Klar ist, dass die Wiederholungswahl am Gesamtergebnis der Bundestagswahl nicht viel verändern wird. Relevante Änderungen kann es hauptsächlich in drei Wahlkreisen geben, in denen das Erststimmenergebnis bei der Wahl im September 2021 besonders knapp war. Konkret geht es dabei um den Wahlkreis Berlin-Pankow, wo Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) 2021 nur vier Prozent vor dem Zweitplatzierten Klaus Mindrup (SPD) landete. Noch knapper wird es im Wahlkreis Berlin-Reinickendorf, wo Monika Grütters (CDU) im Jahr 2021 lediglich rund 1800 Stimmen mehr erzielte als Torsten Einstmann (SPD). Auch Berlins ehemals Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) muss sein Direktmandat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf verteidigen. Dort landete Müller 2021 nur 3,5 Prozent vor Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) und 5,6 Prozent vor Klaus-Dieter Gröhler (CDU). Alle Direktkandidierenden, die in den drei Wahlkreisen zur Wahl stehen, sind weiter unten aufgeführt.
Um ihr Mandat im Bundestag müssen jedoch weder Stefan Gelbhaar noch Monika Grütters oder Michael Müller fürchten. Aufgrund ihrer Listenplatzierung würden sie selbst dann im Bundestag bleiben, wenn sie ihr Direktmandat im Februar verlieren würden. Schlechter gelistete Parteikolleg:innen hätten in diesem Fall das nachsehen und müssten ihren Platz im Parlament räumen. Wen das betreffen würde, entscheidet die Zweitstimme. Dabei ist insbesondere die Wahlbeteiligung dafür verantwortlich, ob es zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Bundestags kommt. Um ihr Mandat zittern müssen all jene Abgeordnete, die über den jeweils letzten Listenplatz ihrer Partei in den Bundestag eingezogen sind.
Konkret betroffen sind CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein, die Grünen-Landeschefin Nina Stahr, Ana-Maria Trăsnea (SPD), Pascal Meiser (DIE LINKE) sowie Lars Lindemann (FDP) und Götz Frömming (AfD). Der Grund dafür sind etwas kompliziertere Rechenspiele im Sitzzuteilungsverfahren. Nach einer ersten Berechnung der Landesergebnisse wird in einem zweiten Schritt der Bundesproporz der Parteien ermittelt. Anhand dieser Ergebnisse werden dann final die Sitze auf die Bundesländer verteilt. Eine geringe Wahlbeteiligung in Berlin kann also dazu führen, dass einzelne Mandate nachträglich anderen Bundesländern zugeteilt werden. Dort könnten Listenkandidierende nachrücken, die 2021 den Einzug knapp verpasst haben. Es ist auch möglich, dass einzelne Fraktionen Sitze aufgrund des Wahlergebnisses verlieren.
Aufatmen konnten nach dem Urteil die 39 Abgeordneten, die 2021 ihr Mandat über die Linkspartei erhalten haben. Nur dank drei gewonnener Direktmandate ist die Linkspartei, trotz ihres Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde, in den Bundestag eingezogen. Der Verlust eines Direktmandats bei der Wiederholungswahl hätte den Verlust aller Sitze im Parlament bedeutet. Im Wahlkreis von Gesine Lötzsch wird nicht neu gewählt, sie darf ihr Direktmandat also sicher behalten. Und auch in Gregor Gysis Wahlkreis Treptow-Köpenick ist nur ein Bruchteil der Wähler:innen zur erneuten Stimmabgabe aufgerufen - zu wenige, um sein Direktmandat in Gefahr zu bringen.