Strenz sagte zu Aserbaidschan-Job die Unwahrheit

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz hat im Zusammenhang mit ihrer Nebentätigkeit für eine aus Aserbaidschan finanzierte Lobby-Firma die Unwahrheit gesagt. Kurz vor der Bundestagswahl hatte sie behauptet, „allen rechtlichen Transparenzanforderungen“ nachgekommen zu sein. Nun kommt heraus: Das war gelogen. 

von Martin Reyher, 09.11.2017
Bundestagsprofilseite Karin Strenz (CDU)

Ergänzung 22. März 2021: Karin Strenz ist tot. Sie sei auf einem Flug von Kuba nach Deutschland kollabiert, erklärte der Sprecher der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg. Laut Medienberichten verlor sie im Flugzeug das Bewusstsein.


Es waren noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl, als Enthüllungen von SZ und Report Mainz die CDU-Direktkandidatin Karin Strenz in arge Erklärungsnot brachten. Den Recherchen zufolge hatte die Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern zwischen 14.000 und 30.000 Euro von der aus Aserbaidschan finanzierten Lobby-Firma Line M-Trade GmbH erhalten. Plötzlich stand ein ungeheuerlicher Verdacht im Raum: Gab es einen Zusammenhang zwischen den Zahlungen aus aserbaidschanischen Quellen und dem Aserbaidschan-freundlichen Abstimmungsverhalten von Karin Strenz im Europarat? 

Die schwerwiegenden Vorwürfe wies die Abgeordnete nicht nur postwendend und entschieden zurück, sie beteuerte auch, im Zusammenhang mit ihrer umstrittenen Nebentätigkeit „allen rechtlichen Transparenzanforderungen“ nachgekommen zu sein. „Die Einkünfte hieraus habe ich entsprechend der Geschäftsordnung beim Bundestagspräsidenten ordnungsgemäß angezeigt sowie ordentlich versteuert," schrieb Strenz am 20. September 2017 auf Facebook. "Allen rechtlichen Transparenzanforderungen wurde damit Genüge getan."

Strenz kannte Verstoß seit vielen Monaten

Strenz und Aserbaidschan

Strenz hatte zwischen November 2014 und Januar 2015 einen Beratervertrag mit der Firma Line M-Trade und erhielt hierfür insgesamt zwischen 14.000 und 30.000 Euro. Die Firma war mit Wissen und Geld aus Aserbaidschan vom früheren CSU-Staatssekretär Eduard Lintner gegründet worden, um über sie „Aktionen zu finanzieren“, wie Lintner gegenüber Report Mainz erklärte. Da Strenz unter anderem im Juni 2015 im Europarat gegen eine Aserbaidschan-kritische Resolution stimmte, stand der Vorwurf der Abgeordnetenbestechung im Raum. Die CDU-Politikerin bestreitet dies. Eine vom Europarat eingesetzte Untersuchungskommission sah im April 2018 den "starken Verdacht", dass sich Abgeordnete an "Aktivitäten korrupter Art zugunsten Aserbaidschans" beteiligten. Strenz wird in dem Abschlussbericht eine Verletzung mehrerer Verhaltensregeln sowie eine mangelnde Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung vorgeworfen.

Doch nun zeigt sich, dass diese Behauptung unzutreffend war, genauer gesagt: Es handelte sich um eine Lüge. Denn Strenz wusste zu diesem Zeitpunkt, dass sie gegen die Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages verstoßen hatte. Mitgeteilt hatte ihr dies die für die Einhaltung der Verhaltensregeln zuständige Bundestagsverwaltung schon viele Monate zuvor.

An diesem Mittwoch räumte die CDU-Politikerin gegenüber abgeordnetenwatch.de erstmals ein, dass sie ihre Angaben zu dem fragwürdigen Aserbaidschan-Job „verspätet“ beim Bundestagspräsideten gemacht hatte, worauf sie damals, Anfang 2016, auch der zuständige Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung "hingewiesen" habe. Dennoch behauptete Strenz im September 2017 wahrheitswidrig, alles sei rechtlich in Ordnung gewesen. 

Die verspätete Meldung im Februar 2016 begründet die Abgeordnete damit, dass ihr „zu diesem Zeitpunkt erstmals die Steuererklärung meines Steuerberaters“ vorlag. Die Steuererklärung ist jedoch vollkommen unerheblich für die korrekte Meldung von Nebeneinkünften. Denn entscheidend sind laut Verhaltensregeln allein die Bruttozuflüsse, relevant ist daher der Tag des Zahlungseingangs. In dem Regelwerk heißt es: "Anzeigen nach den Verhaltensregeln sind innerhalb einer Frist von drei Monaten [...] nach Eintritt von Änderungen oder Ergänzungen während der Wahlperiode dem Präsidenten einzureichen." Strenz hätte ihre im November 2014 aufgenommene Tätigkeit somit spätestens im Februar 2015 beim Bundestag anzeigen müssen, die Einkünfte daraus jeweils drei Monate nach Zahlungseingang. Tatsächlich war die Meldung an Norbert Lammert laut Strenz erst am 22. Februar 2016 erfolgt.

Bundestagsverwaltung lässt Abgeordnete meist ohne Sanktionen davonkommen

Ausriss Formular zur Meldung von Nebeneinkünften beim Bundestagspräsidenten

Dass Strenz nun erstmals eine "verspätete" Anzeige ihrer brisanten Nebentätigkeit einräumt, geht auf Recherchen von abgeordnetenwatch.de, SZ und WDR zurück. Vor zwei Wochen hatten wir nachweisen können, dass der Berater-Job für die Line M-Trade GmbH lange Zeit nicht auf der Bundestagshomepage zu sehen war und frühestens Anfang Oktober 2016 erschien.

Dass Strenz als langjährige Bundestagsabgeordnete die Transparenzpflichten angeblich nicht gekannt hat, ist vollkommen unglaubwürdig. In dem Formular, mit dem Abgeordnete ihre Tätigkeiten beim Bundestagspräsidenten melden müssen, heißt es unmissverständlich: "Änderungen und Ergänzungen während der Wahlperiode sind [...] innerhalb von drei Monaten anzuzeigen." Dieses Formular kennt auch Strenz: Vor ihrem Aserbaidschan-Job hatte sie bereits diverse andere Nebentätigkeiten beim Bundestag angezeigt. Zudem erhalten Abgeordnete zu Beginn einer Wahlperiode einen umfangreichen sogenannten „Wegweiser“, in dem auch auf die Meldepflichten bei Nebentätigkeiten und -einkünften hingewiesen wird. Darin heißt es – jedenfalls in den Ausgaben der letzten Jahre – Abgeordnete hätten sich „in Zweifelsfällen durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt ihrer Pflichten zu informieren.“

Trotz ihres Verstoßes gegen die Verhaltensregeln dürfte die CDU-Abgeordnete Karin Strenz ohne Sanktionen davon kommen. Die Bundestagsverwaltung stufte ähnliche Fälle in der Vergangenheit stets als minder schwer bzw. als leichte Fahrlässigkeit ein, dies werden lediglich mit einer (internen) Ermahnung geahndet. Bei schweren Pflichtverletzungen kann vom Bundestagspräsidenten eine Strafzahlung „bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung“ verhängt werden, wie es in den Verhaltensregeln heißt. Strafzahlungen gab es überhaupt erst zweimal. In beiden Fällen klagten die Politiker (Otto Schily (SPD): 22.017 Euro = 3 Monatsbezüge, Volker Kröning (SPD) 15.336 Euro = 2 Monatsbezüge) erfolgreich, die Ordnungsgelder mussten zurück genommen werden.

Update 28.11.2017: Prüfung des Bundestages

Unsere Recherchen im Fall Strenz hat nun offenbar die Bundestagsverwaltung auf den Plan gerufen. Nach Informationen des Tagesspiegel läuft derzeit eine Prüfung, ob Strenz mit ihrer Meldung der Nebentätigkeit für die Line M-Trade gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete verstoßen hat. Das Blatt schreibt:

"Die Bundestagsverwaltung prüft, ob Strenz die Transparenzregeln für Nebentätigkeiten eingehalten hat. Sie hatte die Einkünfte von der Firma des Aserbaidschan-Lobbyisten erst mit großer Verspätung gemeldet. Sollte ein Verstoß festgestellt werden, könnte das Präsidium des Bundestages ein Ordnungsgeld festsetzen."

Die Bundestagsverwaltung hat mehrere abgeordnetenwatch.de-Anfragen zu einem möglichen Verstoß gegen die Verhaltensregeln durch Karin Strenz bislang ausweichend beantwortet, zuletzt am heutigen Tag.

Update 17.12.2018: Rüge geplant

Wie der Tagesspiegel berichtet, plant der Bundestagspräsident eine Rüge der CDU-Abgeordneten Karin Strenz wegen eines Verstoßes gegen die Verhaltensregeln. Die Rüge wäre damit eine Konsequenz aus der abgeordnetenwatch.de-Recherche, wonach Strenz ihre fragwürdige Nebentätigkeit für die aus Aserbaidschan finanzierte Lobbyfirma Line M-Trade lange Zeit vor der Öffentlichkeit verheimlichte. Laut Tagesspiegel soll das Präsidium des Bundestages in seiner nächsten Sitzung offiziell feststellen, dass die Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern gegen die Verhaltensregeln des Parlaments verstoßen hat. 

Update Februar 2019: Fünfstelliges Ordnungsgeld

Inzwischen ist Karin Strenz wegen des Verstoßes gegen die Verhaltensregeln vom Bundestag öffentlich gerügt worden und erwartet ein fünfstelliges Ordnungsgeld. Mehr: Wie wir die Lüge einer Bundestagsabgeordneten nachwiesen


Medienberichte zum Thema


Stellungnahme von Karin Strenz gegenüber abgeordnetenwatch.de zu ihrer Tätigkeit für die Line M-Trade GmbH im Wortlaut (8.11.2017):

"Ich habe meine Einkünfte aus der Beratertätigkeit für die Line M-Trade GmbH mit Schreiben vom 22.2.2016 an den damaligen Bundestagspräsidenten Dr. Lammert angezeigt. Hierfür gab es keinen externen Anlass. Vielmehr lag mir zu diesem Zeitpunkt erstmals die Steuererklärung meines Steuerberaters vor. Diese hatte ich abgewartet und dann die sich daraus ergebenden Einkünfte angegeben. Heute weiß ich, dass die Anzeige durch das Abwarten der Steuererklärung verspätet erfolgte, dessen war ich mir jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst. Dies war ein handwerkliches aber kein beabsichtigtes Versäumnis.
Nach der Anmeldung meiner Einkünfte wurde ich von dem zuständigen Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung darauf hingewiesen und mehrfach um ergänzende Angaben gebeten. Diese habe ich der Bundestagsverwaltung in der Folgezeit zukommen lassen. Spätestens Anfang Oktober 2016 lagen die vollständigen Angaben zur Line M-Trade GmbH vor. Wann diese auf meiner Bundestags-Profilseite veröffentlicht wurden entzieht sich ebenso meiner Kenntnis wie der Grund für eine etwaige Verzögerung."

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