Normalerweise sind es Lobbyist:innen, die sich mit einer Bitte an die Politik wenden, doch am 28. Juni war es umgekehrt. An diesem Tag schrieb Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dem Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG, Oliver Blume, eine SMS: „Ich kann da durchaus argumentative Unterstützung gebrauchen", lautete der Inhalt.
Die Hilfe des Porsche-Chefs benötigte Lindner als Munition gegen seine Kabinettskollegin Steffi Lemke. Die grüne Umweltministerin hatte die gemeinsame Position der Bundesregierung zugunsten von synthetischem Kraftstoff (“E-Fuels”) infrage gestellt – nun suchte der FDP-Mann nach Verbündeten.
Dass der Inhalt aus Lindners SMS öffentlich wurde, ist dem Handelsblatt zu verdanken. Über diesen einen Satz hinaus ist jedoch bis heute nicht bekannt, was sich der Finanzminister und der Porsche-CEO genau schrieben – und zwar nicht nur zum Thema "E-Fuels", sondern auch bei anderer Gelegenheit. Das soll nach dem Willen von Lindners Ministerium so bleiben.
Krisenmanagement per SMS nach Satiresendung im ZDF
In einem achtseitigen Schreiben hat das Bundesfinanzministerium (BMF) jetzt einen Auskunftsantrag von abgeordnetenwatch.de zu „sämtlichen Kontakten zwischen der Leitungsebene des BMF mit Vertreter:innen der Porsche AG“ abgelehnt. Das Finanzministerium bestreitet nicht, dass Lindner und Blume sich regelmäßig ausgetauscht haben, im Gegenteil: Von insgesamt 15 SMS und zwei Telefonaten in den Monaten Juni und Juli 2022 ist in dem Schreiben des BMF an abgeordnetenwatch.de die Rede.
Demnach gab es folgende Kommunikation:
- Insgesamt vier SMS schrieben sich Lindner und Blume am 28. Juni zum Thema "E-Fuels", darunter auch die eingangs zitierte Nachricht. Auf EU-Ebene sollen Verbrennungsmotoren ab 2035 verboten werden. Sowohl Lindner als auch der Autokonzern sprechen sich für eine weitere Nutzung von Verbrennungsmotoren mit synthetisch hergestellten "E-Fuels" aus. Bereits im Oktober 2021, im Zuge der Regierungsbildung, hatten der FDP-Chef und Blume über das Thema telefoniert. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können. "
- In insgesamt neun SMS und zwei Telefonaten tauschten sich der Finanzminister und der Porsche-Chef am 22. und 23. Juli aus. Anlass waren Recherchen des ZDF-Satiremagazins “Die Anstalt”, mit denen das sogenannte #Porschegate losgetreten wurde. In der Sendung wurden Aussagen von Blume bei einer internen Betriebsversammlung publik gemacht. Der Porsche-Chef hatte dort damit geprahlt, dass Lindner ihn sowohl in den Koalitionsverhandlungen als auch beim Streit über das Aus des Verbrennermotors ständig auf dem Laufenden gehalten habe.
- In zwei SMS tauschten Lindner und Blume sich Anfang Juni aus: am 6. Juni gratulierte der Finanzminister dem Porsche-Chef zum Geburtstag, vier Tage später bedankte sich dieser für die Glückwünsche.
Nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) müssen Behörden amtliche Aufzeichnungen auf Antrag herausgeben, es gibt nur wenige Ausnahmegründe. Das BMF bestreitet gegenüber abgeordnetenwatch.de jedoch, dass die SMS zwischen Lindner und Blume unter das Gesetz fallen. Laut Ministerium habe etwa der SMS-Austausch zwischen Lindner und Blume zum Ende der Verbrennungsmotoren – Stichwort „argumentative Unterstützung“ – nur eine „geringfügige inhaltliche Relevanz“. Deswegen habe man keinen Anlass gesehen, die digitalen Schriftwechsel zu den Akten zu nehmen, heißt es in dem Ablehnungsschreiben des BMF. Die Textnachrichten aus Anlass des Geburtstags von Oliver Blume seien überdies privater Natur.
Auch Unterlagen zu Porsche-Terminen des Verkehrsministeriums bleiben geheim
Während über den Austausch von Finanzminister Lindner mit Porsche bereits vielfach berichtet wurde, ist über die Kontakte des Konzerns zu einem anderen Ressort wenig bekannt: dem Bundesverkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing (FDP).
Auch dort hatte abgeordnetenwatch.de im Juli einen Auskunftsantrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt. Und auch dort wurde die Herausgabe von Unterlagen verweigert. Das Verkehrsministerium bringt dafür die folgende Begründung vor: Wenn die Kontakte zwischen dem Ministerium und Lobbyakteuren bekannt würden, könnten diese künftig von einer Kontaktaufnahme zur Regierung abgeschreckt werden (ausführlich hier: "Wissing-Ministerium will Lobbyisten vor Transparenz bewahren"). Welcher Austausch mit Porsche seit der Bundestagswahl stattgefunden hat, ließ das BMDV offen.
Bekannt wurden die Lobbykontakte inzwischen trotzdem. Auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli gab das Verkehrsministerium an, dass sich ein Abteilungsleiter am 2. Mai 2022 mit Porsches Cheflobbyistin getroffen habe. Gegenstand des Gespräches sei "ein allgemeiner Austausch" gewesen. Ein bereits vereinbarter Videocall zwischen Minister Wissing und Porsche-Chef Blume am 24. August 2022 sei aus Termingründen abgesagt worden.
Ergänzung vom 25. Januar 2023: Das Bundesfinanzministerium hat unseren Widerspruch zurückgewiesen. Damit bleibt die Korrespondenz zwischen Lindner und Porsche-Chef Blume unter Verschluss.