bezahlt: und möchten gerne "treppenlos" alt werden.
Was gedenken Sie für die Wohnungsbau zu tun?
Mit solidarischem Gruß
S. v. K..

Portrait von Filippo Capezzone
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau van Kleef,

Viele, gerade ältere Menschen sind in ihren - mittlerweile zu groß
gewordenen Wohnungen (weil Kinder aus dem Haus oder verwitwet)
"gefangen". Gefangen in dem Sinne, dass eine, auch deutlich kleinere
Wohnung, mittlerweile mehr kosten würde und der Umzug deshalb oft nicht
lohnt, oder sich verbietet. Auf der anderen Seite frisst die Wohnung
gerade bei Menschen in Rente oft einen übergroßen Anteil des Einkommens
auf. Und - wie sie sagen - bezahlbar oder nicht: man findet oft einfach
nichts, bzw. hat als älterer Mensch wohl auch nicht mehr die Nerven im
Schnitt 40 Wohnungen zu besichtigen, bis man einmal zu den Auserwählten
gehört, die die Wohnung bekommen...

Was wäre aus unserer Sicht zu tun:
- Wir müssen die Mietüberlastung vieler Haushalte stoppen, in dem wir
ein Gesetz zu Mietobergrenzen in BW erlassen - frei nach dem Vorbild des
Bundeslandes Berlin. Überhöhte Mieten müssen abgesenkt werden. Die
Länder haben dazu die Kompetenz.

- Kommunen und auch das Land müssen auf eigenen Flächen dauerhaft
bezahlbaren Wohnraum in öffentlichem Eigentum schaffen. Der Wohnbau darf
nicht mehr (hauptsächlich) privaten Investoren überlassen werden, denen
dann gegen massive Fördergelder eine zeitlich befristete soziale
Zwischennutzung abgetrotzt wird (so funktioniert ja das System des
Geförderten/sozialen Wohnbaus). Kiene öffentlichen Flächen dürfen mehr
privatisiert werden. Im Gegenteil - der Flächenbestand in öff. Eigentum
der Kommunen und des Landes muss gesteigert werden. Flächen in öff.
Eigentum sind ein Gegenmittel gegen die Spekulation mit Boden, was einer
der Hauptpreistreiber beim Wohnungsbau ist. Kleine Kommunen, die nicht
in der Lage sind (knappe Kasse) selbst Wohnungsbau zu betreiben, müssen
dabei durch eine zu gründende Landeswohnungsbaugesellschaft unterstützt
werden.

- Wohnungstauschprogramme und Plattformen müssen auf kommunaler Ebene
angeboten und vom Land gefördert werden. Voraussetzung für die Teilnahme
an dieser Dienstleistung muss aber sein, dass der alte - bezahlbare -
Mietverträge "mitgenommen" werden können, oder aber, dass neue Verträge
sind in Bezug auf die Miethöhe neue innerhalb von Mietgrenzen (wie 30%
vom Einkommen) bewegen müssen.

- In Baden-Württemberg gehen wir, wenn nichts geändert wird auf die
Wohnungsnot an barrierefreiem und barrierefreiem Wohnraum zu. Das
betrifft den steigenden Anteil an Senior*innen an der Bevölkerung. 2,3
Millionen Menschen sind heute 65+. Bis 2035 werden es fast 3,5 Millionen
sein. In Stuttgart werden es ca. 150.000 Menschen sein, also ein grobes
Viertel der Stadtbevölkerung. Wir brauchen also für  ältere Menschen als
auch für manche Menschen mit Behinderungen mehr barrierefreien Wohnraum.

Eine Studie des Pestel-Instituts geht davon aus, dass man in den
nächsten 15 Jahren weitere 400.000 barrierefreie Wohnungen wird schaffen
müssen (zusätzlich zu den jetzt ca. 130.000 Stück), sowohl durch Neubau,
aber auch durch barrierefreie Modernisierung von Bestandswohnungen.
Gleichzeitig müssen diese Modernisierungen bestehender Wohnungen durch
das Land so gefördert werden, dass einerseits ein rascher Umbau
stattfindet und gleichzeitig auch die sozialen Interessen der
Mieterinnen gewahrt bleiben. Der Einbau von Aufzügen, um Wohnungen
Rollstuhlgerecht zu machen, aber auch die Erhöhung der Nebenkosten durch
Wartung und Betrieb der Aufzüge können z.B. eine starke Belastung für
die Mieter*innen darstellen.

Wir wollen deshalb die Fördermittel unter die Bedingung stellen, dass
Mietpreise nur in engen Grenzen gesteigert werden und dass die
Investitionen in barrierefreie Modernisierung (wie alle andern
geförderten Modernisierungsmaßnahmen auch) nur so lange auf die Mieten
umgelegt werden, bis sich die Investition durch die Mietzahlungen
amortisiert ha. Dauerhafte Mietsteigerungen durch Modernisierung (wie
sie das BGB leider zulässt lehnen wir ab).
Das selbe gilt auch für den Ausbau von z.B. Dachböden.

- Was den Neubau "auf dem Acker" angeht: wir vertreten die Ansicht, dass
es in den meisten Städten noch viel Potenzial auch für innerstädtischen
Wohnraum gibt. Was aufhören muss ist, dass Chancen für bezahlbaren
Wohnbau in der Stadt immer wieder verschenkt werden. So wurde z.B. das
Hofbräu-Areal in Stuttgart Heslach 2015 an Aldi verkauft, der dort nun
hauptsächlich Eigentumswohnungen baut. Die Stadt hat auch versäumt das
EnBW-Areal, oder das Von-der-Weppen-Grundstück in Stuttgart-Ost in ihr
Eigentum zu bringen. Beim Areal des Statistischen Landesamtes kämpfen
wir mit dafür, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.

Es mag sein, dass man in Einzelfällen auch nicht um die Erschließung
neuer Flächen herumkommt - das muss aber unter allem Umständen durch die
Renaturierung anderer Flächen ausgeglichen werden. Aber: unter den
Jetztigen kräfteverhältnissen würde jede neu zur Bebauung freigegebene
Fläche doch wieder nur zu noch mehr zu teurem Wohnraum führen und damit
eine nutzlose Versiegelung freier Flächen.

Gerzliche Grüße,
Filippo Capezzone