100.000 Euro von der DVAG: Ominöse Spendenübergabe an CDU-Chef Friedrich Merz | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
100.000 Euro von der DVAG
Ominöse Spendenübergabe an CDU-Chef Friedrich Merz
Eine hohe Zahlung aus der Finanzwirtschaft an die CDU bringt Parteichef Merz in Erklärungsnot. Die Deutsche Vermögensberatung AG hat ihm eine 100.000 Euro-Spende "übergeben". Vor einigen Tagen kam es nach Informationen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL zu einem Treffen in der Parteizentrale.
Vergangene Woche Dienstag ging bei der CDU eine außergewöhnlich hohe Spende ein. Die Deutsche Vermögensberatung AG hatte der Partei 100.000 Euro zukommen lassen, es war die erste meldepflichtige Großspende der Christdemokraten im laufenden Jahr. Die Frage ist nun: Auf welchem Wege erhielt die CDU das viele Geld?
Nach Informationen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL soll CDU-Parteichef Friedrich Merz in die Abwicklung involviert gewesen sein. Eine Sprecherin der DVAG erklärte auf Anfrage, die Spende in Höhe von 100.000 Euro sei "an Friedrich Merz in seiner Funktion als Parteivorsitzender übergeben" worden. Empfänger sei die CDU Bundespartei gewesen.
"Von keiner Relevanz": DVAG und CDU schweigen zur Art der Spendenübergabe
Die Übergabe von hohen Spenden ist äußerst ungewöhnlich. In aller Regel erfolgen Parteispenden per Überweisung auf ein Bankkonto. Ebenso ungewöhnlich ist, dass sich weder CDU noch DVAG zu der Frage äußern wollen, auf welche Weise die Spende "übergeben" wurde. Nach Auffassung des Konzerns sei die Form der Spendenübergabe "von keiner Relevanz". (Update 14. April 2023: Die CDU hat inzwischen eingeräumt, dass bei dem Treffen ein Verrechnungsscheck übergeben wurde. Wie weitere Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL ergeben haben, erhielten in Bundestagswahlkampf 2021 auch andere Parteien Scheckspenden von der DVAG.)
Die Annahme von Spenden ist im Parteiengesetz rechtlich geregelt. "Parteien sind berechtigt, Spenden anzunehmen. Bis zu einem Betrag von 1.000 Euro kann eine Spende mittels Bargeld erfolgen", heißt es in Paragraph 25. Alles darüber ist verboten.
Am 14. März, dem Tag des Spendeneingangs, kam es in der CDU-Parteizentrale in Berlin zu einem Treffen zwischen Parteichef Friedrich Merz und DVAG-Vorstandsmitglied Helge Lach. In einer Stellungnahme teilte die Partei mit, Lach sei in seiner Funktion als Chef des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater ins Konrad-Adenauer-Haus gekommen. Die DVAG erklärte kryptisch, bei dem Treffen habe es sich "um die bereits verifizierte Spendenübergabe" gehandelt.
Merz fragte zum Thema Provisionsverbot
Aus der CDU hieß es, die Zusammenkunft sei im November 2022 vereinbart worden. Laut einer Sprecherin diente das Treffen dem "allgemeinen politischen Austausch über die anstehenden Herausforderungen." Etwas konkreter wird die DVAG. Konzernvorstand Lach habe "kurz auf Anfrage von Herrn Merz zum Sachstand Provisionsverbot informiert".
Das Thema Provisionsverbot treibt derzeit die Finanz- und Versicherungsbranche um. In der EU-Kommission gibt es Überlegungen, Provisionen für Anlageberatungen zu verbieten. Viele Unternehmen würde dies massiv treffen. Denn ihre Vertriebsmitarbeiter:innen arbeiten häufig auf Basis von Provisionen, die sie bei erfolgreichem Vertragsabschluss kassieren. Verbraucherschutzorganisationen kritisieren dieses Modell: Wenn Berater:innen auf Provisionen angewiesen sind, schaffe dies Fehlanreize beim Verkauf von Finanzprodukten.
Rund einen Monat vor der DVAG-Spende interessierten sich auch CDU und CSU im Bundestag für das Thema. In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung warnte die Fraktion vor einem drohenden Provisionsverbot und fragte die Regierung nach ihrer Position. Unterzeichnet war die Anfrage von Friedrich Merz in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender.
Öffentlichkeitswirksam begleitet wurde die Kleine Anfrage mit einer Pressemitteilung der beiden zuständigen Finanzexperten der Fraktion, Antje Tillmann und Carsten Brodesser. Den CDU-Abgeordneten zufolge drohten "unabsehbare Folgen für deutsche Kleinanleger", sollte ein EU-weites Provisionsverbot kommen. Ein ähnliches Schreckensbild zeichnet die Versicherungslobby.
Gut vernetzt: Beiratsmitglieder der DVAG
Theo Waigel (Ex-Finanzminister, CSU): Ehrenvorsitzender des Beirats
Brigitte Zypries (Ex-Bundesministerin für Wirtschaft sowie Justiz, SPD)
Hermann Otto Solms (Ex-Bundestagsvizepräsident, FDP)
Frank Bsirske (Bundestagsabgeordneter, Grüne)
Petra Roth (Ex-Oberbürgermeisterin von Frankfurt, CDU)
Wolfgang Schüssel (Ex-Kanzler von Österreich, ÖVP)
Die CDU bestreitet eine Verbindung zur Parteispende. "Es gibt zwischen der Kleinen Anfrage, dem Treffen des Parteivorsitzenden mit Herrn Dr. Lach und der Spende der DVAG an die CDU keinerlei Zusammenhang", teilte eine Sprecherin mit. Die Spende sei, "den Regelungen des Parteienrechts entsprechend", umgehend der Verwaltung des Deutschen Bundestages angezeigt und durch diese veröffentlicht worden.
Die DVAG erklärte: "Einen Zusammenhang zwischen Spende und jedweder politischer Diskussion weisen wir von uns."
Vor der Spende schickte Schatzmeisterin Julia Klöckner eine Anfrage an den Konzern
Die ominöse Parteispende hat eine Vorgeschichte. Der DVAG zufolge gab es eine Anfrage von CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner. Wie und wann die Schatzmeisterin um das Geld gebeten hat, wollten die Beteiligten nicht mitteilen.
Die DVAG begründet ihre Spenden an die CDU und an andere Parteien mit einer "gesellschaftlichen Verantwortung": "Mit der Förderung soll eine finanzielle Basis der Parteien gesichert und damit das demokratische Engagement sowie die politische Arbeit in der Bundesrepublik in Gänze unterstützt werden."
Kurz vor der letzten Bundestagswahl spendete die Deutsche Vermögensberatung der CDU 300.000 Euro – doppelt so viel wie an die FDP und dreimal so viel wie an SPD und Grüne. Seit der Jahrtausendwende hat die CDU mindestens 4 Millionen Euro von dem Konzern und dessen Tochterfirmen erhalten.
picture alliance / dpa | Arne Dedert
Traditionell enge Kontakte zur Politik: DVAG-Gründer Reinfried Pohl, Altkanzler Helmut Kohl und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier im Jahr 2012.
Die DVAG pflegt traditionell enge Kontakte in die Politik, besonders zur CDU. Der inzwischen verstorbene Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) wurde nach Ende seiner Amtszeit für den Finanzdienstleister tätig, zunächst als Vorsitzender des Beirates, später als dessen Ehrenvorsitzender. Sein ehemaliger Kanzleramtschef Friedrich Bohl fungierte nach Kohls Wahlniederlage 1998 über viele Jahre als Vorstand und Aufsichtsrat der DVAG.
Die guten Verbindungen existieren auch in der Gegenwart. Als der langjährige CDU-Generalsekretär Peter Tauber 2021 aus dem Bundestag ausschied, zeigte er alsbald eine neue Tätigkeit an: als freiberuflicher Berater der DVAG.