Unternehmen zahlt MdB 40.000 Euro pro Jahr – wofür?

Rund 40.000 Euro pro Jahr kassiert der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt mit seiner Nebentätigkeit – für ein paar Stunden Arbeit in der Woche. Damit könnte er gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen.

von Martin Reyher, 21.08.2014

Es ist nicht so, dass Jürgen Hardt wenig zu tun hätte. Eine ganze Reihe an Funktionen und Ämter übt der CDU-Politiker nach eigenen Angaben aus, u.a. als

  • ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages
  • ordentliches Mitglied im Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
  • Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO
  • stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • Mitglied in der Arbeitsgruppe Kommunales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Mitglied in der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Kreisvorsitzender der CDU Wuppertal
  • stv. Bezirksvorsitzender der CDU Bergisch Land

"Für Hobbys außerhalb der Politik bleibt da kein Raum", schreibt der viel beschäftigte Politiker auf seiner Homepage.

Komplett ausgelastet ist der Wuppertaler Abgeordnete dann allerdings doch nicht. Auf der Bundestagswebsite gibt Jürgen Hardt an, als "leitender Angestellter" bei dem Traditionsunternehmen Vorwerk ein monatliches Gehalt zwischen 3.500 und 7.000 Euro (Stufe 2) zu kassieren. Die Frage ist: Wofür?

Der CDU-Politiker leitete zwischen 2001 und 2009 die Kommunikationsabteilung der Vorwerk-Unternehmensgruppe, die u.a. mit dem Vertrieb von Staubsaugern, Teppichböden und Kosmetika zuletzt einen Jahresumsatz von mehr als 2,6 Mrd. Euro machte. Als Hardt nach der Bundestagswahl 2009 als direkt gewählter Abgeordneter ins Parlament einzog, floss das Vorwerk-Gehalt weiter, wenn auch zu geänderten Konditionen. "Auf ein Viertel" habe Hardt seine Tätigkeit für Vorwerk zurückgeschraubt, schrieb die Westdeutsche Zeitung (WZ) im März 2010. Im selben Maße sei damals das Gehalt gesunken.

Vergangene Woche nahm Hardts Heimatzeitung die von abgeordnetenwatch.de ausgelöste Debatte zu den Nebeneinkünften von Abgeordneten zum Anlass, noch einmal wegen des Nebenjobs nachzufragen. "Meine Arbeit für Vorwerk", so der CDU-Politiker, "kollidiert zeitlich und inhaltlich nicht mit der Arbeit in Berlin."

Das allerdings ist verwunderlich. Warum ist einem Konzern ein Mitarbeiter rund 40.000 Euro pro Jahr wert, wenn dieser dafür nicht einmal nennenswerte zeitliche Abstriche bei seinem Hauptjob als Bundestagsabgeordneter macht?

Dies ist nicht die einzige Ungereimtheit.

Denn ein "leitender Angestellter" erledigt seine Aufgaben gemeinhin nicht im Nebenjob. Er ist eine Führungskraft, die laut Betriebsverfassungsgesetz bspw. "regelmäßig Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens [...] von Bedeutung sind."

Was über Hardts gut dotierte Tätigkeit bei Vorwerk bekannt ist, klingt dagegen nicht nach einer verantwortungsvollen Führungsaufgabe. "Wenige Wochenstunden", so die WZ, habe er an einer Vorwerk-Firmenchronik mitgewirkt, die von einer Kulturwissenschaftlerin verfasst wurde. Das 188 Seiten-Werk zum 130jährigen Bestehen des Familienunternehmens erschien im vergangenen Mai.

Es erscheint fraglich, ob ein mittleres fünfstelliges Jahresgehalt für die Mitarbeit an einer Jubiläumschronik mit dem Abgeordnetengesetz in Einklang zu bringen ist. Denn danach ist es "unzulässig", Geld oder geldwerte Zuwendungen entgegenzunehmen, "wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird." Ist die Arbeitsleistung von ein paar Stunden in der Woche eine angemessene Gegenleistung für die Zahlung von mindestens 42.000 Euro im Jahr? Für ein solches Gehalt stehen viele qualifizierte Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber Vollzeit zur Verfügung.

Was angemessen ist oder nicht, hat im Zweifel der Bundestagspräsident zu klären. Erhält dieser Kenntnis von einem Verdacht, müsste er laut Verhaltensregeln prüfen, ob eine "Verkehrsüblichkeit" vorliegt, mit anderen Worten: ob dies in dem Betrieb bzw. in der Branche üblich ist. Der Bundestagspräsident kann von dem betreffenden Abgeordneten "ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den Vorsitzenden der Fraktion, der dieses Mitglied angehört, um Stellungnahme bitten." Stellt der Parlamentspräsident einen Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz fest, müsste der betreffende Volksvertreter schlimmstenfalls seine "unzulässigen Zuwendungen" an den Bundeshaushalt überführen.

Zum zeitlichen Umfang von Hardts Tätigkeit für das Wuppertaler Unternehmen und zur genauen Höhe seines Gehalts wollten sich weder der CDU-Politiker noch Vorwerk äußern. Ein Konzernsprecher verwies gegenüber abgeordnetenwatch.de auf "arbeitsvertragliche Angelegenheiten", auf die er nicht im Detail eingehen könne.

Hardt selbst erklärte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage:

Meine Nebentätigkeit bei Vorwerk leitet sich aus meiner langjährigen, unbefristeten Beschäftigung als leitender Angestellter ab. Dieser Vertrag wird während meiner Zeit im Bundestag unter proportionaler Reduzierung von Gehalt und Arbeitszeit auf einem Niveau fortgeführt, das ich ohne Einschränkung und Beeinflussung meiner Abgeordnetentätigkeit wahrnehmen kann. Ich bin bei Vorwerk mit längerfristigen Aufgaben betraut. Arbeitsort ist Wuppertal.

Gegenüber seiner Heimatzeitung ließ Jürgen Hardt vergangene Woche immerhin durchblicken, warum er zusätzlich zu seinem Vollzeitjob als Parlamentarier noch immer auf der Gehaltsliste von Vorwerk steht. Als direkt gewählter Abgeordneter müsse er an seine berufliche Zukunft denken - und die sehe er im Fall einer Wahlniederlage beim alten Arbeitgeber.

Nachtrag: Ein Leser dieses Blogs bat Bundestagspräsident Norbert Lammert um Stellungnahme zu der fragwürdigen Nebeneinkunft. Doch der wollte sich nicht äußern. Lesen Sie hier die ganze Geschichte.
 

Quellennachweise: Bild Jürgen Hardt: Frank Ossenbrink / Wikipedia / CC BY-SA 3.0 | Hintergrundbild Vorwerk-Gebäude: Atamri / Wikipedia / CC BY-SA 3.0

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