Immobilienkredit und Grußwort: Finanzministerium verschwieg Kommunikation zwischen Bank und Christian Lindner | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Immobilienkredit und Grußwort
Finanzministerium verschwieg Kommunikation zwischen Bank und Christian Lindner
Finanzminister Christian Lindner hielt ein Grußwort für eine Bank, die seinen Hauskauf finanziert. Dokumente, die Aufschluss über den Austausch zwischen Lindner und der Bank geben könnten, hält das Ministerium gegenüber abgeordnetenwatch.de seit Monaten zurück – eine Mail verschwieg es sogar.
Dieser Tage muss sich Bundesfinanzminister Christian Lindner öffentlich mit einer ungewohnten Materie auseinandersetzen: seinen privaten Finanzen. Nach einem Bericht des Tagesspiegel prüft die Berliner Generalstaatsanwaltschaft derzeit, ob sie gegen den FDP-Politiker Korruptionsermittlungen aufnehmen soll. Dafür müsste sie zunächst beim Bundestag die Aufhebung von Lindners Immunität als Abgeordneter beantragen. (Update vom 27. Januar 2023: Die Staatsanwaltschaft nimmt keine Ermittlungen gegen Lindner auf, siehe Ergänzung am Ende des Artikels).
Hintergrund sind private und dienstliche Kontakte des Ministers mit der Karlsruher BBBank, die der SPIEGEL im vergangenen Oktober enthüllte. Demnach lieh Lindner sich 2021 und 2022 von der Bank Geld für ein Zweifamilienhaus im Berliner Ortsteil Nikolassee, das er für 1,65 Millionen Euro erworben hatte.
"Die BBBank ist mir von Grund auf sympathisch", sagte Lindner laut Redemanuskript
Das Interesse der Staatsanwaltschaft wurde dadurch geweckt, dass der FDP-Politiker im zeitlichen Umfeld der Kreditvergabe auch als Bundesfinanzminister mit dem Geldhaus zu tun hatte.
Im Mai 2022 hielt Lindner aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der BBBank ein Grußwort, das per Video aufgezeichnet wurde. "Die BBBank ist mir von Grund auf sympathisch", sagte Lindner laut Redemanuskript. Er wünsche weiterhin viel Erfolg und werde seinen Teil zum Gelingen beitragen. "Denn solide Staatsfinanzen und solide Banken sind ein starkes Team!" Das fünfseitige Manuskript liegt abgeordnetenwatch.de vor, wir veröffentlichen es an dieser Stelle.
Laut Manuskript sagte Lindner zu Aktivitäten der BBBank in Sachen Digitalisierung und Automatisierung: "Gerne bleibe ich dazu mit Ihnen im Austausch."
Die Formulierung "im Austausch bleiben" legt nahe, dass Lindner mit dem Geldhaus in diesem Zusammenhang bereits in Kontakt gestanden hatte. Als abgeordnetenwatch.de kurz nach Veröffentlichung der SPIEGEL-Recherche beim Ministerium nach sämtlichen Kontakten zwischen Lindner und der BBBank fragte, bestritt das BMF jeglichen Austausch. Lindner habe lediglich das Grußwort für die interne Vertreterversammlung der BBBank am 21. Mai 2022 "zugeliefert". Darüber hinaus, so das Ministerium, habe es in dieser Legislaturperiode "keine Kontakte mit der BBBank auf der Ebene des Ministers oder der Leitung gegeben."
Wenn es zwischen Bank und der Leitungsebene im Finanzministerium keinen Austausch gab – wie kam dann Lindners Grußwort zustande? Auf diese Nachfrage von abgeordnetenwatch.de korrigierte das BMF seine vorherige Aussage: Es habe doch einen Kontakt gegeben. "Mit E-Mail vom 22. April 2022 hat die Kommunikationsabteilung der BBBank Bundesfinanzminister Christian Lindner aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Bank um ein Grußwort für die genossenschaftliche Vertreterversammlung gebeten", schrieb das BMF.
"Die Bearbeitung Ihres Antrags wird leider noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen"
Die Frage ist: Gab es darüber hinaus noch weitere Kontakte zwischen Lindner oder seinem Ministerbüro und der BBBank? Seit Oktober ist das BMF nicht in der Lage, einen Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu beantworten. Angefordert hatten wir sämtliche Dokumente wie Korrespondenzen, Vorlagen, Vermerke, Notizen, SMS oder Kalendereinträge zwischen dem Minister und der Karlsruher Bank. Nun hat das BMF mitgeteilt, dass die abschließende Bearbeitung des Antrags wegen eines "sehr hohen Antragsaufkommens [...] leider noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen [wird]." Die lange Bearbeitungszeit ist bemerkenswert, da es laut BMF nur eine Mail der BBBank geben soll. Nach dem Gesetz haben Behörden Unterlagen im Normalfall innerhalb eines Monats bereitzustellen.
Etwaige Dokumente könnten auch für die Staatsanwaltschaft von Interesse sein. Die Ermittler:innen gehen dem Verdacht nach, dass es einen Zusammenhang zwischen dem dienstlichen Grußwort des Ministers für die BBBank und deren Immobilienkredit an Lindner als Privatperson geben könnte. Laut Grundbuchauszug, den der SPIEGEL jetzt veröffentlicht hat, wurde auf das Grundstück von Lindner zweimal eine Grundschuld zugunsten der BBBank eingetragen. Das erste Mal am 10. Februar 2021 in Höhe von 2.350.000 Euro, das zweite Mal am 5. Juli 2022 über 450.000 Euro. Das Grußwort des Finanzministers im Mai 2022 lag kurz vor dem zweiten Darlehen.
DER SPIEGEL
Auszug aus dem Grundbuch für das Lindner-Haus in Nikolassee. Foto: DER SPIEGEL
Sollte die Staatsanwaltschaft im Zuge ihrer Vorermittlungen einen Anfangsverdacht erkennen, könnte dies ein Strafverfahren wegen Vorteilsannahme nach sich ziehen. Ob Lindner den Kredit bereits bei der Erstellung der Videobotschaft beabsichtigte, ließ sein Anwalt laut Tagesspiegel unbeantwortet.
Den Vorwurf des Interessenkonflikts wies der Lindner-Anwalt zurück: Die private Immobilienfinanzierung habe lange vor Übernahme des Ministeramtes begonnen. "Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehört zur regulären Amtsführung eines Ministers."
Ergänzung 27.01.2023:
Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens bei Finanzminister Lindner. Anlass der Prüfung war ein schriftliches Grußwort für eine Bank, bei der Lindner einen privaten Kredit aufgenommen hatte. Es seien keine Hinweise dafür gefunden worden, dass an die Darlehensgewährung "die Erwartung der Einflussnahme auf künftige und/oder die Honorierung vergangener Dienstausübungen geknüpft gewesen wäre".
Lindner und die BBBank: Zehntausende Euro an Honorar
Seit vielen Jahren unterhält Christian Lindner geschäftliche Verbindungen zur Karlsruher BBBank. Allein in den Jahren 2017 und 2019 erhielt er laut seiner Bundestagswebsite bei sieben "Exklusiven Abenden" der Genossenschaftsbank insgesamt zwischen 35.000 und 73.000 Euro Honorar. Bereits 2014 hatte Lindner einen Vortrag für die BBBank gehalten, damals noch als NRW-Landtagsabgeordneter.
Screenshot: abgeordnetenwatch.de
Veröffentlichungspflichtige Angaben von Christian Lindner für das Jahr 2019.