Erweiterung der sicheren Herkunftsländer

Am 18.10.2018 wurde im Bundestag namentlich über den Gesetzesentwurf der FDP zur Erweiterung der Herkunftsländer, der Maghreb-Staaten, abgestimmt. In seiner Beschlussempfehlung empfahl der Ausschuss für Inneres und Heimat den Entwurf abzulehnen. Unterstützung erhielt der Antrag neben der FDP-Fraktion auch von der AfD sowie einzelnen Abgeordneten der Union. Letztendlich wurde der Entwurf mit den mehrheitlichen Stimmen der CDU/CSU, SPD, Linken und Grünen abgelehnt.

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Dafür gestimmt
154
Dagegen gestimmt
496
Enthalten
1
Nicht beteiligt
58
Abstimmungsverhalten von insgesamt 709 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Diether DehmDiether DehmDIE LINKE43 - Hannover-Land I Dagegen gestimmt
Portrait von Ekin DeligözEkin DeligözDIE GRÜNEN255 - Neu-Ulm Dagegen gestimmt
Portrait von Karamba DiabyKaramba DiabySPD72 - Halle Dagegen gestimmt
Portrait von Esther DilcherEsther DilcherSPD167 - Waldeck Dagegen gestimmt
Portrait von Sabine DittmarSabine DittmarSPD248 - Bad Kissingen Dagegen gestimmt
Portrait von Bijan Djir-SaraiBijan Djir-SaraiFDP108 - Neuss I Dafür gestimmt
Portrait von Alexander DobrindtAlexander DobrindtCDU/CSU226 - Weilheim Dagegen gestimmt
Portrait von Anke Domscheit-BergAnke Domscheit-BergDIE LINKE60 - Brandenburg an der Havel - Potsdam-Mittelmark I - Havelland III - Teltow-Fläming I Dagegen gestimmt
Portrait von Michael DonthMichael DonthCDU/CSU289 - Reutlingen Dagegen gestimmt
Portrait von Katja DörnerKatja DörnerDIE GRÜNEN96 - Bonn Dagegen gestimmt
Portrait von Marie-Luise DöttMarie-Luise DöttCDU/CSU117 - Oberhausen - Wesel III Dagegen gestimmt
Portrait von Siegbert DroeseSiegbert DroeseAfD153 - Leipzig II Dafür gestimmt
Portrait von Katharina DrögeKatharina DrögeDIE GRÜNEN95 - Köln III Dagegen gestimmt
Portrait von Christian DürrChristian DürrFDP28 - Delmenhorst - Wesermarsch - Oldenburg-Land Dafür gestimmt
Hansjörg DurzHansjörg DurzCDU/CSU253 - Augsburg-Land Dagegen gestimmt
Portrait von Hartmut EbbingHartmut EbbingFDP79 - Berlin-Steglitz-Zehlendorf Dafür gestimmt
Portrait Harald Ebner mit blauem Hemd vor grünem Hintergrund. Lächelnd.Harald EbnerDIE GRÜNEN268 - Schwäbisch Hall - Hohenlohe Dagegen gestimmt
Portrait von Thomas EhrhornThomas EhrhornAfD44 - Celle - Uelzen Dafür gestimmt
Portrait von Berengar Elsner von GronowBerengar Elsner von GronowAfD146 - Soest Dafür gestimmt
Thomas ErndlThomas ErndlCDU/CSU227 - Deggendorf Dagegen gestimmt
Profilbild von Klaus ErnstKlaus ErnstDIE LINKE250 - Schweinfurt Dagegen gestimmt
Portrait von Wiebke EsdarWiebke EsdarSPD132 - Bielefeld - Gütersloh II Dagegen gestimmt
Portrait von Saskia EskenSaskia EskenSPD280 - Calw Dagegen gestimmt
Dr. Michael Espendiller, MdBMichael EspendillerAfD128 - Steinfurt III Dafür gestimmt
Portrait von Marcus FaberMarcus FaberFDP66 - Altmark Dafür gestimmt

Parallel dazu reichte die FDP-Fraktion auch einen Änderungsantrag zu ihrem Gesetzesentwurf ein. Dieser wurde ebenfalls namentlich abgestimmt und durch die Stimmen der CDU/CSU, SPD, Linken und Grünen abgelehnt. Das detaillierte Ergebnis ist hier zu finden.

"Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 222.683 Asylanträge gestellt."
Mit dieser Formulierung wird der Gesetzentwurf der FDP eingeleitet. Daraufhin wird problematisiert, dass die Definition von "sicheren Herkunftsländern" unzureichend wäre, wodurch bei den meisten Asylanträgen die Erfolgschancen von vornherein sehr gering wären.

Als Lösung für das Problem sieht dieser Entwurf vor, mehr Länder als "sicheres Herkunftsland" einzustufen. Hier werden die Demokratische Volksrepublik Algerien, das Königreich Marokko und die Tunesische Republik genannt. "Die Einordnung als sicherer Herkunftsstaat führt nicht dazu, dass Personen aus diesen Herkunftsländern ihren Anspruch auf asylrechtlichen Schutz verlieren. Die Antragsteller müssen aber die Vermutung widerlegen, dass ihr Ersuchen offensichtlich unbegründet ist, indem sie nachweisen, dass sie politisch verfolgt werden oder ihnen im Herkunftsstaat ein ernsthafter Schadendroht."

Schon am 6. April 2016 hatte die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, welcher jedoch vom Bundesrat nicht anerkannt wurde.

Detlef Seif (CDU/CSU) bekennt sich zum Recht auf Asyl und zu dem Schutz verfolgter Menschen, aber hebt gleichzeitig hervor, dass das Asylrecht nicht missbraucht werden dürfe. Daher sei im Koalitionsvertrag unter anderem festgelegt worden, dass Staaten mit einer Anerkennungsquote von unter 5 Prozent zu sicheren Herkunftsländern bestimmt werden sollen. Es solle verhindert werden, dass das Asylrecht zum Instrument allgemeiner Zuwanderung wird. Im Juli 2018 sei daher auch ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung sicherer Herkunftsländer beschlossen worden. Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat diene vor allem dazu, die Verfahren zu beschleunigen und ein klares Signal an die betroffenen Personen zu senden. Grundsätzliche stimme die Union deshalb dem Antrag der FDP zu, kritisiere aber die fehlende Rechtsberatung für besonders vulnerable Personen.

Lars Herrmann (AfD) betont, dass die Einstufung der Herkunftsländer Marokko, Algerien und Tunesien längst überfällig sei, da dies auch beliebte Urlaubsziele sind. Das Augenmerk liege vor allem deshalb auf den Maghreb-Staaten, da die marokkanischen, algerischen und tunesischen Zuwanderer 14 Prozent der Straftaten von Zuwanderern ausmachen und dies, obwohl sie nur 2,4 Prozent der Asylbewerber ausmachen. Allein in Sachsen gebe es 1472 sogenannter MITAs, d.h. "Mehrfach Intensivtäter Asylbewerber".  Von diesen stammen 463 Intensivtäter aus den Maghreb-Staaten. Jedoch seien nicht einmal ein Viertel dieser Straftäter in Haft. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftländer werde jedoch nicht zum erhofften Effekt führen. Stattdessen müssen unter anderem effektive und wirksame Grenzkontrollen eingeführt werden sowie Rückübernahmeabkommen getroffen werden.

Helge Lindh (SPD) spricht sich gegen den Antrag der FDP-Fraktion aus, da auch dieser wieder im Bundesrat aufgrund von fehlenden Mehrheiten scheitern wird. Hinzu komme, dass es bereits ein entsprechendes Vorhaben der Bundesregierung gibt, welches umfassender gestaltet ist. Ziel dieses Vorhabens sei die Beschleunigung von Verfahren sowie die Aufenthaltsdauer derer, die keine Schutzbedürftigkeit haben, zu regeln und nicht, die Anerkennungsquoten zu senken. Um Menschen ohne Schutzbedürftigkeit eine sinnvolle Alternative zu bieten, werde gerade ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht.

Stefan Ruppert (FDP) hebt hervor, dass der Antrag seiner Fraktion zu einer Beschleunigung der Verfahren führen und auch die Einzelfallprüfung weiterhin bestehen bleiben soll. Der Antrag führe zu mehr Ordnung in der Zuwanderung. Hinzu komme, dass der Gesetzesentwurf durch den eingebrachten Änderungsantrag an den Kabinettsentwurf angepasst wurde. Daher sei auch eine Zustimmung durch die Regierungsfraktionen durchaus möglich. Der einzige Grund, warum der Entwurf heute nicht beschlossen werden könne, sei der Wahlkampf in Hessen. Die CDU in Hessen fordere aus Rücksichtnahme auf die Grünen, den Gesetzesentwurf erst nach der hessischen Landtagswahl zu besprechen. Dieses parteitaktische Kalkül verhindere jedoch, Ordnung in die asylpolitischen Debatten zu bringen. 

Ulla Jelpke (Linke) bezeichnet die Einstufung der Maghreb-Staaten als sicher als Hohn, da es in diesen Ländern gravierende Menschenrechtsverletzungen gäbe. Solch ein Vorhaben sei ein Angriff auf den humanitären Schutzgedanken des Asylrechts, den die Linke zurückweise. Des Weiteren beziehe sich der Entwurf der FDP-Fraktion auf alte Lageberichte, welche nicht die aktuelle Situation in den Ländern darstellten. Mit der Einstufung dieser Staaten als sicher beschneide der Bundestag den Schutzanspruch von Menschen, die aus autoritären Staaten bzw. Diktaturen kommen. Sollten diese Staaten tatsächlich als sicher eingestuft werden, habe dies auch gravierende Folgen auf die Asylanträge der Schutzsuchenden, denn diese gelten somit als unbegründet. Damit haben die Schutzsuchenden keine Chance auf ein unvoreingenommenes Asylverfahren.

Luise Amtsberg (Grüne) kritisiert das Vorhaben der FDP, denn die Einstufung der Maghreb-Staaten könne die bestehenden Herausforderungen in der Asylpolitik nicht lösen. Um eine Beschleunigung der Verfahren zu erreichen, sei es notwendig, die Arbeitsbedingungen für das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verbessern. Parallel dazu sei es auch wichtig, die Gerichte zu entlasten. Weder die Union noch die Koalition habe aber bisher einen Reformvorschlag für das BAMF vorgelegt. Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten sei jedoch der falsche Weg und führe zu einer Einschränkung des individuellen Grundrechts auf Asyl. Auch könne die Einstufung eines Landes weitere Maßnahmen beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und bei der Stärkung der Zivilgesellschaft vor Ort behindern, da dies den entsprechenden Regierungen den Eindruck vermittele, es gebe keine Defizite mehr. 

Weiterführende Links:

Bundestag: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw42-de-herkunftsstaaten/573208

Bundestag: https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=535

Artikel von proasyl zur Entscheidung des Bundesrats: https://www.proasyl.de/news/keine-sicheren-herkunftslaender-warum-die-bundesrat-entscheidung-zu-maghreb-staaten-richtig-ist/