Nebeneinkünfte

Das verdienen die Abgeordneten aus dem Bundestag nebenher

Eine Rede beim „Business-Dinner“, ein gut bezahlter Beraterjob: 25,1 Millionen Euro haben Bundestagsabgeordnete nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL seit der Wahl mit ihren Nebentätigkeiten erwirtschaftet. Mindestens. Denn die tatsächlichen Einkünfte sind nicht nachvollziehbar. Wie viel erhielt Ihr Abgeordneter?

von Josephine Andreoli, 07.08.2020
Foto Plenarsaal Deutscher Bundestag

Eine Tabelle mit den Nebeneinkünften aller Bundestagsabgeordneten finden Sie am Ende des Artikels


Beinahe jeder dritte Bundestagsabgeordnete bezieht neben seinem Mandat Einkünfte aus weiteren Tätigkeiten und Funktionen, und dies teilweise in erheblicher Höhe. Das geht aus einer gemeinsamen Recherche von abgeordnetenwatch.de und dem SPIEGEL hervor. Demnach gaben 215 der insgesamt 709 Parlamentarier (30,3 Prozent) an, neben ihrem Abgeordnetenmandat für mindestens eine Nebentätigkeit bezahlt worden zu sein. 

Mindestens 25,1 Millionen Euro haben die Parlamentarier so neben ihrer monatlichen Diät in Höhe von 10.083 Euro zusätzlich eingenommen und seit der Bundestagswahl 2017 an Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble gemeldet. Dieser veröffentlicht die Angaben auf der Bundestagswebsite.

Grafik: Anteil der Abgeordneten mit Nebeneinnahmen nach Fraktionen (ggfs. müssen Sie die nachstehende Grafik aktivieren):

Besonders hoch ist der Anteil der Nebenjobber in der FDP-Fraktion: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten (53 Prozent) gab auf ihrer Bundestagsseite meldepflichtige Nebeneinkünfte an, gefolgt von der CSU (50 Prozent) und der CDU (36 Prozent). Die Grünen sind mit Abstand die Fraktion, in der die wenigsten Abgeordneten zusätzlich zu ihrem Mandat vergütete Nebenjobs ausüben (13 Prozent).

Verboten sind die Nebentätigkeiten nicht, im Gegenteil. Nach dem Abgeordnetengesetz sind sie sogar explizit zulässig – solange das Bundestagsmandat noch „im Mittelpunkt der Tätigkeit“ der Politiker steht.

 

Nebeneinkuenfte Ramsauer Schmidt Lindner

 

Bei einigen Abgeordneten ist allerdings zweifelhaft, ob dem auch so ist. Der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) etwa führt auf seiner Bundestagsseite Beraterhonorare in einer Gesamthöhe von über einer halben Million Euro auf, außerdem sitzt er in mehreren Unternehmensgremien und ist Präsident der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa mit einem Monatsgehalt zwischen 3.500 und 7.000 Euro. Insgesamt kommt Ramsauer so auf meldepflichtige Einkünfte von mindestens 896.500 Euro. Einen Interessenkonflikt weist der Ex-Minister "strikt zurück", wie er dem SPIEGEL ausrichtete. Im Übrigen stehe das Bundestagsmandat "eindeutig im Mittelpunkt" seiner beruflichen Tätigkeit.

Zwischen Politik und Geschäft

Eine weitere Problematik bei den Nebenjobs sind mögliche Interessenkonflikte. Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel der CDU-Abgeordneten Karin Maag. Sie ist gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion und Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit. Neben ihrem Abgeordnetenmandat sitzt Maag im Beirat der Barmenia Krankenversicherungen und berät die DaVita Medical Group Deutschland, einen US-amerikanischen Anbieter von Dialysedienstleistungen für Patienten mit chronischem und akutem Nierenversagen. Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de erklärt Maag, dass sie das Unternehmen zum Gesundheitssystem in Deutschland berate. „Insofern gibt es keinen Interessenkonflikt zu meinen Aufgaben als gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit", so Maag. Ein Interessenkonflikt sei auch nicht gegeben bei ihrer Beiratstätigkeit bei der Barmenia Krankenversicherung. 

Als Außenstehender ist das schwer zu beurteilen. Denn im Gesundheitsausschuss wird über Themen entschieden, die auch jene Branchen betreffen, für die Maag neben ihrem Abgeordnetenmandat entgeltlich tätig ist.

Wie Unternehmen sich Zutritt zur Politik erkaufen
 

Nebeneinkünfte Volker Kauder

Durch die Beschäftigung und Postenvergabe an Politiker können sich finanzstarke Unternehmen einen Zugang zur Politik erkaufen. So sitzt der ehemalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, im Aufsichtsrat des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG und ist für diesen auch als Berater tätig. Als solcher verdient er monatlich zwischen 3.500 und 7.000 Euro zusätzlich. 

Auch über die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erhält ein Unternehmen Kontakt in den Bundestag. Schmidt sitzt im Verwaltungsrat des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding AG. Seit Beginn der Legislaturperiode vor knapp drei Jahren hat sie für diesen Posten mindestens 165.000 Euro erhalten. 

Tatsächlich könnten die Beträge jedoch sehr viel höher sein. Zwar werden die Nebeneinkünfte der Parlamentarier für jeden einsehbar in ihren Profilen auf der Website des Bundestages veröffentlicht. Allerdings nicht als exakte Beträge, sondern in zehn groben Einkommensstufen. Durch dieses Stufensystem werden die tatsächlichen Bezüge aber nicht sichtbar. Denn Einkünfte unterhalb einer Bagatellgrenze von 1.000 Euro müssen nicht gemeldet werden, eine Obergrenze für die Höchststufe 10 (mehr als 250.000 Euro) gibt es ebenfalls nicht. Hinzu kommt: Die Spanne in den einzelnen Stufen ist groß. So meint Stufe 1 Einnahmen in Höhe von 1.000 bis 3.500 Euro, Stufe 8 reicht von 100.000 bis 150.000 Euro.

Netzwerken bei exklusiven Abendveranstaltungen
 

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Über üppige Nebeneinkünfte in Höhe von mindestens 424.500 Euro verfügt FDP-Parteichef Christian Lindner. Unter anderem hielt Lindner in dieser Legislaturperiode 66 Vorträge gegen Bezahlung, so zum Beispiel bei der Unternehmensberatung Baker Tilly, der Allianz Global Investors Deutschland GmbH und der BBBank eG.

Der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, spricht ebenfalls regelmäßig vor Publikum. Seit 2017 wurde er für mehr als 100 Veranstaltungen gebucht und hat beispielsweise mit dem Unternehmer Dirk Rossmann oder dem Schauspieler Lars Eidinger gesprochen. Sein Gesamtverdienst in der laufenden Legislaturperiode durch Vorträge, Buchhonorar und als Rechtsanwalt: mindestens 470.000 Euro.

Der Unterschied zwischen Lindner und Gysi: Während Lindner zu zahlreichen firmeninternen Netzwerktreffen wie „Business-Dinner“ oder „Kamin-Abenden“ engagiert wurde, sprach Gysi hauptsächlich auf öffentlichen Veranstaltungen.

Wie viel verdienen die Parlamentarier nebenbei?

Angeführt wird die Liste der Abgeordneten mit den höchsten meldepflichtigen Einkünften traditionell von Freiberuflern. Das hängt damit zusammen, dass diese ihre Bruttoumsätze angeben müssen, nicht den erzielten Gewinn. 

Ganz vorn steht erneut der CSU-Abgeordnete Sebastian Brehm. Mindestens 3,13 Millionen Euro gibt er auf der Bundestagsseite für seine Tätigkeit als Steuerberater an. Weil er aber mehrere Steuerberater und rund 25 Mitarbeiter beschäftige, würden die gemeldeten Bruttoeinkünfte nicht von ihm allein erwirtschaftet, so Brehm auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de. Hinzu kämen Abzüge durch Steuern, Personal- und Sachkosten. „Die Summe – nach Abzug der genannten Parameter – wäre dann vergleichbar mit den Nebeneinkünften der anderen Abgeordneten“, erklärte Brehm. 

[Lesen Sie außerdem zum Thema: Millionenhonorare aus anonymen Quellen - wer sind die unbekannten Geldgeber der Abgeordneten?]

Brehm fordert daher eine vertiefende Kontrolle der Umsätze durch die Bundestagsverwaltung und die interne Offenlegung der tatsächlichen Gewinnausschüttung.

Bei Freiberuflern wie Brehm ergibt sich noch ein ganz anderes Problem: die verschleierte Identität der Geldgeber. Bei mindestens 56 Abgeordneten ist für die Öffentlichkeit nicht ersichtlich, von wem diese ihr Geld erhalten. Da sie die Vertragspartner nur in anonymisierter Form aufführen müssen (z.B. "Mandant 1"), bleibt die Herkunft von 11,2 Millionen Euro unklar.

Liste: Das erwirtschafteten die Bundestagsabgeordneten mit Nebentätigkeiten

(ggfs. müssen Sie die nachstehende Tabelle zunächst aktivieren):

Mitarbeit: Andrea Knabe, Andreas Dobrzewski, Martin Reyher

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