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Christian Lindners rätselhafte Kommunikation mit der BBBank
Vortragshonorare, Hauskredit, Grußwort: Den FDP-Chef und die BBBank verbindet seit Jahren eine enge Beziehung. Interne Unterlagen aus dem Finanzministerium werfen die Frage auf: Hat Christian Lindner sämtliche Kontakte zu dem Geldhaus offengelegt?
Mit der Karlsruher BBBank hat Christian Lindner in den letzten Jahren in ganz unterschiedlichen Rollen zu tun gehabt. Zu Oppositionszeiten trat der FDP-Chef bei "exklusiven Abenden" des Geldhauses gegen ein stattliches Honorar auf. Als Privatperson ließ er sich von der BBBank ein Eigenheim finanzieren. Und als Minister sprach er freundliche Worte zum 100-jährigen Bestehen des Kreditinstituts.
Eben jenes Grußwort aus dem Frühjahr 2022 bringt Lindner und das Bundesfinanzministerium (BMF) nun in Erklärungsnot. Es geht um die Frage, ob das BMF sämtliche Kontakte zwischen Lindner und der BBBank offengelegt hat – und ob der Austausch teilweise über private Kommunikationskanäle des Ministers lief. Weder Lindner noch das Finanzministerium wollen sich dazu konkret äußern.
"Hoffe, Sie hatten schöne Ostern"
Am 22. April 2022 hält sich der Finanzminister auf einer Dienstreise in den USA auf, als ihn die Mail eines Mitarbeiters der BBBank erreicht. “Hoffe Sie hatten schöne Ostern und gehen frisch gestärkt in die nächsten Frühlingswochen”, schreibt der Banker an den “lieben Herrn Lindner”. Der Minister soll ein “Videostatement” bei der Bank halten, wie aus dem Betreff hervorgeht.
Die Mail liegt abgeordnetenwatch.de vor, das Finanzministerium hat sie auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) herausgeben müssen. Wir veröffentlichen das Schreiben sowie weitere interne Unterlagen nun erstmals.
Das Problem mit der Mail ist: Der Inhalt passt nicht so recht zur bisherigen Darstellung des BMF.
Auf Nachfrage korrigiert sich das Finanzministerium
Das Ministerium hatte zum Lindner-Grußwort für die BBBank unterschiedliche Angaben gemacht. Zunächst verschwieg es die Mail. Auf die Frage von abgeordnetenwatch.de, welche Kontakte es zwischen dem Minister und der BBBank gegeben hat, behauptete das BMF, Lindner habe zum 100. Jubiläum der Bank lediglich ein Videogrußwort "zugeliefert". Darüber hinaus habe "es in dieser Legislaturperiode keine Kontakte mit der BBBank auf der Ebene des Ministers oder der Leitung gegeben." Auf Nachfrage, wie denn das Grußwort zustande gekommen sei, korrigierte sich das BMF. Es habe da doch einen Kontakt gegeben: Eine Mail vom 22. April 2022, in der die Bank Lindner um das Grußwort bat.
Beim Lesen der Mail entsteht der Eindruck, dass da womöglich noch mehr war. Für einen Erstkontakt klingt das Schreiben erstaunlich vertraut. Der Mitarbeiter der BBBank stellt auch weder die Bank noch sein Anliegen näher vor. Vielmehr dankt er Lindner "nochmal" für seine Zeit.
Hatte es zuvor schon mal einen Kontakt gegeben? Das BMF drückt sich um eine klare Antwort. "Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche oder deren Ergebnisse – einschließlich Telefonate und elektronischer Kommunikation – besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt", heißt es in einer Stellungnahme.
Dabei müsste die Pressestelle des BMF nur im Ministerbüro nachfragen, wann Lindner und die BBBank im Kontakt standen – schon wäre die Frage geklärt. Solche hausinternen Abfragen sind jedenfalls nicht unüblich.
Für die ausweichende Antwort dürfte es einen Grund geben: Das Finanzministerium hatte sich in Sachen BBBank in eine schwierige Lage manövriert. Denn nicht nur gegenüber abgeordnetenwatch.de hatte Lindners Ressort von der Mail am 22. April als den einzig nachvollziehbaren Kontakt gesprochen, sondern auch gegenüber der Opposition im Bundestag. Eine entsprechende Antwort bekam der Linken-Abgeordnete Christian Görke im November vom Finanzministerium. Neben der Mail, so das Ministerium, lägen “keine Informationen zu Kommunikation im Sinne der Fragestellung vor.“ Vorsorglich merkte das BMF an, die Angaben seien möglicherweise nicht vollständig.
Fragt man Lindner nach weiteren Kontakten, meldet sich ein bekannter Medienanwalt
Jemand, der Klarheit schaffen könnte, ist Christian Lindner. Fragt man den Minister, ob er mit der BBBank öfter in Kontakt gestanden hat als bislang bekannt, meldet sich ein bekannter Medienanwalt. Lindner "beachte exakt" die Compliance-Regeln seines Ministeriums, heißt es in dessen Mail. Eine Antwort auf die Frage ist das nicht. Auch die BBBank wollte sich über ihren Anwalt nicht konkret äußern.
Lindners Verbindungen mit der Karlsruher Bank machten im vergangenen Jahr bundesweit Schlagzeilen. Der SPIEGEL hatte herausgefunden, dass der FDP-Politiker gut einen Monat nach der Videogrußwort den Kreditrahmen für sein 2021 erworbenes Haus bei der BBBank um 450.000 Euro aufstockte. Zuvor hatte Lindner bereits zum Zeitpunkt des Immobilienkaufs Grundschulden zugunsten der Bank über 2,35 Millionen Euro eintragen lassen.
Die zeitliche Nähe zwischen der privaten Kreditaufstockung und der dienstlichen Videobotschaft ließ später die Berliner Staatsanwaltschaft aktiv werden. Sie prüfte einen Anfangsverdacht auf Vorteilsannahme, stellte ihre Vorermittlungen aber ein. Es hätten sich keine Hinweise ergeben, "dass an die Darlehensgewährung die Erwartung der Einflussnahme auf künftige und/oder die Honorierung vergangener Dienstausübungen geknüpft gewesen wäre."
DER SPIEGEL
Auszug aus dem Grundbuch für das Lindner-Haus in Nikolassee. Foto: DER SPIEGEL
Der Minister hatte eine Zusage gemacht. Aber gegenüber wem?
Für Lindner und die BBBank hatte sich der Vorgang damit erledigt. Es habe sich bei dem Grußwort "um einen Routinevorgang gehandelt", ließ der FDP-Chef über seinen Anwalt ausrichten.
Die internen Unterlagen aus dem BMF, die abgeordnetenwatch.de gemeinsam mit dem SPIEGEL ausgewertet hat, werfen die Frage auf, ob tatsächlich alles routinemäßig ablief.
Lindner leitet die Mail des Bankmitarbeiters noch am Tag des Eingangs an seinen Stab weiter und bittet, die BBBank wegen des Grußwortes zu kontaktieren. Drei Tage später meldet sich das Ministerbüro bei Lindners Redenschreibern. In der Mail heißt es, mutmaßlich Lindner (diese Stelle ist im Text geschwärzt) habe "zugesagt", das Videogrußwort zu übernehmen. Wem gegenüber hatte Lindner eine Zusage gemacht? Der Bank? Und über welchen Kanal?
Zehntausende Euro Honorar von der BBBank
Seit Jahren unterhält Christian Lindner geschäftliche Verbindungen zur BBBank. Allein in den Jahren 2017 und 2019 erhielt er laut seiner Bundestagswebsite bei sieben "Exklusiven Abenden" der Genossenschaftsbank insgesamt zwischen 35.000 und 73.000 Euro Honorar. Bereits 2014 hatte Lindner einen Vortrag für die BBBank gehalten, damals noch als NRW-Landtagsabgeordneter.
Lindners Videogrußwort wurde schließlich am 18. Mai 2022 im Ministerium aufgezeichnet und drei Tage später bei der Jubiläumsveranstaltung der Bank gezeigt.
Merkwürdig ist außerdem, dass sich sowohl Lindner als auch das BMF weigern, genauere Angaben zu machen, auf welchem Weg der Minister von der BBBank angeschrieben wurde. In einem Ausdruck der Mail ist als Empfänger lediglich der Name "Christian Lindner" zu lesen, aber keine Mailadresse. Auf wiederholte Anfrage von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL, ob Lindner das Schreiben der BBBank über einen dienstlichen oder einen privaten Mailaccount empfangen hat, teilte das BMF lediglich so viel mit: Anfragen würden "den Minister häufig auch direkt" und über die verschiedensten Kommunikationsformen erreichen.
Regieren per SMS
Ob ein Regierungsmitglied dienstliche Angelegenheiten über einen privaten Mailaccount oder einen Messangerdienst abwickelt, ist vor allem aus Gründen der Nachvollziehbarkeit von Bedeutung. Was nicht zu den Akten gegeben wird, existiert offiziell nicht und bleibt der öffentlichen Kontrolle entzogen. Von Angela Merkel ist bekannt, dass sie ihre Amtsgeschäfte als Kanzlerin oft per SMS führte. Das Kanzleramt hat nach jetzigem Kenntnisstand noch nie eine Merkel-SMS auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes herausgegeben – was daran liegen könnte, dass die Kurznachrichten selten bis gar nicht veraktet wurden. Ob derartige Korrespondenzen relevant und für die Nachwelt aufzubewahren sind, liegt weitgehend im Ermessen des jeweiligen Regierungsmitglieds.
Auch von Christian Lindner weiß man, dass er sich außerhalb des offiziellen Weges über Dienstliches austauscht. Vergangenen Sommer stand der FDP-Politiker mit Porsche-Chef Oliver Blume im regen SMS-Austausch. Es ging unter anderem um das kontroverse Thema E-Fuels.
Herausgeben will das Ministerium die Kurznachrichten gegenüber abgeordnetenwatch.de aber nicht. Angeblich sind sie nicht von Relevanz – und deswegen nicht zu den offiziellen Akten gegeben worden.